Mietpreisbremse: Die einen haben Ideen, und die anderen setzen sie um

Dr. Georg Alfes entlarvt christdemokratische Mimikry bei der Mietpreisbremse.

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CDU-Programm unter der Lupe: Mietpreisbremse (Teil 8)

Am 9. Juli 2013 hatte die Tagesschau in der Altersgruppe von 14 bis 49 erstmals weniger Zuschauer als die Nachrichten von RTL II. Diese firmieren zwar mittlerweile nicht mehr unter dem Namen „Action News“, doch heiße Schwenks und scharfe Schnitte prägen die Sendung bis heute. Insofern ist die selbstgefühlte Kulturelite natürlich besorgt. Doch in Wahrheit ist die Veränderung der Sehgewohnheiten erfreulich: Wer die „Tagesschau“ nicht sieht, weiß mehr von der Welt. Denn das Programm von RTL II ist viel lehrreicher als oft behauptet. Neureiche wie Carmen und Roobäärt Geiss machen anschaulich, wie die Verrücktheiten der Reichen den Armen Lohn und Brot verschaffen. Die Wollnys sind der Beweis dafür, dass die kinderreiche Familie nach wie vor ein Glücksmodell ist. Und aus Vera Int-Veens Prellersoap erfährt man alles, was man zum Reformbedarf im Mietrecht wissen muss.

Während RTL-II-Zuschauer den Essentials einer politischen Reformphilosophie also schon längst auf der Spur sind, verharrt der Mainstream im Altbackenen. So zeigt das Demokratieabgaben-TV in berührenden Dokumentationen das Schicksal junger Paare, die trotz aller Anstrengungen keinen bezahlbaren Wohnraum in Schwabing finden. Doch die politische Godmother dieser Klientel eilt ihr zur Hilfe. Bereits im Februar 2011 forderte die grüne Bundestagsfraktion, dass „Mieten bei der Wiedervermietung nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegen dürfen. So wurde die Idee der Mietpreisbremse in Wahrheit auf chlor- und holzfrei gebleichtem Recyclingpapier geboren. Daher ist es nur gerecht, dass die Grünen zurzeit mit dem Slogan „Für faire Miete statt Rendite“ um Stimmen werben. Gäbe es einen Preis für das intelligenteste Wahlplakat, hätten sie gute Chancen auf die Goldene Himbeere. Und so ist es verständlich, dass die SPD früher oder später nachziehen musste. Sie verlangt nun seit Januar, dass „die Miete um nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen“ darf, wenn eine Wohnung neu vergeben wird. Grün und Rot sind also für die Mietpreisbremse – fehlt da nicht noch jemand? Keine Sorge, wir werden auch dieses Mal nicht enttäuscht: „Das Thema haben wir uns bei der Union in der Tat noch einmal durch den Kopf gehen lassen“, so Angela Merkel beim Deutschen Verbrauchertag im Juni. „Ja, es war eine SPD-Idee; sie ist von CDU-Bürgermeistern übernommen worden, anschließend von CDU und CSU; und dann müssen wir sie bloß noch umsetzen“. Folglich schreibt die Union in ihrem Wahlprogramm: „Bei der Wiedervermietung von bestehenden Wohnungen wollen wir die Möglichkeit eröffnen, in angespannten Märkten die Mieterhöhungen in Zukunft auf 10 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zu beschränken".

Es gibt keine Wohnungsnot

Die Unionsparteien haben also wiederum die linke Lagebeschreibung übernommen, und auch der gewählte Lösungsansatz stimmt überein. Dabei sind beide gleichermaßen falsch.

Tatsächlich erlebt der Wohnungsbau zurzeit einen lebhaften Aufschwung. Wurden vor fünf Jahren nur 175.000 Neubauten genehmigt, prognostiziert man für das laufende Jahr 250.000. Der Markt reagiert also prompt auf den steigenden Bedarf. Zugleich entwickeln sich die Nettomieten längst nicht so dramatisch wie oft geschildert. In den letzten zehn Jahren sind sie bundesweit um 11,7% angewachsen, während der Preisindex insgesamt um 17,5% gestiegen ist. Gleiches gilt auch in den Metropolen: In München liegen die Kaltmieten heute je nach Lage um maximal 24% höher als vor zwanzig Jahren. Die allgemeinen Lebenshaltungskosten haben im selben Zeitraum um 39% zugenommen. Im Münchener Norden zahlt man zurzeit einen Quadratmeterpreis von rund 11,50 Euro, während man in Hamburg-Harburg bereits mit acht Euro auskommt. In Berlin-Marzahn und am Frankfurter Berg ist man schon für sechs Euro dabei. Einen wirklich dramatischen Anstieg gibt es in den vergangenen zehn Jahren nur bei Strom (+ 63,4%) und Heizung (+ 64,3%). Und hier ist es die Politik, die für Preisdynamik sorgt.

