Sexuelle Übergriffe auf Frauen

Von Kairo bis Köln: Frauen als Freiwild in der Menschenmasse

Auf dem Tahrir-Platz in Kairo waren während der ägyptischen Revolution zahlreiche Frauen von Männerbanden misshandelt und vergewaltigt worden. Es gibt Parallelen zu den Vorfällen in Köln.

Demonstration gegen sexuelle Belästigung auf dem Tahrir-Platz.
Kairo (Ägypten), 6. Februar 2013. Foto: Gigi Ibrahim / flickr.com / CC BY 2.0
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Die Übergriffe in Köln zu Silvester haben Deutschland schockiert. Die Zahl der Anzeigen ist auf 379 angestiegen, 40 Prozent der Fälle seien Sexualstraftaten. Die Täter sollen nach Angaben der Opfer vor allem Männer arabischer oder arabisch-nordafrikanischer Herkunft gewesen sein. In großen Gruppen sollen sie im Gedränge Frauen eingekreist und zum Teil sexuell misshandelt haben. Es kam auch zu Vergewaltigungen. Außerdem sollen die fast tausend Männer gezielt mit Silvesterraketen und Böllern auf die Menschenmenge geschossen und Flaschen geworfen haben.

Auch in anderen Städten wurden nach der Silvesternacht Anzeigen erstattet. Meist geht es um sexuelle Übergriffe auf Frauen. Noch wird untersucht, welchen Hintergrund diese Massenerscheinung hat. Im Falle Kölns ist es nicht auszuschließen, dass das Vorgehen der Täter im großen Stile organisiert war. Dies legt zumindest die große Zahl der Täter nahe, die kaum spontan so effektiv hätten vorgehen können. Selbst Justizminister Heiko Maas geht mittlerweile von organisierten Tätergruppen aus.

Rückblick: Vergewaltigungen auf dem Tahrir-Platz in Kairo

Es ist bekannt, dass die Anhänger des „Islamischen Staates“ (IS) und radikal-islamistische Fundamentalisten anderer Gruppierungen sowohl Frauen nicht-islamischen Glaubens als auch liberale Musliminnen, die sich nicht an die Scharia halten, als sexuelles Freiwild betrachten. Doch diese Vorstellung eines moralischen „Freibriefes“ scheint weiter verbreitet zu sein, als es auf dem ersten Blick den Anschein hat.

Erinnern wir uns: 2011 gab es in Ägypten die Revolution gegen Ägyptens Staatspräsident Hosni Mubarak und dessen elitäre Clique. Millionen Menschen versammelten sich im Zentrum von Kairo. Besonders auf dem Tahrir-Platz vor dem Ägyptischen Nationalmuseum drängelten sich die Menschenmassen aller Alters- und Gesellschaftsgruppen, darunter auch Frauen und sogar Kinder. Es war eine Volksbewegung.

Dabei war es nicht nur zu Auseinandersetzungen zwischen Protestlern und Polizeikräften gekommen. Auch innerhalb der Protestbewegung gab es Rangeleien und zwischendrin immer wieder Übergriffe auf Frauen. Insbesondere Frauen, die ohne männliche Begleitung unterwegs waren und sich im Gedränge der Menschenmassen plötzlich von Männern umzingelt sahen, klagten über sexuelle Belästigungen.

Im Sommer 2013 gab es die Gegenrevolution. Millionen Menschen demonstrierten gegen den fundamentalistischen Muslimbruder und demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi. Der Kern der Menschenmassen konzentrierte sich wieder auf dem Tahrir-Platz. In den Vororten Kairos gab es hunderttausende Gegendemonstranten der Muslimbrüder-Anhänger.

Auch bei den Menschenansammlungen auf dem Tahrir-Platz 2013 kam es zu kriminellen Vorfällen gegen Frauen. Unzählige Vergewaltigungen und sexuelle Misshandlungen bis hin zu brutalen Gewaltanwendungen wurden berichtet. Da der staatlicher Schutz durch die Polizei nicht gegeben war und die Demonstrationen sich über Tage und Nächte hinzogen, waren Frauen zu Freiwild für kriminelle Banden geworden. In Gruppen umzingelten sie die Frauen, um sie im Schutz der Masse sexuell zu misshandeln. Betroffen waren auch Ausländerinnen, wie beispielsweise westliche Reporterinnen, die vom Revolutionsgeschehen berichteten. Die Fälle einer niederländischen und einer amerikanischen Reporterin wurden weltweit bekannt. Sie waren plötzlich einer regelrechten Massengewalt ausgesetzt, wurden gewaltsam entkleidet, an den Haaren gezogen und geschlagen. Die Niederländerin wurde von fünf Männern vergewaltigt.

