„Wer austeilt, muss auch einstecken können!“ - So verlangt es zumindest der Volksmund – altklug wie eh und je. Doch egal, wie nervig man ihn finden mag: Meist haben seine Appelle ja im Kern ihre Berechtigung. Denn die Alltagserfahrung bestätigt: Gerade jene, die gerne mit Granaten um sich werfen, fangen oft sofort an zu bluten, sobald sie selbst ein Wattebäuschchen trifft.
Diesen Luxus leisten sich auch viele Journalisten – obwohl ihre Zunft seit geraumer Zeit von chronischer Anämie betroffen ist. Dabei greift das Leiden die Substanz gleich von zwei Seiten aus an: Zum einen gerät der Journalistenberuf durch den Fortschritt der Kommunikationstechnologie unter Druck. Es geht ihm dabei so ähnlich wie einem Reiseverkehrskaufmann: Auch dieser lässt sich immer leichter umgehen, wenn man sich in der modernen Welt zurechtfinden will. Ein jeder kommt heute auch ohne den Profi ans Ziel. Und wenn dessen Leistung keinen Mehrwert bietet, verzichtet man auf seine Vermittlerdienste. Das Internet eröffnet den Direktzugriff auf alle gewünschten Informationen – und so wird die Redaktion ebenso wie das Reisebüro zum Transaktionskostenfaktor, der sich mühelos einsparen lässt. Zum anderen vertieft sich spürbar die Kluft zwischen den Journalisten und jenen, die eigentlich ihre Kunden sein sollten. So hat das Meinungsforschungsinstitut Allensbach ermittelt, dass aktuell nur noch dreizehn Prozent der Deutschen besondere Achtung gegenüber dem Beruf „Journalist“ empfinden. Vor zwei Jahren waren es siebzehn Prozent. Der Wert ist also von einem niedrigen Niveau aus rückläufig – zweifellos keine gute Ausgangssituation.
Doch Auswege aus dieser schwierigen Lage gäbe es durchaus – sofern man die Bereitschaft zur Selbstkritik aufbrächte. Leider ist davon beim betroffenen Personenkreis bis dato nicht viel zu spüren. Selbst wohlmeinende Hinweise werden nur allzu oft als „Medienschelte“ abgetan, und dass der Rückgang von Verkaufszahlen nicht bloß am Konsumenten, sondern vor allem am Produkt liegen könnte, wird gar nicht erst erwogen. Dabei kann guter Journalismus auch heutzutage echten Zugewinn erbringen, und der offenkundige Bruch zwischen den Medien und vielen ihrer Nutzer ließe sich heilen, wenn sich Journalisten einige Grundprinzipien zu Herzen nähmen.
Am Beginn steht dabei die Forderung nach sachlicher Korrektheit in der Berichterstattung. Niemand kann in allem Experte sein. Und doch erwartet der Konsument journalistischer Arbeit zu Recht, dass präsentierte Fakten auch wirklich Fakten sind. Wer den Eindruck gewinnt, dass er selbst bei so genannten Qualitätsmedien sämtliche Darstellungen zunächst auf ihre Richtigkeit hin überprüfen muss, kann die Recherchearbeit auch gleich selbst erledigen. Und er kann sie erledigen, denn in der vernetzten Welt wird der Faktencheck zum Kinderspiel. So fällt es Journalisten denn auch zunehmend schwer, Entschuldigungsgründe für Fehlleistungen zu finden. Auch eng gesteckte Fertigstellungstermine taugen da wenig – Zeitdruck ist nämlich weiß Gott kein Alleinstellungsmerkmal der Medienwelt.
Der schönste Platz ist immer an der Theke
Darüber hinaus sollte die Bereitschaft zu professioneller Distanz zum journalistischen Handwerkszeug gehören. Ihr Fehlen verleidet gerade denjenigen die Mediennutzung, die ihr eigentlich besonders aufgeschlossen gegenüberstehen. Doch wer vermuten muss, dass sich Journalisten nicht mehr als Berichterstatter oder als Kommentatoren, sondern zuvorderst als Akteure mit eigener Agenda verstehen, wendet sich nicht selten mit Grausen ab. Es ist bezeichnend, dass viele Medienschaffende die beißende Kritik, die sich hinter der Formulierung von der „Vierten Gewalt“ verbirgt, nicht einmal mehr bemerken. Und so wird dieser Begriff frohgemut zur Beschreibung der eigenen Rolle verwandt. Dabei sollte das journalistische Ethos gerade darin bestehen, sich eben nicht selbst als Gewalt zu begreifen, sondern jenen eine Stimme zu geben, gegen die Gewalt ausgeübt wird. Doch Journalisten sitzen scharenweise in Fernsehtalkshows und gebärden sich unterschiedslos als Diskutanten, obwohl gerade das ihrem Selbstverständnis widersprechen müsste. Sie bezichtigen Politiker des Angriffs auf die Pressefreiheit, wenn diese ihnen „Drohanrufe“ auf die Mailbox sprechen, doch in Wirklichkeit begehen sie selbst Freiheitsberaubung durch ihre Distanzlosigkeit. Sie regen sich über Minister auf, die zu nachtschlafender Zeit anzügliche Bemerkungen machen, anstatt sich zu fragen, warum sie (selbst) nicht schon längst in (ihrem) Bett sind. Sie lassen sich einladen von Unternehmen und von Verbänden und von Fraktionen und von Parteien und begeben sich so in Abhängigkeiten, nur um „dazuzugehören“. Und natürlich auch, um nicht selber bezahlen zu müssen. Und am Ende wundern sie sich, warum ihnen „die Menschen“ immer weniger Glauben schenken und sie einem politisch-medialen Komplex zuordnen, dem sie abgrundtief misstrauen.
