Porträt Klaus Regling

Der größte Euro-Fan von allen

Als ESM-Chef hat Klaus Regling nun die Aufgabe, jene Probleme zu beseitigen, deren Zustandekommen er jahrelang selbst intensiv mit begleitet hat.

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Prominenz ist heutzutage relativ. Manch ein Dschungelcamp-Teilnehmer kann kaum noch den Müll rausbringen, ohne von Autogrammjägern überrannt zu werden. Andere dagegen, die unsere Gegenwart wirklich prägen, fahren sorglos mit dem Zug oder speisen im Restaurant, ohne von irgendjemandem erkannt zu werden. Zu letzterem Personenkreis gehört auch Klaus Regling – Managing Director des Europäischen Stabilitätsmechanismus und damit Herr über 440 Milliarden Euro Staatsgarantien, die im Zweifel für die Rettung kriselnder EU-Länder ausgeschüttet würden.

Regling ist, was die Gemeinschaftswährung betrifft, ein Mann der ersten Stunde. Und er blickt auch jenseits davon auf eine professionelle Laufbahn zurück, der man den Respekt kaum versagen kann: Nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre ist der gebürtige Lübecker zunächst ab 1975 beim Internationalen Währungsfonds in Washington tätig. Nach einem Kurzabstecher zum Bundesverband deutscher Banken tritt er 1981 erstmals in die Dienste des Bundesministeriums der Finanzen. Und findet dort sein berufliches Lebensthema: „Europäische Währungsangelegenheiten“, wie das zuständige Referat damals noch heißt. 1985 kehrt er noch einmal für ein paar Jahre zum IWF zurück, zunächst als Leiter der Abteilung für internationale Kapitalmärkte. Später wechselt Regling an die Spitze des Währungsfondsbüros nach Indonesien.

Und dann beginnt seine Liaison mit der Gemeinschaftswährung: 1991 übernimmt Klaus Regling die Leitung des Referats für Internationale Währungsangelegenheiten im Bundesfinanzministerium und rückt später in die Führung der Abteilung für grenzüberschreitende Währungs- und Finanzbeziehungen auf. In diesen Funktionen ist er wesentlich an der Ausarbeitung des Vertrages von Maastricht beteiligt, der die Grundlage für die spätere Einheitswährung legt. Regling gestaltet auch den Stabilitätspakt federführend mit, der damals noch als Garant für Solidität im Euroraum gilt: Kein Staat des gemeinsamen Währungsraumes darf nach dieser Vereinbarung eine Gesamtverschuldung aufweisen, die sechzig Prozent seines Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Und kein Euroland soll in einem Haushaltsjahr mehr als drei Prozent des BIP als Nettoneuverschuldung aufnehmen.

In den neunziger Jahren wird Klaus Regling noch schnell ungemütlich, wenn es ihm gegen seine Prinzipien geht: Als Oskar Lafontaine 1998 Bundesfinanzminister wird, scheidet der Spitzenbeamte im Streit aus dem Dienst – und übernimmt stattdessen die Leitung der Londoner Filiale des US-Hedgefonds Moore Capital. Doch lange hält er es in diesem Job nicht aus, wohl auch, weil Regling letztlich zu politisch ist. 2001 lässt er sich, immer noch von Rot-Grün, für die Top-Position bei der Europäischen Union werben, was den Bereich von Geld und Währung betrifft: Klaus Regling wird Generaldirektor für Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission.

