Buchbesprechung

Wie Chinas Rohstoffhunger die Welt verändert

Eine neue amerikanische Studie beschreibt, wie sich das Wachstum Chinas auf den globalen Kampf um Ressourcen auswirkt und die Weltwirtschaft beeinflusst. Mit dem Land der Mitte muss gerechnet werden.

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Zunächst ein Blick zurück: In den 1960er und 1970er Jahren war es Japan, das die Welt in Atem hielt. Die japanische Wirtschaft expandierte. Da Japan ein ressourcenarmes Inselreich ist, mussten die Japaner weltweit Rohstoffe einkaufen.

Im Westen war man alarmiert. Man befürchtete, dass Japans Ressourcenhunger die Rohstoffpreise nach oben treibt. Außerdem sorgten sich die amerikanischen und europäischen Konzerne vor japanischer Billigkonkurrenz.

Das ist nun fast ein halbes Jahrhundert her. Tatsächlich haben sich die Rohstoffpreise in dieser Zeit erheblich erhöht. Dennoch bereitete der Aufschwung Japans keine langfristigen Probleme für den Westen. Auch die Konkurrenz aus Hongkong, Taiwan und Südkorea konnte in den Weltmarkt ohne große Verwerfungen eingebunden werden. Mit den neuen Industrieregionen in Ostasien wuchs zugleich die globale Mittelschicht und somit die internationale Nachfrage.

China wird wieder zum Reich der Mitte

Heute erklingen die Befürchtungen von damals erneut. Doch diesmal ist es China, das den globalen Ressourcenmarkt umkrempelt. Mit fast 1,4 Milliarden Menschen ist China der größte Binnenmarkt der Erde. Chinas rasantes Wirtschaftswachstum ist das umfangreichste in der Geschichte der Menschheit.

Eine jüngst publizierte, zusammenfassende Studie zweier Experten des Think Tanks “Council on Foreign Relations” hat den Einfluss von Chinas Wirtschaftswachstum auf den globalen Rohstoffmarkt untersucht (Elizabeth C. Economy & Michael Levi: „By all Means Necessary: How China’s Resource Quest is Changing the World“, Oxford University Press: New York 2014).

Begonnen hatte es 1978 unter Deng Xiaoping. Zunächst wanderten Industriezweige von Hongkong nach Shenzhen ab, der unmittelbaren Nachbarstadt auf dem chinesischen Festland. Dann wurden in verschiedenen chinesischen Küstenstädten Sonderwirtschaftszonen eingerichtet. Es folgten Industrieauslagerungen japanischer, südkoreanischer und westlicher Unternehmen nach China, um von den günstigen Produktionsbedingungen zu profitieren. China wurde zur Werkbank der Industrienationen.

China wurde unfreiwillig zum Rohstoffimporteur

Vor den Reformen Deng Xiaopings war die Volksrepublik China Selbstversorger. Die bevölkerungsreichste Nation der Erde spielte auf dem Weltmarkt keine Rolle. Nahrungsmittelproduktion und Rohstoffgewinnung erfolgtem im eigenen Lande. Die Verteilung wurde via Binnenhandel und Planwirtschaft organisiert. Von Importen ausländischer Ressourcen wollte man unabhängig sein.

Die steigende Nachfrage nach Produkten aus China kurbelte die Industrieproduktion an. Mit der Produktionssteigerung wuchs der Bedarf an Rohstoffen schneller als die Erschließung und Ausbeutung chinesischer Rohstoffquellen. Die Grenzen der Selbstversorgung waren schnell überschritten.

Parallel entwickelte sich eine wachsende Binnennachfrage nach Konsumgütern. Chinas neue Mittelschicht strebt nach westlichem Lebensstandard. Ihre Bedürfnisse sind längst über das von der Planwirtschaft vorgesehene Maß hinausgewachsen. Die eiserne Reisschüssel ist dem Fleischkonsum gewichen. Entstanden ist ein Paradoxon: Obwohl das Land immer reicher wird, ist es immer weniger in der Lage, die eigene Bevölkerung zu ernähren.

China als globaler Investor

Nun geht China auf Einkaufstour. Chinesische Investoren erwerben Ländereien in Südamerika und Afrika, um dort Nahrungsmittel, beispielsweise Sojabohnen, zu produzieren. Mittlerweile kursieren auch Pläne, chinesische Farmer in Afrika anzusiedeln.

Chinesische Konzerne steigen in westliche Unternehmen als Investoren ein, um an technisches Know-how zu gelangen. Ebenso wichtig sind die Investitionen zur Ausbeutung der Erdöl-, Ergas-, und Erzvorkommen in Afrika und im Mittleren Osten.