Des Weiteren stünde Journalisten Respekt vor dem Kunden gut an, zumal dieser ja zugleich der Arbeitgeber ist. Respekt gegenüber anderen setzt jedoch voraus, sich nicht selbst als allwissend und den Konsumenten als belehrungsbedürftig zu begreifen. Doch ein Journalist, der sich als Aufklärer versteht, nimmt seine Zielgruppe als „die im Dunkeln“ wahr und sich selbst als den, der das Licht bringt. Dabei vergisst er, dass er in Wahrheit ein Dienstleister ist, dessen Aufgabe im Vermitteln besteht. Denn das ist es ja, was das Wort „Medium“ besagt. Eine solche Funktion kann jedoch nur wahrnehmen, wer die Mündigkeit seines Gegenübers achtet. Keiner, der über eine eigene Sicht verfügt, lässt sich durch Dritte auf deren Weltbild festlegen. Niemand bringt einem Stil Sympathie entgegen, der durch wertende Adjektive vorzugeben sucht, was „man“ zu denken hat. Kein Mensch will lesen, was „wir“ gut oder schlecht finden oder was „die Deutschen“ zu einem bestimmten Thema meinen. Doch viel zu oft ignorieren Journalisten nach wie vor, dass sie für eine pluralistische Gesellschaft schreiben. Und für diese bildet nun einmal gerade die Vielfalt der Ansichten den Kitt des Zusammenhalts, und das Übel der „Volksmeinung“ tritt mehr und mehr in den Hintergrund. Umso mehr wirkt da ein Schreibstil wie aus der Zeit gefallen, der Berichterstattung und Kommentar zu einem Brei vermengt, anstatt sie klar voneinander zu trennen.
und dann ab durchs Dorf…
Schließlich sollten Journalisten aber auch Selbstbewusstsein zeigen und sich ein gesundes Maß an Autonomie zugestehen. So hätte ein Journalismus, der sich der Hysterisierungsmaschinerie entzieht, womöglich weit bessere Chancen, als man gemeinhin vermutet. Denn wie wohltuend wäre doch eine Berichterstattung, die sich den wirklich wichtigen Fragen zuwendet und dabei auch die Verhältnismäßigkeit bedenkt! Dabei hat ein solcher Wunsch rein gar nichts zu tun mit intellektualistischer Überheblichkeit oder mit einem Widerwillen gegenüber den „Interessen der Masse“. Wer hätte dazu ein Recht. Doch muss man wirklich jede neue Sau gleich am Ortseingangsschild mit lautem Hurra begrüßen und dann mit Wonne durchs Dorf treiben? Gerade dieses Denken in Skandalisierungszyklen, das auch vermeintliche „Qualitätsmedien“ mehr und mehr zu erfassen scheint, stößt das Publikum stärker ab als irgendetwas anderes. Natürlich gibt es „mediale Hetzjagden“, und natürlich gibt es „Kampagnenjournalismus“. Diese Erfahrung kann jeder machen, der über drei Tage hinweg eine beliebige Zeitung aufschlägt. Und folglich sind auch nicht alle, die sich entsprechend äußern, zügellose Medienhasser oder paranoide Verschwörungstheoretiker.
Genauigkeit in der Darstellung und ein abgeklärtes Verhältnis zum Dargestellten, Achtung gegenüber denjenigen, für die man seine Leistungen erbringt, und nicht zuletzt ein gesundes Selbstbewusstsein, das die Bereitschaft zur Annahme von Kritik einschließt – vielleicht könnten das vier Grundgedanken sein, die sich als Leitschnur für journalistische Arbeit eignen.
Kommentare zum Artikel
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„Wer austeilt, muss auch einstecken können!“
Das sehe ich speziell bei Migranten die sich als Merkel Besucher zu viel heraus nehmen.