Das Jahrzehnt der Euro-Sündenfälle

Bis 2008 nimmt er diese Aufgabe wahr und übersieht dabei – im wahrsten Sinne des Wortes – zwei Sündenfälle, die dem gemeinsamen Währungsgebiet bis heute nachhängen: Zum einen lässt sich die Regling-Behörde von „kreativen Bilanzen“ täuschen, die Mitglieder der Euro-Familie in Brüssel zur Prüfung einreichen – allen voran Griechenland, das bei strikter Anwendung geltender Verträge und bei sorgfältiger Prüfung seiner Haushaltswirtschaft bis heute mit Drachme bezahlen müsste. Und zum anderen zeichnet Regling dafür verantwortlich, dass ausgerechnet die beiden wirtschaftsstärksten Euro-Länder die Defizitkriterien über Jahre hinweg ignorieren, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. So haben die Franzosen das Neuverschuldungskriterium zwischen 2002 und 2004 gerissen, während die Deutschen gar von 2001 bis 2005 mehr neue Kredite aufgenommen haben als erlaubt. Zwar muss man Klaus Regling lassen, dass er zunächst gegen beide Staaten das vertraglich vorgesehene Strafverfahren eingeleitet hat. „Regling ist nicht der Mann, der da ein Auge zudrückt“, schrieb der „Spiegel“ damals. Der Kommissionsdirektor sei „nicht bereit, eine an Regeln gebundene Ordnung wie die der Wirtschafts- und Währungsunion dem politischen Kalkül nationaler Regierungen zu opfern, denen das Prinzip der Nachhaltigkeit einer soliden Etatpolitik schnuppe zu sein scheint“. Doch stellt sich mit der Zeit heraus, dass diese Einschätzung bloß eine Momentaufnahme ist: Der von der Schröder-Regierung zunächst als Teil einer „schwarzen Seilschaft“ gescholtene EU-Funktionär setzt schließlich einen 2004 von den Staats- und Regierungschefs getroffenen Beschluss klaglos um, nach dem gerade Frankreich und Deutschland die „notwendigen Wachstumsimpulse“ für Europa setzen müssen und deshalb eine zeitweilige Überschreitung der zulässigen Maximalkreditaufnahme hinzunehmen ist. Dass sich die noch im Dezember desselben Jahres von Finanzminister Hans Eichel großspurig vorgetragene Ankündigung, bereits 2005 wieder auf den rechten Pfad zurückzufinden, neuerlich in nichts auflöst, spielt da schon keine Rolle mehr: Der Bann ist gebrochen, und jene Länder, die man heute als „Krisenstaaten“ kennt, fühlen sich vom schlechten Beispiel der Großen ermutigt, ihrerseits alle Disziplin fahren zu lassen.

Dieses Mal zieht Klaus Regling, anders als noch bei der Lafontaine-Berufung ins Bundesfinanzministerium, keine persönlichen Konsequenzen. Er bleibt bis zum Ende seiner Amtszeit Direktor bei der EU-Kommission und scheidet erst 2008 turnusgemäß aus dem Amt.

Nach neuerlichen Abstechern in die Privatwirtschaft fällt Klaus Regling jetzt seit 2010 die Aufgabe zu, jene Probleme zu beseitigen, deren Zustandekommen er zumindest mit begleitet hat: Als Chef der Europäischen Finanzstabilisierungsfaszilität (EFSF) und nun des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) soll Regling die bedrohlichen Herausforderungen der Einheitswährung meistern.

Auf halbem Wege stehengeblieben

Dabei gilt aber leider wohl noch immer, was die „Frankfurter Rundschau“ vor ein paar Jahren über ihn konstatierte: Es gibt „keinen größeren Euro-Fan“ als Klaus Regling. Nach wie vor verweist er auf die Vorteile, die ein exportabhängiges Land wie Deutschland aus der Gemeinschaftswährung ziehe – als ob es nur darum ginge. Unverändert malt er die Schrecken vergangener „Turbulenzen an den innereuropäischen Währungsmärkten“ an die Wand – als seien diese auch nur annähernd mit den Verwerfungen unserer Tage vergleichbar. Und den Hauptfehler der Vergangenheit sieht Regling darin, „dass wir vor allem auf die Staatsfinanzen geschaut haben“ – als sei es die Privatwirtschaft gewesen und nicht die verantwortungslose Schuldenmacherei der Regierungen, die Europa aus dem Takt gebracht hat.

So bleibt Klaus Regling auch unverbesserlicher Optimist, was die Zukunft der Gemeinschaftswährung betrifft: „Die Banken der Programmländer sind inzwischen in recht guter Verfassung“, beschreibt er die Aussichten der Geldinstitute in den Krisenstaaten. Er sei voller Hoffnung, „das wir nicht viel Kapital brauchen werden“, um die europäischen Großbanken durch den bevorstehenden Stresstest zu bringen. Denn Griechenland und Co. seien die „Reform-Champions der Welt, sie haben jetzt schon steigende Exporte und das Wachstum kommt zurück“.

Heile Welt im Euroland? Man kann nur wünschen, dass Klaus Regling diesmal Recht behält. Doch woher soll der Glaube kommen?

Reihe: EU-Finanzentscheider im Porträt

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

Man kann an so einem undemokratischen, totalitärem und volksfremden Apparat wie der EU nicht mehr Teile kritisieren, man muss das gesamte System ablehnen. Schon diese Scheinwahlen dieses Jahr, die keinen Menschen ernsthaft interessieren, was letztlich aber (auch wenn keiner hingeht) nicht zu einem Machtverlust dieses neuen parasitären Politadels führt, zeigt doch, dass wir durch diese Leute in Europa fernab von jeder Demokratie leben. Am Beispiel der Ukraine hat die EU/BRD ihr wahres Gesicht gezeigt : Stimmt das Volk direkt ab, dann anerkennen die das aus Prinzip nicht. Man darf dieses asoziale System, welches nur der Bereicherung und dem Machterhalt einer Lumpenelite dient, nicht mehr durch eine Scheinwahl einen demokratischen Anstrich verleihen.

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