Expertise zur »Schuldensteuer« (Teil II)

Löst keine Probleme – Schafft neue

Den Schuldenbergen der europäischen Staaten stehen deutlich höhere Privatvermögen der Bürger gegenüber. Dies gilt für nahezu alle Euro-Staaten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Politiker früher oder später auf die Idee kommen, mit einer Sondersteuer auf privates Vermögen die staatliche Schuldenlast zu reduzieren. Doch das schafft neue Probleme.

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Die Idee einer Sonderabgabe auf Privatvermögen klingt zunächst für viele Politiker nach einer eleganten Lösung. Sie gewinnt noch zusätzlich an Attraktivität, da eine Vermögensabgabe die Schuldenprobleme innerhalb eines Landes löst, ohne dass europäische Nachbarstaaten für fremde Schulden einstehen müssen. Vereinfacht gesprochen: Italienische Bürger zahlen mit ihrem Privatvermögen für italienische Schulden. In der Praxis gestaltet sich eine Vermögensabgabe jedoch hochgradig kompliziert und wirft zudem komplexe rechtliche Fragen auf.

Zunächst stellt sich die Frage, was das Nettovermögen überhaupt ist. Dieses setzt sich bei Privatpersonen in der Regel aus Immobilien, Betriebsvermögen und Finanzvermögen zusammen – abzüglich Schulden. Die Wertermittlung und die Umsetzbarkeit einer Steuer auf die drei Vermögensarten bringen jeweils spezielle Probleme mit sich.

Der größte Teil der privaten Vermögen in Deutschland entfällt auf Immobilien. Die korrekte Wertermittlung für alle Immobilien zu einem Stichtag ist kaum möglich. Die Einheitswerte, die für die Berechnung der Grundsteuer maßgeblich sind, sind veraltet und können nicht herangezogen werden. Sie spiegeln die aktuellen Marktwerte der Immobilien nicht wider. Das Problem bei den Betriebsvermögen ist, dass einerseits nach Leistungsfähigkeit besteuert werden müsste. Andererseits dürfen vor allem kleine und mittlere Unternehmen nicht in Liquiditäts- oder Finanzierungsschwierigkeiten gebracht werden. Auch hier wären Freibeträge nötig, die in der Praxis sicher nicht einfach festzulegen wären. Bei den Finanzvermögen schließlich ist dagegen die Steuerflucht das große Problem. Sobald eine politische Debatte um eine Vermögensabgabe in Gang kommt, würde der Transfer von Geldvermögen ins Ausland beginnen. Dies ließe die Bemessungsgrundlage deutlich schrumpfen und würde somit zu geringeren Steuererträgen führen.

Komplexe rechtliche Fragen

Neben Immobilien-, Betriebs- und Finanzvermögen existieren noch eine Reihe sonstiger Vermögenswerte – beispielsweise Haushaltsgebrauchswaren, Versicherungsguthaben, Ansprüche auf Pensionszahlungen. Diese Vermögenswerte sind problematisch in der Bewertung, müssten teilweise ausgenommen werden. Insgesamt dürften Erhebungsprobleme zu deutlichen Mindereinnahmen gegenüber dem geplanten Steueraufkommen führen.

Ein häufig vorgebrachtes Argument für die Vermögensabgabe ist, dass die Staatsschulden damit „zügig“ reduziert werden können. Dies stimmt jedoch so nicht. Die Abgaben auf Immobilien und Betriebsvermögen können nur sukzessive fließen. Würde die ganze Belastung auf einmal erhoben, wären die Eigentümer nicht selten zum Verkauf gezwungen. Die Vermögensabgabe nach dem Zweiten Weltkrieg beispielsweise wurde über 30 Jahre gestreckt erhoben. Damit ermöglicht eine Vermögensabgabe also keinesfalls einen raschen Befreiungsschlag.

Ein bereits erwähntes Problem der Vermögensabgabe ist die Steuerflucht und der Steuerwiderstand. Die betroffenen Bürger antizipieren während der politischen Debatte, dass eine Vermögensabgabe droht und versuchen ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen. Ein Beispiel dafür ist das so genannte Reichsnotopfer von 1919. Mit dieser Vermögensabgabe sollte in Deutschland ein Teil der Schulden des ersten Weltkriegs bezahlt werden. Das Projekt scheiterte unter anderem an der politischen Empörung und am Steuerwiderstand.

