Frequenz der Anschläge nimmt zu

Islamischer Staat: Ausweitung des Terrorkrieges

Im Irak und in Syrien ist der IS militärisch auf dem Rückzug. Global dagegen wächst das Terrorpotenzial durch selbsttätige Gruppen und Einzeltäter. Der islamistische Terrorismus wird zu einer Hydra.

Foto: Karl-Ludwig Poggemann/flickr.com/CC BY SA 2.0
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Die Frequenz der terroristischen Anschläge nimmt wieder zu. Nach dem Attentat am Flughafen von Istanbul, bei dem mindestens 45 Menschen ums Leben kamen, wurden im Irak und in Bangladesch weitere Anschläge verübt. In Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, sind in der Nacht von Freitag auf Samstag bei einer brutalen Geiselnahme 28 Menschen gestorben. In Bagdad sind am Samstagabend mehr als 120 Menschen Opfer zweier Bombenattentate geworden. Über 200 wurden verletzt. Zu allen drei Anschlägen bekannte sich die Terrororganisation des „Daesh“, des sogennanten „Islamischen Staates“ (IS).

Für die Türkei ist diese Entwicklung dramatisch. In den letzten vierzig Jahren sind dort mehr als 30.000 Menschen Terroranschlägen und paramilitärischen Kämpfen zum Opfer gefallen. Die meisten Toten gehen auf das Konto der kurdischen PKK. Nun kommt zur PKK der IS hinzu. Die Türkei ist zu einem unsicheren Land geworden. Die türkische Regierung ist an beiden Entwicklungen nicht ganz unschuldig. Einerseits hat die Politik gegenüber den Kurden immer wieder den Hass zwischen beiden Bevölkerungsgruppen und somit auch die PKK befeuert, andererseits ist die türkische Führung nicht ganz unschuldig am Aufblühen des „Islamischen Staates“ (IS), von dem man sich erhofft hatte, er würde Baschar al-Assad aus Damaskus jagen. Nun ist die Türkei zum Dauerkrisenland des Terrorismus geworden, ähnlich wie Israel und die Palästinensergebiete. Von Verhältnissen wie im Irak oder in Afghanistan ist man zwar noch entfernt. Doch die Tendenz ist beunruhigend.

Terrorismus: Unbesiegbar wie die Hydra?

In der griechischen Mythologie gab es das mehrköpfige Ungeheuer namens Hydra. Wenn man dem Monster einen Kopf abschlug, wuchsen zwei andere nach. Es bedurfte eines Herakles, dieses Ungeheuer zu besiegen.

Wie mit der Hydra, so verhält es sich mit dem islamistischen Terrorismus. Für jedes Terrornest, das man auslöscht, scheinen zwei neue nachzuwachsen. Es ist eine internationale Herkulesaufgabe, dieses Monstrum endgültig zu besiegen.

Der „Islamische Staat“ (IS) in Syrien und im Irak ist auf dem Rückzug. Die Russen haben seine geheimen Erdölexportwege zerstört und Nachschublinien bombardiert. Die Amerikaner haben zentrale Schaltstellen zerstört. Die Truppen des Assad sind auf dem Vormarsch. Und die internationale Allianz hat den Geldzustrom abgewürgt. Der Geldmangel hat dazu geführt, dass der IS seinen „Gotteskriegern“ nicht mehr ausreichend Sold zahlen konnte.

Doch die Idee, den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) wie einen Staat zerstören zu können, ist absurd. Denn selbst wenn Mosul und Raqqa befreit werden und der IS sein komplettes Territorium verloren haben sollte, würden seine Kämpfer in den Untergrund gehen, wie sie es zuvor getan hatten. Auch eine völlige Zerschlagung des IS hätte zur Folge, dass sich viele Köpfe und Krieger anderen Gruppierungen wie Al-Nusra oder Al-Qaida anschließen oder neue Gruppen bilden.

Hoffnungslose Situation?

Wie kürzlich „Die Welt“ berichtete, sind nach dem Irak und Afghanistan die Türkei und Israel die Länder mit aktuell den meisten terroristischen Anschlägen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es in den letzten Jahrzehnten mehr Anschläge und Tote in der Türkei gegeben hat als in Israel. Dies hängt primär mit dem Kurdenkonflikt in Südostanatolien zusammen.

