In Deutschland wird die reale Gefahr weiter unterschätzt

Wieder einmal hat Europa Glück gehabt. Der islamistische Terrorist Ayoub El Khazzani scheiterte mit seinem Versuch, im Hochgeschwindigkeitszug Thalys ein Blutbad anzurichten.

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Es ist der Tapferkeit und Reaktionsschnelligkeit dreier Amerikaner und eines Briten zu verdanken, dass der Anschlag verhältnismäßig glimpflich ausging. Zwei der Amerikaner waren ausgebildete Soldaten auf Urlaub. Sie reagierten ohne zu zögern, so wie sie es wahrscheinlich gelernt haben. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung wirft heute die interessante Frage auf, ob die Tatsache, dass Amis ohne zu zögern eingriffen, während sich das französische Zugpersonal in Sicherheit brachte und einschloss, darauf hindeutet, dass wir Europäer nicht wirklich bereit zur Gegenwehr gegen den Terror sind.

Ich glaube, dass man das so nicht sagen kann. Wären kampferfahrene Franzosen und auch Deutsche im Zug gewesen, hätten sie wahrscheinlich ähnlich reagiert. Hoffe ich jedenfalls. Aber die FAZ weist mit ihrer Frage auf den Kern des Problems hin. Wie bei vielen gescheiterten Anschlägen in Europa in den vergangenen Jahren, sagen die Sicherheitsbehörden nun, dass ihnen der Attentäter bereits bekannt war. Man hat ihn gespeichert, man kennt seine Geschichte, man weiß, dass er in Syrien war – aber man konnte ihn nicht hindern, einen Massenmord zu planen und zu versuchen. Die französischen Sicherheitsbehörden sind – wie vermutlich auch die deutschen – längst überfordert damit, alle möglichen Terrorverdächtigen in ihren Ländern im Griff zu behalten. Inzwischen sind auch in Deutschland Hunderte Islamisten vom IS-Kampf zurückgekehrt, fanatisiert, an der Waffe ausgebildet und srupellos. Wer soll die alle im Blick behalten, und das so intensiv, dass man im richtigen Moment eingreifen kann?

Es gibt ja auch noch andere Probleme, denken Sie an die „No-Go-Areas“ im Ruhrgebiet und wohl auch in Berlin. Deutschland muss den Andrang von Flüchtlingen bewältigen, zahlreiche Muslime aus Syrien und dem Irak kommen ins Land – die überwältigende Mehrheit gewiss aus Furcht vor der IS-Schreckensherrschaft. Aber wer soll überprüfen, ob es zu 100 Prozent friedfertige Leute sind? Warum machen wir uns Gedanken darüber, Islamisten an der Ausreise ins Bürgerkriegsgebiet zu hindern, statt zu regeln, dass die, die ausreisen und sich dem IS anschließen, nicht wieder nach Deutschland zurückkehren dürfen? Und hat dieses Land nicht in den vergangenen Jahrzehnten den Respekt vor den Leuten verloren, die unsere Sicherheit garantieren sollen. Welches Ansehen genießen Soldaten der Bundeswehr und die Mitarbeiter unserer Geheimdienste in der Bevölkerung noch?

Nicht in jedem Zug können – zufällig oder gewollt – Soldaten mitfahren. Niemand kann absoluten Schutz garantieren. Aber ja, meine Antwort auf die FAZ ist: Ich bin überzeugt, dass nach 9/11 und Boston die USA und ihre Bewohner die reale Gefahr des islamistischen Terrors ernster nehmen als die meisten Einwohner europäischer Länder dies tun. In Frankreich beginnt man offenbar umzudenken. In Deutschland nach meinem Eindruck nicht….

Beitrag erschien auch auf: denkenerwuenscht.de 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: MM

@Christof Nordiek: Nur wenn jemand hier nicht Bomben legt, heißt es nicht, dass er vor dem Islamischen Staat geflohen ist. Er kann auch vor der Wehrpflicht geflohen sein, oder er will einfach kostenlos ein besseres Leben. Oder er macht eine Kampfpause und kehrt dann zurück,...
Auch die Nazis haben in Argentinien keinen Weltkrieg mehr angefangen und sind trotzdem nicht vor der Naziherrschaft aus Deutschland geflohen.

Gravatar: Christof Nordiek

@MM: "Woher nehmen Sie diese Sicherheit?":

Abgesehen davon, dass es dort genug Gründe zur Flucht gibt, auch für Muslime: Würde ein bedeutender Teil der ankommende Muslime terroristische Absichten hegen, wäre so ein Überfall nur noch eine Randbemerkung. Unser Land sähe schon ganz anders aus.

Gravatar: Freigeist

Wenn man allen Migranten verpflichtend Unterricht erteilen würde, welcher Schwachsinn all die religiösen Vorstellungen bedeuten, wäre das Problem gelöst, ausser psychisch Kranke. Den Kranken kann man aber im Vorfeld auch beibringen, dass, wenn sie mit Gott sprechen, es sich um eine Krankheit handelt.

Gravatar: Stephan Achner

Mein persönlicher Vergleich mit verschiedenen europäischen Ländern (wie z.B. Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweiz) ist, dass man es vor allem in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten völlig verlernt hat, auf Gewalt und unmittelbarer Gewaltandrohung sofort mit der einzigen wirksamen Alternative Gegengewalt zu reagieren - egal, ob es nun um islamistischen Terrorismus oder um "gewöhnliche" Kriminalität geht. Etwas überspitzt formuliert: Der deutsche Gutmensch versucht vielmehr, unter Berufung auf die Menschenrechte dem Täter auch noch Verständnis entgegenzubringen, notfalls auch durch Preisgabe des eigenen Lebens oder der eigenen Gesundheit, um die Terroristen und die Kriminellen zu erfreuen. Dieses Deutschland im Jahre 2015 hat einen kollektiven Dachschaden.

Gravatar: MM

"...zahlreiche Muslime aus Syrien und dem Irak kommen ins Land – die überwältigende Mehrheit gewiss aus Furcht vor der IS-Schreckensherrschaft."

Woher nehmen Sie diese Sicherheit? Und was ist mit den ganzen anderen, fast auschließlich junge muslimische Männer, die aus ganz anderen Ländern zu uns kommen?

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