Die Gründe, warum gleichwohl eine breite Koalition der Wohnungsnot das Wort redet, sind vielfältig. Den Medien erscheint die Darstellung gesellschaftlicher Verwerfungen quotenträchtiger als die Wiedergabe der Realität. Doch auch starke Kräfte in Politik und Verbänden haben Interesse an einem dramatischen Lagebild: Für Kommunalpolitiker sind die örtlichen Baugesellschaften mit ihren Vorstands- und Aufsichtsratsmandaten ein attraktives Betätigungsfeld. Die Bürokratie freut sich über die Ausführung des Förderprogramms „Soziale Stadt“ genauso wie über Maßnahmen gegen die Gentrifizierung, sobald das Förderprogramm Erfolg hat. Ideal wäre für sie auch die Neuankurbelung des Sozialwohnungsbaus, der wie alle planwirtschaftlichen Projekte mit enormem Administrationsaufwand verbunden ist. Und natürlich wendet sich die Beamtenschaft auch gegen eine marktwirtschaftliche Lösung für die Probleme strukturschwacher Gebiete, die von einer zunehmenden Spreizung des Mietniveaus zwischen Stadt und Land profitieren könnten. Da verteilt man lieber Fördergelder und sichert zugleich Stellen im öffentlichen Dienst. Schließlich machen sich Lobbygruppen wie der Mieterbund und die Verbände der Bauindustrie für die Wohnungssubventionierung stark, wobei gerade Letztere bei den Unionsparteien über großen Einfluss verfügen und im Zweifel lieber für höhere Staatsausgaben werben als für ordnungspolitische Solidität.

Faire Miete durch Rendite

CDU und CSU hätten also einen Kampf mit mächtigen Gegnern aufzunehmen, wenn sie das Immobilienrecht wirklich reformieren wollten.

Zunächst müssten sie die öffentliche Meinung umkehren, die bis jetzt kaum einzusehen vermag, dass nichts den Mietwohnungsbau so sehr beleben würde wie hohe Renditeerwartungen potentieller Investoren. Denn diese würden eine Vergrößerung des Angebots bewirken und damit eine Reduzierung des Preisniveaus herbeiführen. Staatseingriffe wie die Absenkung der Kappungsgrenze durch die jüngste Mietrechtsreform oder auch die Einführung einer Mietpreisbremse machen dagegen den Mietwohnungsbau unattraktiv, und das Kapital sucht sich renditestärkere Anlagen.

Ein weiterer Schritt wäre die Stärkung der Vermieterrechte. Hier hat die unionsgeführte Bundesregierung mit ihrer Mietrechtsnovelle sinnvolle Akzente gesetzt: So können Eigentümer säumige Mieter jetzt auch dann vor die Tür setzen, wenn für Abtransport und Einlagerung von Einrichtungsgegenständen nicht vorgesorgt wurde. Außerdem können nunmehr auch vorgeschobene „Untermieter“ entfernt werden, gegen die bisher separat geklagt werden musste.

Doch eine mutige Politik ginge noch weiter: Sie würde die Spielräume der Kommunen bei der Gestaltung von Bebauungsplänen einschränken, um Behörden und Gemeindevertreter darin zu hindern, nach Gutdünken in die Eigentumsrechte von Bauherren einzugreifen. Sie würde Bürokraten dazu zwingen, eingehende Anträge innerhalb einer vorgegebenen Frist zu bescheiden und andernfalls als genehmigt anzusehen. Sie würde eine Reform von § 34 Baugesetzbuch anstreben, nach dem sich ein Bauvorhaben „in die Eigenart der näheren Umgebung“ einfügen muss und „das Ortsbild“ nicht beeinträchtigen darf, was in der Konsequenz alle sozialen Probleme in wenigen Bezirken konzentriert, während man gediegene Vororte von der Lastenbeteiligung freispricht. Und sie würde sich selbst zurücknehmen und den exorbitanten Zuwachs bei Grunderwerb- und Grundsteuern eindämmen. Allein die Erträge aus der Grunderwerbsteuer haben sich innerhalb von zwanzig Jahren verdreifacht, weil die Länder in ihrer Erhöhung ein probates Mittel zur Haushaltssanierung sehen. Gleichzeitig werden Kommunen gezwungen, ihre Grundsteuerhebesätze zu steigern, weil sie sich durch eine Niedrigsteuerpolitik einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten. Wenn CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm lediglich fordern, „die degressive Abschreibung für den Mietwohnungsbau wieder“ einzuführen, spricht dies Bände über den verbliebenen Reformeifer der Union.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Unterbezahlt in Deutschland

Hier war wohl ein Vermieter oder gar Großinvestor der Verfasser. Es ist schon seltsam wie Genossenschaften deutlich bessere Mietpreise anbieten können und trotzdem satte Gewinne einfahren - Renditenzahlungen von 4,5% (aus eigener Erfahrung ).
In deutschen Großstädten werden Marode, wenn zum Teil die Elektrik angeschaut wird, eigentlich nicht vermietbare Wohnungen, zu horrenden Preisen vermietet. Da kann man sich doch selbst wenn man studiert hat und erst ein paar Jahre im Beruf ist keine Familie mehr leisten - zumindest nicht in der Stadt.
Entweder müssen die Gehälter in Deutschland drastisch erhöht werden oder die Lebenshaltungskosten inkl. Miete muss ein vernünftiges Niveau haben. Es ist schon seltsam dass die Schweizer häufig 300% von unserem Gehalt verdienen.

Gravatar: Mieter

Hier war wohl ein Vermieter oder gar Großinvestor der Verfasser. Es ist schon seltsam wie Genossenschaften deutlich bessere Mietpreise anbieten können und trotzdem satte Gewinne einfahren - Renditenzahlungen von 4,5% (aus eigener Erfahrung ).

In deutschen Großstädten werden Marode, wenn man die Elektrik anschaut eigentlich nicht vermietbare Wohnungen, zu horrenden Preisen vermietet. Da kann man sich doch selbst wenn man studiert hat und erst ein paar Jahre im Beruf ist keine Familie mehr leisten - zumindest nicht in der Stadt.

Entweder müssen die Gehälter in Deutschland drastisch erhöht werden oder die Lebenshaltungskosten inkl. Miete muss ein vernünftiges Niveau haben.

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