Alexander Dobrindt

Der Unterschätzte

Der neue Verkehrsminister Alexander Dobrindt gehört zu den den Unterschätzten der deutschen Politik - ein Porträt.

Veröffentlicht:
von

Drei Mal war der neue Bundesverkehrsminister bereits Schützenkönig im oberbayerischen Peißenberg. Dieser Vermerk gehört offenbar zum Pflichtprogramm eines jeden Dobrindt-Porträts. Deshalb sei er auch hier mit aufgenommen. Und zudem direkt an den Beginn gestellt, damit man ihn im Folgenden dann auch gleich wieder vergessen kann. Denn Schützenkönig gewesen zu sein, sagt über Alexander Dobrindt nicht viel aus. Außer vielleicht, dass er um die Bedeutung politischer Unterstützung in der Heimat weiß. Und womöglich, dass er sich tatsächlich für Brauchtumspflege und Geselligkeit begeistern kann. Wirklich informativ ist der süffisante Hinweis auf den „Schützenkönig Dobrindt“ nur mit Blick auf das Verhältnis von Journalisten großer Tageszeitungen zur „Lebenswirklichkeit der Menschen in Deutschland“. Letztere sieht nämlich oft ganz anders aus, als es so mancher Schreibfeder eingängig zu sein scheint.

Hier zeigt sich in der Tat ein Muster, das das Dobrindt-Bild in den Medien durchzieht. Und es offenbart sich ein Politiker, der sich darauf versteht, an diesem Bild aktiv mitzuzeichnen. Gerne wird Alexander Dobrindt als etwas depperter Hinterwäldler in Szene gesetzt, dessen Niveau an der Unterkante bayerischer Stammtische kleben bleibt. Dabei ist gewiss nicht alles falsch, was über das Gerede in bierseliger Runde gesagt wird: Nicht jede dort geäußerte Überlegung ist bis ins Letzte durchdacht. Vieles trieft vor Klischees und Einseitigkeiten. Und Pauschalurteile, billige Rechthaberei und der Anspruch, die Welt in Gänze erklären zu können, verschaffen sich umso mehr Geltung, je später der Abend wird. Kurzum: Die Stimmung im Wirtshaus neben der Pfarrkirche unterscheidet sich durch nichts von der Atmosphäre in Kreisen des gepflegten Bürgertums, wenn dieses zur Dekantierung edler Weine zusammenfindet und sich an der eigenen akademischen Bildung berauscht.

Lebensweise Stammtische

Und dennoch mag man den Stammtisch dem dünkelhaften Intellektuellenzirkel vorziehen. Denn mit der Maß in der Hand offenbart sich vielleicht doch noch eher ein wenig von dem, was in linken Kreisen gerne als „gesundes Volksempfinden“ denunziert wird, tatsächlich aber oft genug nur gesunder Menschenverstand ist, oder – wie man im Englischen sagt – „common sense“, was man auch mit „Gemeinsinn“ übersetzen kann. Und hieran knüpft Alexander Dobrindt gerne an, auch wenn er – nicht aus Hitzköpfigkeit, sondern aus kühler Berechnung – bisweilen überzieht: Zweifellos sind die Grünen nicht „der politische Arm von Krawallmachern, Steinewerfern und Brandstiftern“. Und doch würden sich nicht nur deutsche Polizisten von ihnen oft ein klareres Bekenntnis zu ihrem schwierigen Einsatz wünschen, sei es bei den Protesten gegen Castor-Transporte, gegen den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs oder jüngst bei den Krawallen in Hamburg. Zweifellos ist die „Linke“ keine verbotsbedürftige Partei, der man nach Gutsherrenart die staatliche Finanzierung entziehen kann. Und doch bildet sie gerade in ihren westdeutschen Landesverbänden ein Sammelbecken für Extremisten, die sich offen zum Ziel der „Systemüberwindung“ bekennen. Zweifellos ist EZB-Präsident Mario Draghi kein manifester „Falschmünzer“. Und doch sorgen sich nicht wenige Sparer, wie viel Wert ihrem Geld auf Dauer noch verbleibt. Zweifellos ist es nicht richtig, wenn das öffentlich-rechtliche Pay-TV Anrufe aus der CSU-Zentrale erhält, um missliebige Berichterstattung zu unterbinden. Und doch erkennt man die Empörung darüber als heuchlerisch und von gespielter Naivität, wenn man einen Blick in einschlägige Verwaltungsratslisten wirft. Und zweifellos hat sich die FDP in der vergangenen Legislaturperiode nicht durchgängig als „Gurkentruppe“ präsentiert … Wobei … Aber lassen wir das.