Doch es traf vor allem Ägypterinnen. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie nach islamischer Sitte korrekt gekleidet waren oder nicht. Es schien auch keine Rolle zu spielen, ob sie jung oder alt waren. Neben sexueller Bedrängung gab es auch brutale Gewalt. Es wurden ihnen die Kleider vom Leib gerissen, ihnen an den Haaren gezogen, mit Eisenstangen auf sie eingeschlagen oder sie wurden mit ihren Kopftüchern fast zu Tode erwürgt. Es schien, dass ein – wenn auch kleiner – Teil der männlichen Bevölkerung Ägyptens ein Ventil aufgedreht hatte, mittels dessen sich angestauter Frust entlud.

Doch es sind nicht nur die Straftaten auf dem Tahrir-Platz, die das Bild kennzeichnen. Subtile Belästigungen von Frauen gehören in Ägypten fast zum Alltag. Ägypterinnen in westlicher Kleidung und Ausländerinnen können sich eigentlich nur in wenigen Viertel Kairos, wie etwa dem mondänen Stadtviertel Zamalek oder im wohlhabenden Heliopolis einigermaßen sicher bewegen. Sobald sie in die Gassen der Altstadt oder in das Getümmel der Slums und Vorstädte eintauchen, kann niemand mehr für ihre Sicherheit garantieren. Sie werden unsittlich angefasst, angepöbelt oder sogar von Kindern mit Steinen beworfen. Auch in einigen ländlichen Regionen sieht es nicht besser aus. Als Frau allein im Nil-Delta oder in den Oasen herumzureisen ist ein Risiko. Es gibt immer wieder Männer, die diese Situation als Gelegenheit oder Einladung ansehen. Und es gibt viele Ägypter, die den Frauen selbst die Schuld zuweisen, weil sie der Auffassung sind, dass Frauen nicht alleine herumzureisen haben, erst recht nicht in westlicher Kleidung.

Im Deutschlandfunk wurde damals die Situation mit Zahlen belegt. Zitat:  „85 Prozent aller ägyptischen Frauen und 98 Prozent aller ausländischen Besucherinnen erleben in Ägypten sexuelle Belästigung. 62 Prozent aller ägyptischen Männer räumen ein, selbst Frauen belästigt zu haben. Und gut die Hälfte davon ist der Meinung, die Frauen sind selber schuld.“

Massenstraftaten durch kriminelle Banden

Konservative islamische Kleriker haben im Nachhinein sogar versucht, die Täter in Schutz zu nehmen und den Frauen eine gewisse Mitschuld zuzuschreiben, denn nach den Geboten der Scharia hätten Frauen bei großen Ansammlungen von Männern nicht zu suchen.

Doch selbst Frauen, die in Begleitung ihrer Männer auf dem Tahrir-Platz waren, wurden Opfer sexueller Gewalt. Im Gedränge wurden sie von ihren Familien weggezogen und dann von bandenartigen Männergruppen vergewaltigt. Andere Männer, die zur Hilfe kommen wollten, wurden zusammengeschlagen.

Bei den Gegendemonstrationen der Muslimbrüder gab es solche Vorfälle offenbar nicht. Hier waren Frauen kaum anwesend, und wenn, dann oftmals in Frauengruppen von den Männern getrennt. Allerdings nicht immer.

Dieser Eindruck bestätigte sich noch einmal ein Jahr später: Bei der offiziellen Amtseinführung des neuen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi im Sommer 2014 kam es bei den Massenansammlungen der Inaugurationsfeier wieder zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen.

Stets scheint es sich um organisierte Banden zu handeln, die die Demonstrationen für ihre Zwecke auszunutzen oder Veranstaltungen zu sabotieren versuchen. Bereits bei den Demonstrationen gegen Mubarak war es zu unzähligen Zwischenfällen gekommen, die höchstwahrscheinlich von Regimeanhängern angetrieben wurden, um die Demonstrationen in Verruf und durcheinander zu bringen. Schließlich hatten Mubaraks Anhänger zum Schluss sogar eine wilde Kameltreibertruppe vom Giza-Plateau in die Stadt reiten lassen, um dann auf die Menge einzustürmen.

Die Täter fühlen sich sicher

In Ägypten wurden einige der Täter überführt und verurteilt. Die neue Regierung hat versucht, Härte zu zeigen. Doch die Mehrheit der Täter läuft weiterhin frei herum. Das Thema hat in den westlichen Medien mehr Aufmerksamkeit erregt als in den ägyptischen Medien. Eine landesweite Empörung blieb dort aus.

