Europäische Zentralbank führt Strafzins ein

EZB betritt Neuland

Die Eurozone hat derzeit drei große geldpolitische Baustellen: Die Kreditklemme in den Krisenstaaten, die drohende Deflation und schließlich die Stärke des Euro. Alle drei Probleme versucht die EZB jetzt anzugehen: Am 5. Juni 2014 verkündete Mario Draghi ein wahres Feuerwerk an neuen geldpolitischen Maßnahmen.

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Der spektakulärste Teil in Mario Draghis Paket zur Stimulierung der europäischen Wirtschaft ist sicherlich die Einführung eines negativen Einlagezinses bei der EZB. Dieser wurde von 0,0 Prozent auf -0,1 Prozent gesenkt. Das bedeutet, dass die Banken für die Gelder, die sie nicht verleihen, sondern bei der EZB bunkern, Strafzinsen zahlen müssen. Das Ziel: Die Banken sollen ihre Liquidität in Form von Krediten an die Realwirtschaft vergeben oder zumindest über den Interbankenmarkt an die immer noch klammen Banken in Südeuropa.

Dies ist eine absolute Neuheit in der Geschichte der EZB. Sie ist damit die erste große Notenbank, die zu diesem drastischen Mittel greift. Insgesamt ist es ein echter Paradigmenwechsel, den die EZB jetzt vollzieht. Die sichere Anlage von Geld wird nicht mehr mit Zinsen belohnt, sondern bestraft. Sparen als Geldanlage lohnt sich nicht mehr. Insbesondere in Deutschland – das traditionell als Land der Sparer gilt, werden die Auswirkungen spürbar sein. Die ohnehin schon mickrigen Zinsen aus Sparguthaben und Tagesgelder dürften weiter sinken. Bislang haben nur kleinere Notenbanken – wie die dänische, die schweizerische oder die schwedische – „Strafzinsen“ temporär eingeführt. Die Erfahrungen waren nicht gut. In Dänemark gaben die Banken ihre höheren Zinskosten einfach in Form von höheren Gebühren auf ihre Kunden um. Kredite wurden am Ende nicht billiger sondern teurer. Kritiker bezeichnen den Strafzins auch schlicht als Verzweiflungstat, um mit allen Mitteln das Wirtschaftswachstum in den Krisenländern anzukurbeln.

400 Milliarden Euro für die Krisenländer

Die Wirtschaft der Krisenländer soll zudem mit einer gigantischen Geldinjektion in die Banken dieser Staaten belebt werden. 400 Mrd. Euro will die EZB in diese Institute pumpen – mit einer Laufzeit von vier Jahren. Die Banken dürfen die Kredite aber nicht nach belieben vergeben: Sie sollen nur an nicht-Finanzunternehmen fließen und dürfen auch nicht für die Immobilienfinanzierung verwendet werden. Staatsanleihen dürfen damit ebensowenig gekauft werden. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass das Geld in die Realwirtschaft fließt. Die Wirtschaft der Krisenländer leidet immer noch an einer Kreditklemme und ist besonders abhängig von der Bankenfinanzierung. Ob das Programm funktioniert ist nicht absehbar. Ein ähnliches Programm der Bank of England brachte nicht die gewünschten Ergebnisse.

Des Weiteren bereitet die EZB den Ankauf von Wertpapieren vor. Allerdings sollen nicht, wie jüngst angekündigt, Staatsanleihen angekauft werden, sondern Asset-Backed-Securities (ABS). Es handelt sich bei diesen Wertpapieren um Verbriefungen von Unternehmenskrediten. Die ABS-Papiere sind mit den Kreditforderungen besichert. Dieser Markt ist in Europa im Zuge der Finanzkrise zusammen gebrochen und hat sich seitdem nicht richtig erholt. Diese Maßnahme der EZB hat zwei Ziele: Einmal sollen die Banken angeregt werden, mehr Kredite an Unternehmen vergeben. Diese Kredite müssen sie dann nicht in ihren Büchern halten, sondern sie können die Forderungen verbriefen. Aufgrund des EZB-Engagements wird dann auch eine Nachfrage nach den Papieren bestehen. Die Banken werden auf diese Weise die Kredite von ihren Bilanzen schnell wieder los. Des Weiteren soll durch den Ankauf der Wertpapiere auch mehr Liquidität in Umlauf gebracht werden und so die Inflation in die Höhe getrieben werden. Die EZB erachtet die derzeitigen Inflationsraten von 0,5 Prozent (April 2014) und 0,5 Prozent (Mai 2014) als viel zu niedrig und sieht die Gefahr einer Deflation. Allerdings hat der Plan auch Haken. Die EZB will nur „einfache und transparente“ ABS-Papiere ankaufen. Gerade ABS-Papiere gelten jedoch als komplexe Konstrukte. Sie stehen zudem in dem Ruf die Finanzkrise mitverursacht zu haben.

Deutschland kritisch, Frankreich euphorisch

In Deutschland werden die neuen Maßnahmen kritisch gesehen. Heftige Kritik kommt beispielsweise vom Sparkassenverband. Der Präsident Georg Fahrenschon sprach von einer Entwertung der Vermögen. Auch Finanzminister Schäuble räumte immer hin ein, dass das derzeitige Zinsniveau nicht auf Dauer so bleiben könne.

