USA gegen Russland; Saudi-Arabien & Israel gegen Iran

Der doppelte Stellvertreterkrieg im Nahen Osten

Der Syrienkrieg ist Symptom eines doppelten Stellvertreterkonfliktes. Hier treffen nicht nur die Interessen der USA und Russlands aufeinander, sondern auch Saudi-Arabiens, Israels und des Iran.

Foto: Omar Chatriwala / Al Jazeera English / flickr.com / CC BY-SA 2.0
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Komplexe Konflikte fördern manchmal die seltsamsten Bündnisse zutage. Eine solches ist die Zusammenarbeit von Israel und Saudi-Arabien. Die wachsende Kooperation zwischen dem saudischen Königshaus und der israelischen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist Faktum und kein Geheimnis. Benjamin Netanjahu hatte es auf dem Word Economic Forum im Schweizer Davos selbst deutlich gesagt, dass Saudi-Arabien Israel als Bündnispartner gegen den Iran betrachte: „They see, as do many in the Arab World, Israel as an ally rather than as an enemy, because of the two principal threats that threaten them: First is Iran and the second is Daesh.“ Mit Daesh meinte Netanjahu natürlich den sogenannten “Islamischen Staat” (IS). Daesh ist eine andere Form der Abkürzung für „Ad-Daula al-islamiyya fi‘l-Iraq wa asch-Scham“ – „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“.

Im arabischen Nachrichtensender Al Jazeera wurde die Problematik schon lange diskutiert. Die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Israel ist längst öffentliches Thema. Einer der intellektuellen Gestalter der neuen Allianz ist der ehemalige saudische General Anwar Eshki. Dieser erklärte in einem Fernsehinterview, dass es zwar einen gemeinsamen Gegner gäbe, nämlich das iranische Regime, betonte aber, dass die Motivationen andere seien. Israel würde sich vornehmlich vor einer iranischen Atombombe fürchten, Saudi-Arabien sehe sich dagegen generell von Iran bedroht, weil Teheran sich in innerarabischen Angelegenheiten einmische. Eshki vergaß allerdings zu erwähnen, dass Israel auch die iranischen Verbündeten, nämlich die Hisbollah im Libanon und das Regime von Assad seit jeher als Gegner betrachtet und einer schiitischen Achse vom Iran bis zum Mittelmeer mit Sorgen gegenübersteht.

Die Einschätzung in Bezug auf den Iran spiegelt sich in der öffentlichen Meinung in Saudi-Arabien wider. Nach einer aktuellen Umfrage würden dort 52 Prozent der Saudis den Iran, nur 18 Prozent Israel als größte Bedrohung ansehen. Aktuell wird diese Entwicklung verschärft, denn Saudi-Arabien größtes militärisches Engagement findet zurzeit im Jemen statt, wo die vom Iran unterstützten schiitischen Huthi-Rebellen bekämpft werden.

 

Kalter Krieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, bei dem Israel auf der Seite Saudi-Arabiens steht


Damit wird das Bild eines Kalten Krieges bestätigt, dass seit langem den Nahen und Mittleren Osten belastet und der nach ähnlichen Mustern verläuft, wie einst der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion.

Auf der einen Seite steht der Iran mit der Agenda seines schiitischen Gottesstaates. Seine Verbündeten sind die schiitischen Hisbollah im Libanon, die schiitischen Araber im Süden des Irak, die derzeit die Regierung in Bagdad stellen, das Regime des Alawiten Baschar al-Assad in Syrien, die schiitischen Huthi-Milizen im Jemen, die schiitische und regierungskritische Minderheit im Osten Saudi-Arabiens und die schiitische Bevölkerungsmehrheit auf dem Inselkönigreich Bahrain, die von einer sunnitischen Minderheit unterdrückt wird.

Auf der anderen Seite steht Saudi-Arabien. Dessen Verbündete sind die kleinen Golfscheichtümer, insbesondere Katar und Bahrain, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die Sunniten im Jemen und im Norden des Irak sowie indirekt die Türkei. Ein ebenso wichtigster Verbündeter ist Israel – nicht aufgrund religiöser oder ideologischer Gemeinsamkeiten, sondern wegen des gemeinsamen Feindes.

Der Kalte Krieg zwischen dem Iran und Saudi-Arabien zieht also die gesamte Region in Mitleidenschaft. Stellvertreterkonflikte sind der Krieg in Syrien und im Norden des Irak sowie der Bürgerkrieg im Jemen, in dem Saudi-Arabien militärisch mit harten Mitteln eingegriffen hat. Auch in Bahrain war das saudische Militär aktiv, als nämlich 2011 ein Aufstand der dortigen Schiiten mithilfe saudischer Truppen niedergeschlagen wurde. Saudi-Arabien ist seit langem der größte Waffenimporteur des Nahen und Mittleren Ostens.

