Nicht-Zusammenhang

Es gibt keinen Beweis, dass Zucker Herzkrankheiten fördert

Eine aktuelle Beobachtungsstudie stellt einen Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Herzkrankheiten her. Doch das geht nur, weil die Autoren Tatsachen beugen und Details verschweigen.

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Im Februar 2014 schlug mal wieder die Anti-Zucker-Propaganda zu: »Zucker erhöht Herzerkrankungs-Gefahr« oder »Zu viel Zucker geht aufs Herz« lauteten die Schlagzeilen.1, 2 Basis dieser Angstmachermeldungen war eine Beobachtungsstudie, lanciert von der US-Gesundheitsbehörde CDC3. »Man mag es kaum glauben, dass aus dubiosen Beobachtungsstudien noch immer Ernährungstipps destilliert werden«, wundert sich Udo Pollmer, Wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E. e.V.), »denn mehr als vage Vermutungen liefert diese Ernährungsforschung nicht. Aus gutem Grund warnt gerade eine aktuelle Publikation in einem Journal der American Society of Nutrition vor der Überinterpretation derartiger Ergebnisse und daraus resultierender Empfehlungen4.« Doch das ist bei dieser Studie nicht der einzige Trugschluss – denn hier wird zusätzlich die komplette Klaviatur statistischer Täuschungsmanöver abgespielt, um das gewünschte Ergebnis zu lancieren. Oder, wie Pollmer formuliert: »Diese Studie ist eine Schweinerei!«

Beobachtungsstudien können keine Beweise für Ursache-Wirkungs-Beziehungen liefern; das sollte inzwischen jeder Wissenschaftsredakteur wissen. Doch die Verlockung einer Schlagzeile scheint oftmals größer zu sein als der journalistische Auftrag, saubere Arbeit abzuliefern. »Anders ist solcher Unsinn wie ›Zu viel Zucker macht dick & krank‹5 nicht zu erklären«, sagt Pollmer.

Paradebeispiel zurechtgebogener Ernährungspropaganda

Die Kernbotschaft der Studienautoren lautet: Wer viel zugesetzten Zucker konsumiert, der hat ein drastisch erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen und stirbt früher. Zu diesem »Urteil« kamen die Forscher, nachdem sie das gemacht haben, was in der Ernährungsforschung üblich ist: Sie korrelierten das Ernährungsverhalten verschiedener, willkürlich zusammengerechneter Studiengruppen mit Krankheit und Tod. Dabei konstruierten die US-Forscher besagten Zucker-Herztod-Zusammenhang. »Selbst wenn diese epidemiologische Studie wissenschaftlich korrekt wäre, so könnte man daraus nicht mehr als eine Hypothese generieren, die in klinischen Studien zu überprüfen wäre – was praktisch überhaupt nicht möglich ist«, erklärt Pollmer. »Aber das Feuerwerk, das in dieser JAMA-Studie an Täuschungsmanövern abgefackelt wird, das schlägt dem Fass den Boden aus. Die Ernährungsforschung verspielt mit solchen Studien ihren letzten Rest an Glaubwürdigkeit.«

Welche Schweinerei hätten‘s gern?

Zum einen stellt sich die – hier unbeantwortete – Gretchenfrage zum Unterschied zwischen dem in Nahrungsmitteln natürlicherweise enthaltenen und dem »zugesetztem« Zucker – und wie man letzteren »Bösewicht« exakt bestimmt. Warum nur haben die Autoren auf die Angabe des Gesamtzuckers verzichtet? »Die in dieser Publikation herangezogenen Nährwerttabellen lassen eine Bestimmung des ›added sugar‹ überhaupt nicht zu«, erklärt Pollmer, »teilweise wird der Zucker durch eine enzymatische Behandlung erst im Lebensmittel erzeugt. Der Willkür ist hier Tür und Tor geöffnet.« Offenbar reichte das diesmal nicht: »Erhobene Daten und Befragungen, die offenkundig nicht zum avisierten Ergebnis passten, wurden einfach unter den Tisch gekehrt«, erklärt Pollmer. »Die Studie offenbart eklatante Ungereimtheiten bei den herangezogenen Studiengruppen, bei der Auswertung der Mortalität, bei der Kommunikation von relativen statt absoluten Risiken sowie bei der Frage, ob hier nicht eher Süßstoffe statt Zucker die Gefahr darstellen.«

Zuckeressende Sportler sterben früher! Afroamerikaner leben mit Zucker länger! Ungesunde Ernährung schützt vor Zuckertod!

