Die Union und die Frauen: Gleich ist noch längst nicht gleich genug

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CDU-Programm unter der Lupe: Frauenpolitik (Teil 2)

Männliche Kanzlerkandidaten werden in Deutschland massiv benachteiligt. Während eine weibliche Bewerberin ein Jahresgehalt von 247.000 Euro einstreicht, geht ein Mann mit kargen 99.000 Euro nach Hause – ohne Extras, versteht sich. Dies entspricht einem GenderGap von 249%. Insofern ist es dringend geboten, am 27. Juni des übernächsten Jahres einen Equal Pay Day für Männer zu begehen, die sich um das Kanzleramt bewerben.

Ein absurder Gedankengang? Zweifellos. Aber exakt die Argumentationsweise jener, die sich für„geschlechtergerechte Bezahlung“ stark machen. Und zu diesem illustren Kreis gehören ausweislich ihres Programms zur Bundestagswahl auch die Unionsparteien. Frauen verdienen gut ein Fünftel weniger als Männer, lautet das Mantra. Ursache sei eine systematische Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt. Dass CDU und CSU diese These aufgreifen, ist keine Neuigkeit. Auch im Wahlkampf 2009 hatte man bereits die Verwirklichung von „Lohngleichheit“ zum politischen Ziel erklärt. Treibende Kraft dahinter ist die Frauenunion. Ihr gehören alle weiblichen Parteimitglieder an, sofern sie nicht ausdrücklich widersprechen. Aber wer würde das schon wagen. Denn die FU ist eine kampfstarke Truppe. Und ihr Einfluss wächst: Setzte die Union beim Thema Equal Pay vor vier Jahren noch auf Freiwilligkeit, müssen jetzt „gesetzliche Transparenzpflichten“ her, um Unternehmen zum Abbau vermeintlicher Ungleichbehandlung zu zwingen.

Doch verdient eine Frau gleichen Alters, gleicher Beschäftigungsdauer, gleicher Qualifikation, gleicher Verantwortungsebene und gleichen Stellenumfangs tatsächlich zwanzig Prozent weniger als ihr männlicher Kollege? Das und nichts anderes müsste nämlich Gegenstand der Analyse sein, wollte man nicht Äpfelinnen mit Birnen vergleichen. Doch beim Thema „geschlechtergerechte Bezahlung“ wird der rationale Maßstab vorsichtshalber ausgeblendet. Stattdessen argumentiert man mit dem „unbereinigten“ GenderGap. Doch das statistische Bundesamt hat sich die Mühe gemacht, Unbereinigtes zu bereinigen. Ergebnis: Die behauptete Lohndifferenz von 22% reduziert sich auf 7%, statt 4,18 Euro im Stundendurchschnitt beträgt der Unterschied nur 1,27 Euro. Der Rest lässt sich auf den Cent genau erklären: Der Frauenanteil in geringer entlohnten Berufen ist höher (0,95 Euro), die Tätigkeitsstruktur eine andere (1,11 Euro), der durchschnittliche Beschäftigungsumfang geringer (0,39 Euro), und es gibt Unterschiede unter anderem beim Bildungsabschluss (0,46 Euro). Insofern wäre der Equal Pay Day nicht am 21. März, sondern bereits 24. Januar zu feiern. Aber man weiß ja aus dem privaten Bereich, wie ungern man im Winter eine Party gibt. Doch letztlich ist wohl nicht einmal das erforderlich.Denn selbst dem verbleibenden Unterschied kommt man auf die Spur – mit einem Ost-West-Vergleich. Die Jobpausen von DDR-Frauen waren bekanntlich kürzer. Und so ist der Gender Gap im Westen drei Mal so hoch wie im Osten. Es gibt also keine systematische Lohndiskriminierung von Frauen. Ursache von Ungleichheiten sind individuelle Lebensentscheidungen.Und die sind zumindest grundsätzlich immer noch erlaubt.

Die Equal-Pay-Bewegung ist gleichwohl nicht nur deshalb diskreditiert, weil sie mit falschen Zahlen arbeitet. Noch anstößiger ist, dass sie nur vorgeblich für die Benachteiligten eintritt.Tatsächlich geht es ihr jedoch um reine Klientelpolitik. Bereinigt man den Gender Gap jeweils nur um ein Kriterium, zeigt sich ein aufschlussreiches Bild. Vermeintliche Lohnunterschiede sind nämlich ausschließlich ein Thema für „Karrierefrauen“. Denn in leitenden Funktionen liegt die Gehaltsdifferenz bei 24%, wenn man alle übrigen Kriterien ausklammert. Bei ungelernten Kräften sind es dagegen nur 5%. Bei befristet eingestellten Arbeitnehmern beträgt der Gap lediglich 9%, bei geringfügig Beschäftigten gar nur 1%. Es geht also letztlich nicht um „die“ Frauen. Sondern eben nur um ganz bestimmte.