So ist Alexander Dobrindt also keineswegs der tumbe Maulheld, als der er gerne präsentiert wird. Vielmehr artikuliert er pointiert Positionen, die in der Bevölkerung verbreitet sind und daher im politischen Raum auch zur Sprache kommen müssen. Wenn dies die etablierten Parteien nicht tun, dann tun es andere – auch jene, auf deren Mitwirkung man gut und gerne verzichten kann. Zudem muss man Dobrindt lassen, dass er seinen Worten auch Taten folgen lässt, zumindest gelegentlich. So hat er es nicht belassen bei der Warnung vor einem „Automatismus, der zu einer fortschreitenden Machtverschiebung in Richtung Brüssel führt“ und eine „Entdemokratisierung und eine Entsouveränisierung der europäischen Staaten“ bewirkt. Sondern er hat auch als einer von sechs CSU-Abgeordneten gegen die Grundgesetzänderung zur Übernahme des EU-Reformvertrages von Lissabon gestimmt.

Solch mutige Entscheidungen nähren den Eindruck, dass Alexander Dobrindt im Gegensatz zu seinem Hochglanzvorgänger im Amt des CSU-Generalsekretärs, Karl-Theodor zu Guttenberg, zu den Unterschätzten der deutschen Politik zählen könnte. In der Tat ist Dobrindts Laufbahn bis dato nicht spektakulär, aber gleichwohl grundsolide. „Diplomsoziologe ist sein höchster Bildungsabschluss“, schreibt die FAZ mit dem Hochmut derer, die sich selbst für die klügeren Köpfe halten. Doch irgendwie spricht es ja auch für den Gescholtenen, dass er sich nicht wie so viele für den Weg des Politjuristen entschieden hat. Und in Zeiten einer Debatte über den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft tut es gut zu wissen, dass manch einer auch vor der Annahme von Amt und Mandat auf dem freien Markt erfolgreich war: So hat Alexander Dobrindt neun Jahre als kaufmännischer Leiter und später als Geschäftsführer eines Unternehmens gearbeitet, das Sterilisationstechnik für Medizin, Pharmazie und Forschung produziert und aktuell eine Bilanzsumme von immerhin drei Millionen Euro aufweist. Innerhalb der Politik ist Dobrindts Laufbahn zwar klassischer, aber auch nicht ehrenrührig: Mit sechzehn Jahren Eintritt in die Junge Union, Kreisvorsitz der JU, Gemeinderatsmandat, Vorsitz im CSU-Ortsverband, Kreistagsmitglied, Kreisparteichef, Wahl in den Bundestag. Gerne wird eine solche Laufbahn niedergemacht, als sei Einsatz für die Demokratie etwas Schlechtes – aber letztlich bräuchte man mehr und nicht weniger Leute, die diesen Weg gehen.

Schöne neue digitale Welt … und reales Leben

Nun also das „Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur“. Auch wenn Letzteres in der öffentlichen Wahrnehmung hipper erscheint, wird Dobrindt seinen Schwerpunkt auf das Erstere legen. Denn die CSU hat den wahren Wert des Verkehrsministeriums schon immer gekannt, und so kommen fünf der bislang acht Ressortchefs von der Union aus Bayern. Der Verkehrsetat mit seinem Volumen von zuletzt zehn Milliarden Euro schafft Spielraum für die Umsetzung von Großinvestitionen, den die Christsozialen stets konsequent genutzt haben – sei es bei der Konzentration von Luft- und Raumfahrt in Oberbayern, sei es beim Donauausbau, bei der Schaffung und Erweiterung des Franz-Josef-Strauß-Flughafens in München oder beim Versuch, mittels Transrapid einen Einstieg ins Flugzeug bereits am Hauptbahnhof zu ermöglichen. Neben der Infrastrukturförderung fällt Dobrindt die Aufgabe zu, die von der CSU erbittert erkämpfte Pkw-Maut umzusetzen, die den Anwohnern bayerischer Transitwege ein vielfach ignoriertes Herzensanliegen ist.

Mit den Lieblingsthemen der „Netzgemeinde“ wird sich dagegen wohl vor allem Staatssekretärin Dorothee Bär herumschlagen, die Dobrindt bereits in der Parteizentrale zur Seite stand. Die „Nerds“ mögen den Minister verlachen wegen entgleister Facebook-Parties oder fehlendem Twitter-Account, und ihre libertären Vorstellungen zum Urheberrecht und zum Schutz geistigen Eigentums mögen der Hausspitze des „Internetministeriums“ fremd sein. Aber bei Themen wie dem Ausbau der Datenautobahn oder der Regulierung von Telekomriesen werden die „Digital Natives“ plötzlich ganz konventionell. Und so werden sie Dobrindt und Bär gut zu nehmen wissen, und umgekehrt.

Aus der Reihe: "Merkels neue Minister"

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang