Kampagnenportal Campact

Nur noch kurz die Welt retten

Campact macht linkes Online-Campaigning. Das mag man kritisch sehen. Aber wie sie es machen – das ist schon nicht schlecht.

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Es ist ja wahr: Das Leben wird immer unübersichtlicher. Täglich werden einem neue Begriffe an den Kopf geworfen, die alle irgendwie ähnlich klingen. Und da soll man sich dann noch zurechtfinden! Deshalb gleich am Beginn ein kurzer Überblick: „Compo“ ist ein Rasendünger. Mit Langzeitwirkung, wie der Hersteller versichert. Angeblich reicht der 20-Kilo-Sack für bis zu 750 Quadratmeter. „Compact“ ist eine Monatszeitschrift. Der Publizist Jürgen Elsässer gibt sie heraus. Zurzeit liegt ihre Auflage bei 6.800 Exemplaren. Deshalb ist es keine Schande, wenn man noch nie einen Blick hineingeworfen hat. Das Heft repräsentiere den „wahnsinnigen Rand des politischen Spektrums“, behauptet die „taz“. Und die kennt sich da ja bekanntlich aus. Aber als Empfehlung reicht das allein noch nicht. Vielleicht ist das Ganze ja wirklich Freakstuff.

An dieser Stelle geht es im Übrigen auch um „Campact“. So heißt eine populäre Netzplattform mit Sitz im niedersächsischen Verden. Anno 2014 feiert sie ihr zehnjähriges Bestehen. Ihr Gründer Christoph Bautz nennt sie „die inzwischen größte politische Internet-Organisation Deutschlands“. Campaign und Action wollen Bautz und seine Mitstreiter miteinander verbinden – Meinungsbildung und Konsequenzen, die man daraus zieht. Und das machen sie durchaus mit Erfolg: Offiziell umfasst die Kartei von „Campact“ mehr als eine Million Adressen. Ob Kenner der Datenbank von anderen Zahlen ausgehen, ist nicht bekannt.

Genug gesagt, genug Information

Inhaltlich wird auf www.campact.de zunächst einmal nicht viel geboten, was man anderswo nicht auch findet: Die Bautz-Truppe, inzwischen auf ein gutes Dutzend Hauptamtliche angewachsen, ist für den Atomaustieg und gegen die Gentechnik, für Transparenz bei Politikerbezügen und gegen Vorratsdatenspeicherung, für die Vermögensteuer und gegen die Bahnprivatisierung, pro Asyl für Edward Snowden und contra Freihandelsabkommen, für Volksabstimmungen und gegen Homophobie. Doch Angst vor Gleichem hat „Campact“ auch dann nicht, wenn es darum geht, Verbündete zu finden – und das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Initiative: Bautz & Co. kooperieren mit attac und dem BUND, Transparency International und Mehr Demokratie e.V., ver.di und der Diakonie und mit vielen anderen mehr. Und so hat man es geschafft, von zahlreichen Aktivisten als eine Art „Super-Organisation“ wahrgenommen zu werden, die verschiedene Interessen zusammenführt und neue Koalitionen schmiedet.

Zurzeit wirbt „Campact“ auf seiner gut gemachten Homepage für elf ganz unterschiedliche Initiativen. Würde man es darauf anlegen, könnte man sie alle innerhalb von zwei Minuten mit seiner Online-Unterschrift unterstützen. So sind Bautz und sein Team bei den Partnerorganisationen beliebt, weil sie ihnen über deren eigenen Kreis hinaus Support und Kontaktdaten zuführen. Das geschieht ganz offen über campact.de und weniger augenfällig auch über das breiter angelegte Projekt „openPetition“, auf dem die Campact‘ler ein vielfältigeres Meinungsspektrum zulassen.

Ausdrücklich sollen dabei auch jene angesprochen werden, die ganz zeitgeistkonform nach dem Instant-Engagement suchen. „Campact“ nennt sie „Menschen mit wenig Zeit“, denen man dabei helfe, „via Internet aktiv“ zu werden. Für sie hält man nach dem Vorbild der gleichnamigen Terrine zu jedem Projekt die „5-Minuten-Info“ bereit, anhand derer sich die Politkonsumenten dann entscheiden können, ob sie ihren guten Namen für ein bestimmtes Anliegen hergeben oder nicht. Ergänzt werden die prägnant geschriebenen Kurztexte durch YouTube-Videos, Merchandising-Produkte und Termin-Informationen, Querverweise zur vertieften Beschäftigung mit einem Thema und weitere Vorschläge für konkrete Aktionen.

Noch 148 Mails checken

„Campact“ hat dabei die Muster-E-Mail für die Bundesparteizentrale ebenso im Angebot wie Versatzstücke für das individuelle Anschreiben an den örtlichen Abgeordneten. Gerade von Letzterem verspricht man sich eine besonders starke Wirkung, insofern der Druck dann ganz unmittelbar aus dem Wahlkreis kommt.

In der Sache richtet Christoph Bautz sein bevorzugtes Augenmerk auf Entscheidungen, die „auf der Kippe stehen“. So stellt er es zumindest selber dar – „Campact“ sei eine „gut organisierte Minderheit“, die sich auf Themen stürze, „bei denen 40 Prozent der Menschen in Deutschland dahinter stehen“. Tatsächlich greift man sich aber wohl eher jene Fragen heraus, bei denen bereits eine deutliche Volksmehrheit auf der „Campact“-Seite steht. Gerne lässt man sich das zu Kampagnenbeginn auch noch einmal durch eine Meinungsumfrage und durch einen internen Test bei tausend kampferprobten Mitstreitern bestätigen. Stets wird zudem die alte Soziologenweisheit beherzigt, dass sich konkrete Interessen leichter bündeln lassen als abstrakte. Die Plünderung der Rentenkasse oder der Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst mögen noch so skandalös sein – weil ihre Auswirkungen kurzfristig nicht greifbar sind, lassen sie sich nur schlecht operationalisieren. Besser eignen sich da nach den Worten von Christoph Bautz aktuelle Debatten, die „die Leute aufregen“ und zugleich „halbwegs verständlich“ sind.

Und noch ein drittes Element neben der Koalitionsbildung und der Kampagnenfähigkeit kennzeichnet das Erfolgskonzept von „Campact“: Gelegentlich will die eigene Unterstützerschar auch einmal das Gefühl bekommen, dass ihr Engagement sich lohnt. Das Verdener Team orientiert sich deshalb auch hier an seinem großen Vorbild in Amerika, der Organisation „MoveOn“. Dieses „Bündnis progressiver Kräfte“ hat auf seiner Homepage eine „Victory“-Rubrik eingerichtet, auf der politische Entscheidungen aufgelistet werden, bei denen man eine Mitursächlichkeit beansprucht. Und auch bei „Campact“ behauptet man gern, den maßgeblichen Pendelschlag herbeigeführt zu haben: Die erweiterten Offenlegungsvorschriften bei Politikereinkünften hält man sich zugute, die Zurückweisung des Urheberrechtsabkommens ACTA und nicht zuletzt das Genmais-Verbot, das man Ministerin Aigner abgerungen habe. Da ist es für die Campact’ler dann auch kein Problem, „eine Schnellstudie in Auftrag gegeben“ zu haben, die vom Landwirtschaftsministerium „zur Grundlage genommen“ wurde, „um Genmais wegen gesundheitlicher Bedenken aus dem Verkehr zu ziehen“. Wenn dagegen ein Pharmaverband oder eine Bankenvereinigung Tipps zur Umsetzung komplexer Rechtsvorschriften gibt, bricht das Skandalgeschrei los. Nur allzu gern spielt die Truppe von der Aller „Guter Lobbyist, böser Lobbyist“ – und das sehr professionell.

Im eigenen Spektrum kommt „Campact“ damit bestens an: Musste die Organisation in ihren Anfangsjahren noch auf institutionelle Zuweisungen zurückgreifen – zum Beispiel von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung –, schultert sie ihren Zwei-Millionen-Etat inzwischen aus Einzel- und Förderspenden ihrer Anhänger. Und kann so eine nützliche Infrastruktur für einen Personenkreis bereithalten, der ohnehin viel eher zum aktiven Mitmischen neigt als die meisten Liberal-Konservativen.

Fazit: Was die „Campact“-Leute machen, mag man kritisch sehen. Aber wie sie es machen – das ist schon nicht schlecht.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Jürgen Elsässer

COMPACT, das Monatsmagazin, hat mit campact nichts zu tun. Eher im Gegenteil: campact hat eine Petition für die grün-rote Sexualumerziehung in Baden-Württemberg gestartet, COMPACT steht auf der Seite der Eltern für die traditionelle Familie und das Elternvorrecht bei der Aufklärung.- Unsere Auflage liegt übrigens bei 30.000, nicht bei 6.800. Unsere Website: compact-magazin.com

Gravatar: keinUntertan

Was Campact macht finde ich persönlich nicht nur "nicht schlecht", sondern richtig gut.

Diese Art von Kampagnenaktivismus geht nämlich auf konkrete Themen ein, denen man einzeln zustimmen kann oder eben nicht.

Bei der Wahl einer Partei dagegen bekomme ich immer nur ein Gesamtpaket mit Dingen, denen ich zustimme, und Dingen, die ich ablehne, wie bei einer Medizin mit Nebenwirkungen.

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