Die Krise des spanischen Profifußballs

Real Madrid hat für seinen neuen Spieler Gareth Bale die Rekordsumme von 120 Millionen Euro gezahlt. Doch es besteht kein Grund zum Neid: Der Fall illustriert die Scheinblüte des spanischen Fußballs.

Foto: marcp_dmoz / flickr.com / CC BY-NC-SA 2.0
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Dieser Wechsel ließ nicht nur die Fußballwelt aufhorchen: Letzte Woche wurde bekanntgegeben, dass Gareth Bale von Tottenham Hotspur (London) in der nächsten Spielzeit für Real Madrid kicken wird. Die Transfersumme beläuft sich auf sagenhafte 100 Millionen Euro, hinzu kommt der Wechsel von Alvaro Morata an die Themse, der 20 Millionen Euro wert ist. Das heißt, dass der Madrider Traditionsverein einen Spieler im Wert von 120 Millionen eingekauft hat – ein Rekord. Jetzt fragen sich nicht nur Fans, warum sich ein spanischer Verein so einen Deal überhaupt leisten kann. Von Krisenstimmung wie im Rest Spaniens scheint man in der Primera División weit entfernt zu sein.

Die Zahlen Reals sprechen vordergründig eine deutliche Sprache: Der Verein ist gut aufgestellt, seine Einnahmen beliefen sich 2011/12 auf 512,6 Millionen Euro. Der FC Bayern kommt »nur“ auf 368,4 Millionen Euro. Zusammen mit seinem Erzrivalen FC Barcelona hat sich Real rund die Hälfte der Einnahmen der spanischen ersten Liga gesichert – eine Folge des Prinzips, dass jeder Verein selbst für sich zu sorgen hat. Auf diese Weise haben sich diese beiden Vereine eine überragende Stellung im spanischen Fußball verschafft. In der Bundesliga werden die Einnahmen über die Vermarktungsgesellschaft DFL Deutsche Fußball Liga GmbH erwirtschaftet und verteilt.

Nun befindet sich spanische Wirtschaft schon seit geraumer Zeit auf Talfahrt. Die Menschen haben weniger Geld in der Tasche und bleiben deshalb den Fußballstadien fern. Bei den Summen, die die Fans ein Besuch im Stadion kosten, ist das auch kein Wunder. »Die Preise sind in den Wolken, die Stimmung ist am Boden«, schrieb die Zeitung ABC. Hinzukommt die Dominanz des »großen Geldes«, die dem Zuschauer ein Höchstmaß an Flexibilität abfordert, zum Beispiel was die Anpfiffzeiten angeht, und die dafür gesorgt hat, dass Spiele Reals und Barcas mit den restlichen Vereinen vorhersehbar sind: Da sie Top-Spieler in der ganzen Welt einkaufen, gewinnen sie immer, meistens auch sehr deutlich.

Ein zweiter Blick auf die Zahlen zeigt aber: Den spanischen Vereinen geht es nicht gut. Real soll Schulden in Höhe von 600 Millionen Euro haben – und zwar ausgerechnet bei Bankia, dem Geldhaus, das die spanische Regierung vor dem Konkurs bewahren musste. Barcelona hat 450 Millionen Euro Schulden angehäuft. Zusammen stehen die Vereine der Primera División mit 3,5 Milliarden Euro bei ihren Gläubigern in der Kreide. 18 von 20 Top-Vereinen haben finanzielle Probleme.

Bankia hat im Übrigen nicht nur Real bei der Finanzierung von Superdeals geholfen. Sondern die Bank hat 2007 auch den FC Valencia vor der Pleite bewahrt. Damals half man mit 400 Millionen Euro aus; der Stadionneubau konnte daraufhin beendet werden. Jose Maria Gay de Liebana von der Universität Barcelona sagt über das desaströsen Finanzgebaren der Vereine: »Der Fußball ist ein Spiegel der spanischen Wirtschaft. Über Jahre hinweg haben wir über unsere Verhältnisse gelebt und rutschten immer tiefer in die Schulden.«

Die Politik unterstützt die spanischen Vereine aber nicht nur indirekt, sondern auch ganz direkt und unverhüllt. Um Superstars nach Spanien zu locken, wird denen ein ermäßigter Steuersatz von inzwischen nur noch 24 Prozent zugebilligt – die so genannte Lex Beckham. Diese Regelung kommt auch den Vereinen zu Gute, die üblicherweise die Steuern für ihre Top-Spieler entrichten.

Angesichts dieser Situation wundert es auch nicht, dass inzwischen auch die EU wegen des Verdachts auf unzulässige Subventionen ermittelt. Die Spanier vermuten nun, dass die Anzeige, auf die die Kommission tätig geworden ist, vom Konkurrenten FC Bayern kam.

Es ist nicht der erste Anlass, sich die Finanzierung spanischer Fußballvereine genauer anzusehen. Bereits 2001 und 2011 gab es undurchsichtige Deals zwischen Real und der öffentlichen Hand, bei der es zu einträglichen, eigenartigen Wertsteigerungen von Grundstücken kam.

Schulden bei den Banken, die vom Staat gestützt werden müssen, großzügige Steuervorteile und direkte Hilfen – aber gleichzeitig wird am großen Rad gedreht. Das ist die Situation des spanischen Top-Fußballs. Wie lange dieser Reigen weitergeht, ist durchaus absehbar: Seit mehreren Jahren hat sich hier eine Blase aufgebaut, die irgendwann platzen wird. Inzwischen wird davon berichtet, dass spanische Fußballer auswandern. Und wenn das Geld ausgeht, könnte es auch mit dem von ganz Europa bewunderten Ballzauber der Fußballer von Real und Barca bald vorbei sein.

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