Wenn man sich die zahlreichen Tabellen und Grafiken der Originalstudie und vor allem des »Supplementary Online Content« zu Gemüte führt, so folgt eine Ungereimtheit auf die nächste: Afroamerikaner leben umso länger, je mehr Zucker sie konsumieren. Wer sich »ungesund« ernährt, kann mehr Zucker konsumieren als Gesundesser, denn die sterben eher am »zucker-induzierten Herztod«. Und besonders spannend: Zuckerliebhaber, die sich viel bewegen, haben ein doppelt so hohes Risiko (112 Prozent), an Herz-Kreislauferkrankungen zu sterben als Zuckeresser, die sich lieber in den Fernsehsessel lümmeln (54 Prozent). Doch davon liest man im Studientext kein Wort. »Die Studienautoren haben bewusst verschleiert, Daten massiert und getrickst, um die Redaktionen zu ihren Handlagern zu machen – die Medien sollen die derzeit populäre Zuckerangst in der Bevölkerung weiter schüren«, meint Pollmer.

Übrigens: Daten zum Süßstoffverzehr fehlen, sie müssen aber aus methodischen Gründen mit erhoben worden sein. Die wären aber wichtig, weil viele Süßgetränke sowohl Zucker als auch künstliche Süßstoffe enthalten. Die Effekte müssen angesichts der Popularität der künstlichen Süßungsmittel in den USA untersucht und von pflanzlichem Zucker unterschieden werden. Es steht zu befürchten, dass die Ergebnisse für die Süßstoffe nicht ins Bild gepasst haben und in die »Zuckereffekte« hineingerechnet wurden.

Weiterführenden Informationen:

Für tiefer Interessierte hat das EULE-Team eine ausführliche Analyse dieses Paradebeispiels einer Täuschungsstudie in einem PDF zusammengestellt: Analyse Zuckerstudie von Nikolai Ott

Literatur

1.»Zucker erhöht Herzerkrankungs-Gefahr«, bild online, 05.02.2014

2. »Zu viel Zucker geht aufs Herz«, t-online/dpa, 05.02.2014

3. Added Sugar Intake and Cardiovascular Diseases Mortality Among US Adults, JAMA Intern Med. Published online Febr. 03, 2014, doi:10.1001/jamainternmed.2013.13563

4. Limitations of Observational Evidence: Implications for Evidence-Based Dietary Recommendations; American Society for Nutrition. Adv. Nutr. 5: 7-15, 2014

5. »Zu viel Zucker mach dick & krank«, welt online/AP, 04.02.2014

Quelle: EU.L.E.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Chris

Höre ich hier etwa die Zuckerlobby? Sinn und Ziel dieses Berichtes bleiben mir schleierhaft. Es gibt wie überall im Leben gute Recherchen und Beurteilungen und schlechte oder unvollständige. Deswegen kann man noch lange nicht sagen Zucker sei nicht ungesund. Jeder Blinde mit Krückstock weiss, dass zu viel Zucker, Fett oder sonst was ungesund ist. Und darum geht es. Ich Deutschland konsumieren wir pro Tag 100 Gramm. Und wenn man das objektiv beurteilt, kann man nur zum Ergebnis kommen "Das ist zu viel". In Amerika gab es vor längerer Zeit die Antifettkampagne sowie eine vermehrte Verwendung von Fruktose aus Mais für Cola und Co. Mit den Jahren wurden die Amis immer fetter und nicht nur dort steigen die Diabetes 2 Fälle. Wer sagt Herz Kreislauferkrankungen haben mit hohem Zuckerkonsum gar nicht zu tun, der leidet wohl unter einer bestimmten Form der selektiven Wahrnehmung.....

Gravatar: Monti

Bitte hier differenzieren:
Natürlich macht Zucker nicht per se krank, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit an Diabetes zu erkranken bei vermehter Aufnahme von Kohlenhydraten erhöht. Diabetes wiederum ist sehr wohl für einen Großteil aller vaskulären Erkrankungen, also auch Herzkranzgefäßerkrankungen verantwortlich!
Ein weiterer Grund für Herzerkrankungen ist ein kariöser Zahnstatus, welcher ebenfalls haupsächlich auf kohlenhydratreiche Ernährung (und natürlich schlechte Zahnpflege) zurückzuführen ist. Durch kranke Zähne ist der Befall der Herzklappen, der Herzmuskulatur und auch der Nieren mit diversen Bakterien die durch die Zahnfleisch- und die Zahnblutgefäße in den Blutkreislauf übertreten, bzw. der Antikörperreaktion des Immunsystems auf diese Bakterien, begünstigt. Dieser Vorgang wird durch erhöhte sportliche Aktivität nochmal begünstigt.
Also lieber etwas weniger Zucker essen!

Gravatar: Stefan Neudorfer

So macht man eben Stimmung und erwirtschaftet Steuergelder und kann noch seine Ideologie unter die Leute bringen.
Änliches erlebt man doch auch bei all den Diskussionen über vegane Ernährung.
Sie wird auch als gesund und sogar als Umweltfreundlicher hingestellt. Ist sie aber nicht, beides trifft nur in phantasievoll umgedeutete Untersuchungen zu.

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