Hauptbefürchtung der Saudis und der Israelis ist die Stärkung der sogenannten schiitischen Achse, die sich vom Iran, über den Südirak und Syrien bis zum Libanon erstreckt. Die schiitischen Hisbollah im Libanon und das Regime von Assad sind neben dem Iran seit vielen Jahrzehnten die strategischen Hauptgegner Israels.

Die Palästinenser, die in ihrer Mehrheit auf Seiten der Israelgegner stehen, sind neuerdings irritiert wegen der Zusammenarbeit zwischen Israel und Saudi-Arabien. Sie verstehen nicht, weshalb Saudi-Arabien im Jemen aktiv eingreift, aber bei den Bombardierungen des Gaza-Streifens zugesehen hat. Tatsache ist jedoch, dass Palästina für Saudi-Arabien strategisch und sicherheitspolitisch keine große Rolle spielt. In Riad fürchtet man sich vielmehr vor der Einkesselung des eigenen Landes durch Verbündete des Iran. Das ist das größte Sicherheitsbedenken der Saudis.

 

Der Kalte Krieg zwischen Russland und den USA und seine Stellvertreterkonflikte im Nahen Osten


Oberhalb des Kalten Regionalkrieges zwischen dem Iran und Saudi-Arabien bleibt nach wie vor der globale Konflikt zwischen den USA und Russland. Der Nahe und Mittlere Osten war bereits zu Sowjetzeiten ein zentrales Konfliktgebiet zwischen den Supermächten. Während die USA schon früh Israel unterstützten und besonders nach dem Sechstagekrieg von 1967 erkannt hatten, dass Israel für die USA der ideale Fuß in der Tür des Nahen Ostens sei, und während sie Ägypten durch den Machtwechsel von Gamal Abdel Nasser zu Anwar el-Sadat auf ihre Seite ziehen konnten, waren Syrien und lange Zeit auch der Irak stark an die UdSSR gebunden.

Nach all den Umbrüchen durch den Zerfall der Sowjetunion und des Ostblocks, durch die Golfkriege sowie ab 2011 durch den arabischen Frühling, war einzig und allein Syrien als wichtiger Bündnispartner den Russen geblieben. Der russische Militärstützpunkt in Syrien ist ihr einziger außerhalb des Gebietes der ehemaligen Sowjetunion. Assad blieb den Russen treu, als die Golfstaaten eine Erdgas-Pipeline durch Syrien in die Türkei planen wollten, um auf diese Weise den europäischen Markt zu bedienen, damit diese von russischen Gas unabhängiger werden. Assad hatte sich damals solchen Plänen widersetzt. Im Gegenzug hält Russland Assad die Treue. Denn wenn Syrien fällt und tatsächlich das größte Erdgasfeld der Welt im Persischen Golf durch Katar ausgebeutet wird und das Erdgas via Pipeline nach Europa geleitet würde, wäre dies ein ökonomischer Gau für Russland, das von seinem Gasexport abhängig ist.

 

Syrien als geostrategischer Dreh- und Angelpunkt des Nahen Ostens


Die Tatsache, dass in Syrien ein doppelter Kalter Krieg einen heißen Stellvertreterkrieg toben lässt, nämlich zwischen den Regionalmächten Israel, Saudi-Arabien und dem Iran sowie zwischen den Supermächten USA und Russland, ist der Grund für die Hoffnungslosigkeit, die sich im Falle Syriens zeigt.

Die Rebellengruppen sowie die islamischen Gruppierungen wie Al-Nusra und der IS wären niemals so stark und einflussreich geworden, wenn sie nicht ihre Unterstützer aus dem Ausland gehabt hätten. Und das Assad-Regime wäre niemals so standhaft geblieben, wenn Russland es nicht unterstützt hätte.

Allein die komplexe Lage und die Priorität der geostrategischen Fragen über ideologische macht es möglich, dass die Nahostkriege solch seltsame Blüten hervorbringen wie der Schulterschluss zwischen der israelischen Regierung von Netanjahu und dem salafistisch-wahhabitischen Königshaus in Riad. Beide haben nichts gemein, außer dem gemeinsamen Feind, nämlich den Iran – und einem gemeinsamen Verbündeten: die USA.


( Schlagwort: GeoAußenPolitik )

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Klaus Ermecke

Dieser Artikel enthält einige hochinteressante Aspekte. Als Gesamtanalyse des Syrienkrieges taugt er aber nichts, da er einige der wesentlichen Spieler unerwähnt läßt: Die Türkei - und die Kurden.