Die Daten hierfür entstammen der „Global Terrorism Database“ (GTD) der University of Maryland. Dort wurden seit 1970 die Informationen von mehr als 150.000 terroristischen Anschlägen und Attentaten gesammelt. Demnach hat es von 1970 bis 2014 in der Türkei mehr als 3.100 Terroranschläge gegeben. In Israel waren es im selben Zeitraum knapp über 2.000 Anschläge. Die meisten Anschläge der Welt hat der Irak zu verbuchen: mehr als 16.000 von 2003 bis heute. Vor dem Irakkrieg war das Land zwischen Euphrat und Tigris kein Zentrum der Anschläge.

Während in Israel der Terrorismus von Anfang an ein Problem darstellt, lässt sich bei vielen anderen Ländern die Phase des Terrorismus zeitlich eingrenzen. So gab es in Großbritannien (Nordirlandkonflikt) und in Spanien (Baskenland) Phasen zahlreicher Anschläge, die in Summe die Anschläge in der Türkei übertrafen. In Nordirland waren es vor allem die 1970er bis 1990er Jahre. Doch die politischen Lösungen zeigen, dass im Anschluss daran tatsächlich die Zahl der Anschläge rapide abnahm.

Die Entwicklung hinsichtlich der weltweiten Terroranschläge zeigt, dass man immer und jederzeit damit rechnen muss – und es niemals eine terrorfreie Zeit gegeben hat. Sie zeigt aber auch, dass sich die Anzahl der Anschläge sofort reduziert, wenn politische Lösungen gefunden worden sind, wie Nordirland und das Baskenland bewiesen haben.

In der Türkei ist die Situation momentan zwar schrecklich. Doch war sie dort in den 1990er Jahren schrecklicher, zumindest was die Zahl der Anschläge durch die PKK anging. Der Vergleich der Terrorismusentwicklung in der Türkei und der Kurdenpolitik zeigt, dass ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen den Terrorismus reduzieren kann.

Was den Terrorismus des IS und von Al-Qaida so gefährlich macht

Weil die Kurden – wie damals die Basken oder Nordiren – mehr oder weniger klare Vorstellungen von ihren Zielen haben, besteht Hoffnung, dass sich die Situation wieder beruhigen wird.

Was den radikal-islamistischen Terrorismus des IS und anderer Fundamentalisten angeht, besteht jedoch wenig Hoffnung auf eine politische Lösung. Der Grund hierfür ist einfach: Sie haben keine politischen Forderungen. Ihr Weg ist das Ziel: Terrorismus bis die ganze Welt sich einer ganz bestimmten Glaubensrichtung unterworfen hat. Da dieses Ziel niemals wirklich erreicht werden kann, gibt es für die Fundamentalisten keinen Grund, ihren Dschihad zu unterbrechen.

Der „Islamische Staat“ (IS), Al-Qaida, Al-Nusra, Boko Haram in Nigeria, die Shabab-Milizen in Ostafrika und vergleichbare Gruppen haben kein realistisches Ziel, so dass man ihnen auf dem Verhandlungswege entgegen kommen könnte.

Insofern ist der Terrorkrieg des IS in der Türkei wesentlich gefährlicher als der Terrorismus der Kurden. Den Kurden oder der PKK kann man Angebote unterbreiten. Dem IS nicht. Je mehr der IS als Pseudo-Staatsgebilde zurückgedrängt wird, desto mehr wird er sich von der militärischen Kriegsführung wieder auf den Untergrundterrorismus zurückbesinnen.

Hinzu kommt das Problem der sogenannten „einsamen Wölfe“, jener individuellen Nachahmer, die überall auf der Welt nach dem Vorbild des IS zur Eigeninitiative übergehen, ohne vorher konkret instruiert worden zu sein. Solche einsamen Wölfe kann man nicht vorausahnen.

Damit bleibt der religiös-fundamentalistische Terrorismus die größte Herausforderung der nächsten Jahre.

 

( Schlagwort: GeoAußenPolitik )

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Emmanuel Pracht

Immer wieder lese ich: "Islamische Extremisten".

Extrem ist, so die geläufige Begrifflichkeit die Steigerung eines Sachverhaltes. Extrem starker Regen stellt einen stärkeren Regen als starker Regen dar.

Nun ist der Islam ja immer als die "Religion des Friedens" in allen Staatsmedien und somit in den Hirnen der "Guten Menschen" verankert.

Als Extremisten einer "friedfertigen Religion" kämen dieselben doch eigentlich wie budhistische Mönche daher, die nicht mal das Leben eines Wurms mutwillig beenden würden, also dem Begriff nach.

Sag ich bloß mal so - oder?

Wohlan...

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