Der Frau gehört der Haushalt und dem Manne die Straße: Dies ist seit Jahrtausenden eine goldene Regel im Land am Nil. Die Bazare, die Souks, die Märkte, die Handwerksgassen, vor allem die Cafés und Teehäuser, wo die Männer Schischa rauchen und über Gott und die Welt philosophieren, sind Männerdomänen, ebenso Sportveranstaltungen wie Fußballspiele im Stadion.

Wenn etwas in breiten Teilen der Bevölkerung Konsens findet, wird ein Verstoß gegen diesen Konsens als fahrlässig empfunden. Und vielen Opfern sexueller Belästigung wird der Verstoß gegen den Konsens vorgeworfen. Dann spielt es auch kaum noch eine Rolle, dass auch im Islam und in der ägyptischen Gesellschaft eine sexuelle Belästigung oder Misshandlung eine schwerwiegende Straftat ist, die normalerweise hart bestraft wird.

Universum voller Missverständnisse

Mit Blick auf die Ausländerinnen scheint zwischen Ägyptern und Touristen ein Universum voller Missverständnisse zu bestehen. Hier treffen zwei Wertewelten aufeinander, die extrem schwierig zu übersetzen sind.

Es ist in der Tat irritierend zu sehen, wie sich die Massen an Touristinnen aus den USA, Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien oder Russland in leichter Sommerstrandbekleidung über das Pyramiden-Plateau oder durch die Säulengänge des Tempels von Karnak in Luxor bewegen. Es wirkt, sie seien direkt vom Strand von Hurghada oder Sharm el-Sheikh zu den Sehenswürdigkeiten gefahren.

Was sollen die Ägypter beim Anblick all dieser Sommerröcke denken? Die ägyptischen Gastarbeiter, die aus den reichen Golfstaaten zurückkehren, berichten dagegen von ganz anderen Sittenkodizes. Der simple Vergleich zwischen den Sitten in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten mit den Sitten der Touristinnen aus Europa, die halbnackt am Strand und der Partymeile von Hurghada herumspringen, hat das ägyptische Bild von westlichen Frauen geprägt.

Diese Situation betrifft nicht nur Ägypten. Auch in Marokko und Tunesien haben viele Jahrzehnte Massentourismus einen nachhaltigen Eindruck auf die Einheimischen hinterlassen. Allein die Tatsache, dass man ohne Ehe Sex haben kann, wirkt auf viele Männer in diesem Kulturkreis wie Prostitution.

Vor diesem Hintergrund scheint für einige Männer aus diesen Regionen die moralische Hemmschwelle heruntergesetzt. Hinzu kommen all die Berichte vom Sex-Tourismus. Niederländische, britische und deutsche Frauen, die nach Tunesien, Marokko und Ägypten reisen, um dort mit dem einheimischen Kellner oder Animateur eine Affäre anzubändeln. Solche Erfahrungen werden schnell weiterverbreitet.

Das ist der Hintergrund, den viele Einwanderer aus Nordafrika und dem Nahen Osten mit nach Europa bringen. Wie lassen sich solche Bilder in den Köpfen korrigieren? Wie lassen sich Vorurteile gegenüber der westlichen Gesellschaft abbauen, wenn solche Erfahrungen und kulturellen Hintergründe omnipräsent sind? Reicht es mit Aufklärungsarbeit, wenn selbst in den Ländern wie Ägypten das Problem nicht einmal annähernd auf die Tagesordnung der Diskussion kommt?

Deutschland: Integrationskurse reichen als Maßnahme nicht aus

Zurück zu Deutschland. Auch in Deutschland scheinen sich die Täter relativ sicher zu fühlen. Wie es unlängst Birgit Kelle in einem Focus-Online-Artikel auf den Punkt brachte, wirken die Institutionen des Rechtsstaates wie Justiz und Polizei wenig abschreckend auf die Straftäter. Es ist, als ob jene spezifischen Personengruppen mit Migrationshintergrund fest davon ausgingen, nicht belangt, oder wenn, dann nur milde bestraft zu werden. Eine Ausweisung scheinen sie nicht zu befürchten. Polizei und Justiz scheinen in diesem Kontext wie zahllose Tiger zu wirken.

Was am Ende hilft? Ein Integrationskurs mit Hinweisen zur europäischen Sittenmoral reicht sicherlich nicht aus. Der Hinweis, dass der Flirt oder Blickkontakt noch lange keine Einladung zur sexuellen Handlung sei, ist wichtig, aber ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wer glaubt denn, dass Information ohne Abschreckung wirklich ausreicht, um Weiteres zu verhindern?