Im Fokus stehen Elitefrauen

Das hat die Equal-Pay-Debatte übrigens mit dem Thema „Quote“ gemein. Auch hier sind es ausschließlich die Hochqualifizierten, um die sich die Debatte rankt. In der CDU hat sich eine Tradition herangebildet, den Wechsel auf die Mainstreamspur begrifflich zu ummanteln. So heißt die Frauenquote bei der Union „verpflichtende Flexi-Quote“ – eine Formulierung, der mit Blick auf innere Widersprüchlichkeit das Triple locker gelingt. Innerparteilich hat man sich schon vor Jahren für das „Quorum“ entschieden. So ist bei Vorstandswahlen der erste Wahlgang ungültig, wenn nicht mindestens ein Drittel der Gewählten Frauen sind. Seither ergattert auf Kreisparteitagen nahezu jede Bewerberin einen Beisitzerposten. Schließlich will man ja zum Mittagessen pünktlich daheim sein. Aber wir schweifen ab.

"Wir wollen, dass mehr Frauen in Führungsverantwortung kommen“, lässt uns die Union in ihrem Wahlprogramm wissen. Zunächst dürfen Unternehmen noch selbst entscheiden, wie hoch der Frauenanteil sein soll. Doch ab 2020 ist auch damit Schluss: Dann kommt die feste Quote von dreißig Prozent für Aufsichtsratsmandate. Mit diesem „Kompromiss“ hat Kanzlerin Merkel einen Dauerstreit zwischen den Ministerinnen von der Leyen und Schröder befriedet, in dem es augenscheinlich nicht nur um die Sache ging. Über die künftigen Regeln zur Besetzung von Top-Jobs in Großkonzernen, um die eine Handvoll Frauen mit Hochschulabschluss und Spitzeneinkommen konkurrieren, freut sich sicher ganz besonders die Reinigungskraft, die auf den Knien liegt und den Boden schrubbt. Man muss ja auch gönnen können. Doch dass diese Elitefrauen ihre Lebenswelt besser kennen, nur weil sie das Geschlecht mit ihr teilen, wird sie der Union wahrscheinlich nicht abkaufen. Da müssen CDU und CSU wohl noch einmal nachlegen. Wie wäre es im nächsten Wahlprogramm mit einer Ausgleichsabgabe für Firmen, die nicht genug weibliche Mitarbeiter nachweisen? Mit den Erträgen könnte eine neue Bundesbehörde frauenpolitische Projekte anstoßen, Lehrstühle für Gender Studies einrichten, die Etats von Gleichstellungsbeauftragten aufstocken… Aber lassen wir das, am Ende wird die Idee noch aufgegriffen.

Das, was im aktuellen Programm steht, ist ja schon faszinierend genug. „Ziel muss es sein, die Arbeit in der Pflege, Betreuung und frühkindlichen Bildung weiter aufzuwerten, auch in der Bezahlung", heißt es da kryptisch. Beim ersten Lesen freut man sich: Endlich geht es auch einmal um Frauen mit „einfachem“ Schulabschluss und dreijähriger Berufsausbildung. Geschenkt, dass es eigentlich nicht gewollt sein kann, gerade solche Löhne heraufzutreiben, die meist aus Steuern und Sozialabgaben bezahlt werden. Doch die Intention der Union ist letztlich eine andere. Denn längst treten viele ihrer Bildungspolitiker offen dafür ein, Tätigkeiten in Pflege und Kinderbetreuung an einen Hochschulabschluss zu knüpfen. Auch hier geht es am Ende um Klientelpolitik zugunsten von Akademikerinnen. Und auch um Grundeinstellungen, die man in einem Teil der Wählerschaft antrifft. Denn was kann die Erzieherin von der Berufsschule dem vielversprechenden Wunschkind schon beibringen? Doch allenfalls, wie schön es ist, einmal einfach nur gemocht zu werden. Ohne permanentes „Fördern und Fordern“. Aber wer braucht das schon. Da lernt es doch lieber früh genug Englisch.

Man wird zur Frau doch erst gemacht …

Ein Thema fehlt natürlich noch: „Gerade bei jungen Frauen, die eine Ausbildung oder ein Studium beginnen, wollen wir für Berufe werben, die bislang als typische ‚Männerberufe‘ gelten“, fordert die Union im Sinne eines lebenslang wiederkehrenden „Girls Days“. Schließlich beruht die Geschlechterdifferenz ja ausschließlich auf überkommenen Rollenvorstellungen. Und die muss man endlich abbauen.

Muss man wirklich? Es mag ja sein, dass die Metallwerker-Azubine, die im durchgeschwitzten Tank Top am Hochofen schuftet, viele Feministinnen in ihren Bann zieht. Aber wenn das Mädel nun mal lieber Make-Up-Artist werden will? Dann lasst es doch, in Gottes Namen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: A.Lisson

Danke,die Berechnungen im einzelnen -also auf gleiche Berufsgruppen bezogen-wollte ich immer schon mal wissen.Sehr gut aufgezeigt in Absatz drei.

Gravatar: Karin Weber

Besonders im öffentlichen Dienst und bei den Beamtinnen ist die Schere der Entgeltungleichheit besonders hoch.

PS.: In fast jedem Arbeitsvertrag steht die Klausel, dass in Sachen "Gehalt" Verschwiegenheit vereinbart wird. Wer quatscht da eigentlich immer?

:-)

Gravatar: Ton

Vielen Dank für diesen großartigen Artikel!

Gravatar: Zeratul

Vielen Dank für diese wohltuend vernünftigen Worte. Ich frage mich schon einige Zeit wie lange das Gros der Presse noch ums goldene Gender-Pay-Gap-Kalb tanzt bis ein Funken rationales Denken zu ihnen durchdringt.

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