Vernehmliche Freude über die EZB-Beschlüsse kommt hingegen aus Frankreich. Präsident François Hollande, der Finanzminister Michel Sapin und der Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg begrüßten die Maßnahmen einhellig. „Künftig werden die Banken keine Ausrede mehr haben, wenn sie den Unternehmen kein Geld leihen“, so Montebourg. Und der Premierminister, Manuel Valls, kommentierte, diese Entscheidungen „gehen in die richtige Richtung.“ Schließlich forderte Montebourg eine Poltik, die mehr an Wachstum und Beschäftigung und immer weniger an Grundsätzen der Austerität und der Sanierung der öffentlichen Haushalte orientiert sei.

Mit dem Maßnahmenpaket will die EZB gleich mehrerer Probleme Herr werden, die derzeit die Eurozone belasten. Zunächst soll die Kreditklemme in den Krisenstaaten beendet werden. Dann will die Zentralbank das Risiko einer Deflation abwenden, d.h. einer Kreislaufs aus sinkenden Preisen, Löhnen und schrumpfender Wirtschaft. Schließlich soll der Eurokurs sinken. Denn derzeit leiden vor allem die Krisenstaaten unter dem starken Euro, der auf ihre Exporte drückt. Durch höhere Inflationsraten könnte eine Schwächung des Euro erreicht werden.

EZB zu allem entschlossen

Die Anfang Juni verkündeten EZB-Maßnahmen sind nur ein Teil in einer langen Reihe unkonventioneller Maßnahmen seit Ausbruch der Finanzkrise. Damit muss keineswegs das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Draghi betonte noch einmal die Einstimmigkeit der EZB-Rats und sagte ganz deutlich, dass die EZB schnell reagieren werde, sollte eine weitere Lockerung notwendig werden.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: MAX

Der EZB-DRAGHI ist Goldman-Sachs.
Er bekommt seine Anweisungen aus den USA.
Die Enteignung der Sparer über NULL-ZINS ist eine ausgemachte Sache,
denn die Inflation ist bedeutend höher als 0,5 %.
Uns werden durch EZB und MS-Medien diese 0,5 % vorgegaukelt,
und viele glauben daran , wenn sie es 100 mal gehört oder gelesen haben.
Das ist die Massenverdummung und sie funktioniert.

Gravatar: Coyote38

"Neuland" dürfte wohl ein Euphemismus für das Treiben der EZB sein.

Was hier stattfindet, ist KRIEG. Der Krieg von "Reich" gegen "Arm". Und "Reich" gewinnt", weil "Reich" sich die Gesetze und Regeln, unter denen dieser Krieg geführt wird, selbst schreiben darf.
Dass "Arm" zur Beruhigung der Massen alle vier Jahre nochmal an die Urne treten darf, um darüber zu entscheiden, "wer" von "Reich" die Gesetze für "Reich" schreibt, ist bestenfalls etwas schmerzstlliendes Morphium für die Massen.

Für Draghi & Co. gilt es, "auf Gedeih und Verderb" zu verhindern, dass die Anstifter und Gewinner dieser "Krise" etwas von den Gewinnen abgeben müssen. Irgendwer muss aber auch den Müll wegräumen, weil die Gewinner sonst keine Möglichkeiten mehr finden, ihre Gewinne weiter zu investieren. Und für die Rolle des "Müllwegräumens" hat man "Arm" vorgesehen.
Und so werden ohne Unterlass Horrorszenarien über Deflation, Kreditklemme, mangelndes Vertrauen und Systemrelevanz durch die Medien gespielt, denen - "alternativlos", versteht sich - mit der faktischen Vermögensvernichtung weiter Teile der Bevölkerung begegnet werden muss.
Man führe sich doch nur mal vor Augen, was der Niedrigzins der EZB für Auswirkungen auf die 90 Mio deutschen Lebensversicherungen hat: Per Gesetz wurde eben gerade der Garantiezins zu Gunsten der Versicherer auf nicht erwähnenswerte 1,25% gesenkt und die Beteiligung an den Bewertungsreserven "beerdigt", weil sonst (ACHTUNG, da kommt es wieder) die "systemrelevanten" Versicherungskonzerne die Policen angeblich nicht mehr bedienen können.
So eine kapitalbildende Lebensversicherung läuft "quer über'n Daumen" 35 bis 40 Jahre. Wenn in jedem der 90 Mio laufenden deutschen LV-Verträge auf diese Weise nur 10.000 Euro "gespart" werden können, dann bedeutet das für die Versicherer eine Gewinnsteigerung von 900 Mrd Euro.

Es gibt keine Kreditklemme und es gibt keine Vertrauenskrise. Es gibt nur die grenzenlose GIER des Großkapitals nach immer NOCH MEHR.
Geld um diese "hausgemachte" Krise zu bezahlen, ist GENUG da. Man müsste es nur endlich DORT abholen, wo nicht die Menschen um ihre lebenslang brav und fleissig angesparte Altersversorgung betrogen werden, sondern vielleicht ENDLICH mal bei DENEN, die nur auf den sechsten Bentley und den achten Sportwagen, das dreizehnte Mietshaus, die fünfte Villa mit Meerblick oder die dritte Jacht verzichten müssten.

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