Wichtiger wäre es, die Polizeipräsenz in Deutschland zu verstärken und den rechtlichen Handlungsspielraum der Polizeibeamten so abzusichern, dass sie gegen Straftäter vorgehen können, ohne sich auf rechtlich unsicherem Terrain bewegen zu müssen. Außerdem müssten die tatsächlichen und potentiellen Täter mit Aussicht auf eine wirkliche Strafe konfrontiert werden können. Doch solange sie sich ihres Aufenthaltes in Europa und einer nur milden Strafe sicher sein können, werden sich diese Banden kaum von weiteren Missetaten abhalten lassen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Lukas

Eine Frechheit diesen Vergleich heranzuziehen! Die massiven Übergriffe auf Frauen auf dem Tahrir im Jahre 2011 waren vorsätzlich geplante und gezielt ausgeführte Angriffe der damaligen Staatsmacht. Ein widerlicher Versuch Mubaraks die Demonstrationen zu diskreditieren, und ihrer Legitimation zu berauben.

Ja, Ja... das arabische Machobild, wenn es doch so einfach wäre. Die Gründe für die sexuelle Anspannung arabischer Gesellschaften sind in erster Linie sozial-ökonomischer Natur.

Gravatar: Verschwoerungstheoretiker

Nun wird wieder an den Symptomen herumgedoktert. Es helfen weder Integrationskurse noch eine höhere Polizeipräsenz und schon gar nicht (die Androhung) einer "wirklichen Strafe".
Dieses Gesindel, dass sich über unsere Frauen hermacht, muss dingfest und mitsamt der für dieses Desaster verantwortlichen Politiker aus unserem Land gejagt werden. Die Grenzen sind zu schließen, der Sumpf muss ausgetrocknet werden. Alles andere ist Makulatur und dient nur dazu, dass Volk weiter zu verar...en.

Gravatar: Michael

Wo höre ich bloß die obersten Teddybärenwerfer und Berufshelfer für Flüchtlinge, wie Till Schweiger & Co.
Sind die schon auf Ihre Ausweichunterkünfte in den USA ausgewichen.
Erst die große Meinungsbeeinflussung und dann hört man nichts mehr, wenn es brennt.

Gravatar: Lisje Türelüre aus der Klappergasse

Was am Ende hilft??
ABSCHIEBEN!!!

Auch Prof.Christian Pfeiffer tourt jetzt durch die Talk-Shows und fabuliert von "Integration".
Glaubt irgendjemand, daß diese Integrationskurse, in denen postklimakterische Weiber (Entschuldigung Herr Zensor, aber mir platzt die Hutschnur!) diesen Herren den Hintern pudern, irgendetwas bringen, als dem Steuerzahler Geld zu kosten?

Gravatar: Hans Meier

Die staatlichen „Türsteher“ waren mal Bundesgrenzschutz und Zoll, bevor sie von Merkel vorsätzlich zur Beihilfe für Flüchtlings-Schleußer missbraucht wurden.
Diese Regierungs-Kriminalität hat direkte Folgen, die auch die weiteren Polizei-Strukturen völlig überfordern, wie sie sich in der Silvesternacht unübersehbar gezeigt haben.

Leider haben Leute, die in der Privatwirtschaft erst gar nicht versucht haben etwas hinzukriegen und darum direkt in politische Karrieren eingestiegen sind, sind aus Sicht unserer Journallie nicht die „sprichwörtlichen Motten, die das Licht der Kameras suchen“, sondern die, mit denen man seine Journalisten-Karrieren sichert.

Es ist prinzipiell der demokratische Staat, der wie z. B. in der Schweiz, ganz direkt im Interesse seiner Bürger ist und bleibt und so für die Sicherheit der wählenden Bevölkerung sorgt, oder immer weiter in Schieflage rutscht.
Es liegt bei uns an den Verrückten in der Politik, denen die deutschen Bürgerinnen und Bürger nicht direkt, wegen ihrer gefährlichen Inkompetenz, den „Stecker ziehen“ können und sich daher extreme, idiotische und gefährliche Zustände entwickeln.
Wir brauchen viel mehr direkte Demokratie, so wie in der Schweiz, damit sich nicht ständig ein „Personen-Kult eines Deutschen-Führungs-Personals“ einschleicht, sondern die zentralen Interessen der Bevölkerung Ziel der Regierungs-Politik bleiben.
Wer keine Bodygards um sich hat ist auf die tatsächliche Sicherheit in der Öffentlichkeit angewiesen und kann sich nicht auf die Illusionen durchgeknallter Kultfiguren verlassen.

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