Durch chinesische Investitionen sind einige Staaten unabhängiger von westlichen Partnern geworden. So hat China zur Sicherstellung seines Erdölbedarfs massiv in Venezuela, Angola und im Sudan investiert. In vielen afrikanischen Ländern sind es mittlerweile chinesische Firmen und Ingenieure, die die Straßen, Gebäude und manchmal komplette Infrastruktur errichten.

Dabei haben die Chinesen nicht nur positive Erfahrungen gemacht. Afrikanische Bürgerkriege, Entführungen chinesischer Geschäftsleute, die Spaltung des Sudan, Aufstände in Libyen, Fehlinvestitionen im Irak und in Afghanistan sowie geplatzte Geschäfte haben dazu beigetragen, dass auch die Chinesen – genauso wie die Europäer, Amerikaner und Japaner – lernen mussten, Risiken einzuschätzen und Fehlinvestitionen zu verkraften.

Nicht selten stoßen die Chinesen auf Misstrauen in der Bevölkerung der Handelspartnerländer. So gab es in Argentinien, Australien, Neuseeland, Kasachstan und auf den Philippinen Proteste gegen chinesische Investoren, die Ländereien aufkaufen wollten. In Brasilien hat der chinesische Landhunger bereits dazu geführt, dass sich die brasilianische Regierung genötigt sah, Landverkäufe an Ausländer zu beschränken.

Auch in Argentinien wurde als Reaktion auf den chinesischen Landhunger ein Gesetz verabschiedet, nach dem ausländische Firmen oder Individuen nicht mehr als tausend Hektar Land erwerben dürfen.

China beeinflusst die Welt und lässt sich beeinflussen

Mit wachsendem Handelsaustausch wird das Reich der Mitte mit neuen Ideen, Handelskonzepten, Wirtschaftsformen und fremden kulturellen Ansichten konfrontiert. Um in westlichen Märkten Fuß zu fassen, müssen chinesische Geschäftsleute sich den Gegebenheiten vor Ort anpassen. Besonders in den USA wird Wert auf amerikanische Standards gelegt.

Eine große Rolle spielen die vielen Millionen Auslandschinesen in aller Welt. Sie helfen mit ihren Netzwerken den chinesischen Investoren den Einstieg in die Wirtschaft des jeweiligen Landes. Ein anderer Faktor sind die zahlreichen Kooperationen und Joint Ventures von chinesischen Firmen mit ausländischen Konzernen, die zu einer neuen Unternehmenskultur beigetragen.

Pipelines, Flüsse und Seerouten

China braucht Öl, Wasser und sichere Handelsrouten. Der Ausbau der Pipelines ist essentiell. Bereits 2011 wurde die erste Mega-Ölpipeline (The East Siberia – Pacific Ocean Pipeline, ESPO) von Russland nach China eröffnet. Gaspipelines sollen folgen. Eine Pipeline durch Burma in die chinesischen Provinz Yunnan soll den Seeweg an der Straße von Malakka entlasten. Geplant sind zudem Pipelines durch Thailand und Pakistan. Bei der Sicherheit der Seehandelsrouten ist man dagegen weiterhin auf das Engagement der USA angewiesen.

Süßwasser wird in Nord- und Westchina zu einer knappen Ressource. In China entspringen zahlreiche Flüsse, die auch für die Wasserversorgung angrenzender Staaten von Bedeutung sind. Allein mit Kasachstan teilt sich China rund zwanzig Flüsse. Sowohl Kasachstan als auch die chinesische Provinz Xinjiang leiden unter chronischem Wassermangel. Umfangreiche Verhandlungen und Abkommen waren nötig, um die Wassernutzungsrechte beiderseitig abzuklären.

Chinas globaler Einfluss wird auch weiterhin wachsen

Wie sehr die internationale Politik vom Zugang zu Ressourcen geprägt ist, zeigen die Streitigkeiten im Ost- und Südchinesischen Meer. Dort gibt es Inselgruppen, die von China beansprucht werden. Jahrelang waren solche Territorialfragen zur See zweitrangig. Doch angesichts neu entdeckter Gas- und Ölreserven nördlich der Senkaku-Inseln zwischen Taiwan, China und Okinawa (Japan) werden selbst kleinste Eilande zu diplomatischem Sprengstoff.

Nach der Besprechung zahlloser Detailbeispiele sind Elizabeth C. Economy und Michael Levi zu dem Schluss gekommen, dass sich Chinas wachsender Einfluss in der Welt weder bremsen noch stoppen lässt, sondern alle Staaten mit den Konsequenzen zurechtkommen müssen. Daher sind Dialog und Verständnis essentiell, um die zukünftige Welt gemeinsam mit China zu gestalten.

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Gravatar: Walter Grobe

Interessant dazu auch das neue Buch von Howard W. French, einem Journalisten aus den USA mit chinesischem sowie afrikanischem Hintergrund: "China's Second Continent. How a Million Migrants Are Building a New Empire in Africa".
Eine kritische Renzension des Buches auf meiner Website waltergrobe.de

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