Um der Antizipation durch die Bürger zu begegnen, müsste die Steuer entweder sehr kurzfristig oder gar mit einem Stichtag in der Vergangenheit eingeführt werden. Letzteres dürfte allerdings zu rechtlichen Schwierigkeiten führen. So genannte steuerliche Rückwirkungen sind rechtlich problematisch. Sie sind in Deutschland entweder grundsätzlich verfassungswidrig oder aber teilweise verfassungswidrig. Eine Ausnahme könnte lediglich aufgrund „zwingender Gründe des gemeinen Wohls“ gemacht werden. Ob das Verfassungsgericht diese Sichtweise auf die Staatsschuldenprolematik teilt, ist gegenwärtig eher unwahrscheinlich.

Akzeptanz bei Betroffenen ist höchst fraglich

Für den Erfolg einer Vermögensabgabe spielt auch die Akzeptanz der Betroffenen eine große Rolle. Bei den Vermögensabgaben in der Vergangenheit war diese Akzeptanz teilweise hoch, da mit den Schulden bestimmte Zwecke verfolgt wurden. Das klassische Beispiel dafür ist die Vermögensabgabe nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der der so genannte Lastenausgleich finanziert wurde. Die Gelder wurden hauptsächlich für die Vertriebenen und Flüchtlinge verwendet, deren große materielle Not unübersehbar war. Dies schuf eine gewisse Akzeptanz für die Maßnahme und trug erheblich zu ihrem Erfolg bei.

Ob eine solche Abgabe heute akzeptiert würde, ist dagegen höchst fraglich. Die Staatsschuldenkrise wird bei der Bevölkerung nicht als vergleichbare Notlage wahrgenommen. Noch verstärkt werden dürfte die Ablehnung, wenn Mittel aus der Abgabe zur Schuldentilgung in andere Euro-Staaten fließen. Diese Möglichkeit wird immerhin in einigen Think-Tanks diskutiert. In einem Papier von 2011 stellt die Boston Consulting Group fest, dass die stärkeren Länder wie Deutschland, Frankreich oder die Niederlande einen verhältnismäßig höheren Teil zu einer potenziellen europaweiten Vermögensabgabe beitragen müssten.

Abgabe verringert Reformdruck und bleibt nicht einmalig

Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Vermögensabgabe ist, dass die Politik glaubwürdig macht, dass es sich um eine einmalige Maßnahme handelt. Nur so bestehen auch künftig Anreize für die Bevölkerung, Geld zu sparen und Leistungen zu erbringen. Gelingt dies nicht, herrscht unter den Bürgern eine dauerhafte Erwartung, dass sich die Abgabe wiederholen könnte. Die Bürger werden daher ihre Vermögen entsprechend verlagern, verkaufen oder ihre Einnahmen stärker verkonsumieren.

Die Einmaligkeit der Maßnahme kann nur gewährleistet bleiben, wenn die Staatsschulden nach einer Vermögensabgabe nicht wieder erneut ansteigen. Ob die Politik längerfristig ohne neue Schulden auskommen kann, ist jedoch höchst fraglich. Quasi alle westlichen Industrienationen verschulden sich seit über 40 Jahren kontinuierlich immer stärker. Der Druck auf die Staatsfinanzen wird künftig noch weiter zunehmen, da auch die demografische Entwicklung zu einem Anstieg der Staatsausgaben führt. Dass Regeln und Schuldengrenzen nur bedingt wirksam sind, hat der Umgang der Euro-Staaten mit den Maastricht-Kriterien gezeigt.

Auch wenn es gelänge, die Staatsschulden in Deutschland beispielsweise von derzeit 82 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung um neun Prozentpunkte zu reduzieren – so sehen es Beispielberechnungen des DIW vor – ist es sehr wahrscheinlich, dass die Schulden im Anschluss wieder erneut ansteigen. Der Grund: Eine deutliche Schuldenreduktion nimmt der Politik für eine bestimmte Zeit den Reform- und Konsolidierungsdruck. Nach einer gewissen Zeitspanne sähen sich Politik und Gesellschaft wieder mit dem gleichen Problem konfrontiert. Wahrscheinlich würde dann wieder über eine neue einmalige Vermögensabgabe diskutiert.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: MorkvomOrk

Solange Politiker ohne jegliche Haftung über Staatsausgaben entscheiden können wird dieses Problem nicht gelöst werden.
Interessanterweise sind es doch gerade in Deutschland politisch beeinflusste Banken die entgegen solider Logik marode Kredite vergeben haben.
Typen wie Merkel, Schäuble und Konsorten sind zur Rechenschaft zu ziehen.
Um Margret Thatcher zu zitieren: " The problem with socialism is, that these people eventually run out of other peoples money."

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