Gravatar: Picard

ES SPIELT SICH ALLES SO AB WIE ES DER SEHER ALOIS IRLMAIER ZUM .3 WELTKRIEG GESEHEN HAT."ZUERST KOMMT EIN WOHLSTAND WIE NOCH NIE! DANN FOLGT EIN GLAUBENSABFALL WIE NOCH NIE ZUVOR. DARAUF EINE SITTENVERDERBNIS WIE NOCH NIE. ALSDANN KOMMT EINE GROSSE ZAHL FREMDER LEUTE IND LAND(MOMENTAN AKTUEL¨!-ES HERRSCHT EINE GROSSE INFLATION( DEMNÄCHST)-DAS GELD VERLIERT AN WERT. BALD DARAUF FOLGT DIE REVOLUTION.DANN ÜBERFALLEN DIE RUSSEN ÜBER NACHT DEN WESTEN.Gute Nacht und besuchen Sie Europa solange es noch steht...und nichts mehr geeeeht.Let's go the SHOW....

Gravatar: Hans von Atzigen

Der Artikel verdeutlicht im wesentlichen die
teilweise verworrene Lage in der Region.
Sicher auch die Russen Spieln mit, vor allem aus
Sicherheitpolitischen Gründen, jedoch auch Wirtschaftlich
und bis zu einem gewissen Grade auch bezüglich Öl.
All zu hoch sollte man die Rolle und Ambitionen der Russen nicht bewerten.
Im wesentlichen sind sich die Russen deutlich besser als
der Westen bewusst, das ein ausser Kontrolle geraten der Nahostregion auch die Sicherheit Russlands erheblich Tangiert.
Das Russland um die Nahostregion einen Grossen Krieg riskiert oder könnte, ist sehr unwahscheinlich.
Für die RF substanzielle Überlebensinteressen sind,
ratioal besehen kaum auszumachen.
Russland hat im Wesentlichen einen beneidenswert hohen Autrakiefaktor. Anderseits fehlt es an den Möglichkeiten für eine Grossangelegte Grossmachtpolitik
vergleichbar der UDSSR oder der USA zum einen Wirtschaftlich, zum anderen auch Militärisch trotz beachtlicher Aufrüstung.
Für eine gross angelegte Grossmachtpolitik fehlen schlicht die Voraussetzungen und Notwendigkeiten.
Soweit rational beobachtbar, sowie im Abgleich mit
weiteren Faktoren kann man die Allgemeine Politik
der Russen wie volgt einstuffen.
Erhalt der Russischen Föderation und Entwicklung
der Wirtschaft.
Militärisch: Optimierung der Verteidigungsfähigkeit,
eingeschlossen für den Fall der Notwendigkeit auch
Präventievschlagkapazitäten.
Ansonsten was sollten die im Klassischen Sinne auch
erobern, über das sie nicht im eigenen Hoheitsgebiet
in sehr hohen Masse verfügen,Dazu ist Russland sehr dünn besiedelt= kein drückendes Demogravieproblem.
Schlicht absurd die Russen könnten den Islamischen
raum überrennen die könnten diese irre Masse an
Bevölkerung unmöglich unter Kontrolle halten.
Ein ähnliches Bild auch in Bezug auf Europa.
Die könnten das längerfristig nie und nimmer halten.
Da ist sehr vieles Irrational in Bezug auf die Gefahr die von Russland ausgehen soll.
Rechnen muss man mit einem allfälligen begrenzten
Präventievschlag VORAUSGESETZT der Irrationale
Konvrontationskurs gegen Russland wird bis zum
überkochen ausgereizt und vorangetrieben.
Der 2.Weltkrieg mit seinen enormen Verlusten hat die
Befindlichkeiten der Russen deutlich massiver geprägt
als das in Westeuropa wahrgenommen wird, in den USA
am ausgeprägtesten, kalte Krieg und Weltmachtdenken.

Gravatar: Hans Goliasch

Für mich steht schon lange fest, das die BRD sich aus der NATO, der EU und der UNO zurückziehen soll. Unser Land könnte sich wie die Schweiz als neutral bezeichnen.
Dazu müssten die USA sämtliches Militär und die Atom waffen abziehen.
Als neutrales Land stände auch einer richtigen Verfassung nichts im Wege.Des weiteren wäre eine Grenzsicherung ohne Schengen dann möglich.
Darüber haben sich unsere Politiker keine Gedanken gemacht.

Gravatar: Karl Becker

Solche Hintergründe werden dem deutschen Bürger von den "Wischtischen" und "Leit"-Medien verheimlicht.
Aber, wir (vdL und andere Wasserträger) wollen ja unbedingt beim Kriegmachen mit spielen.
Bremst diese Brandstifter und deren Helfer.

Gravatar: Diederich Heßling

@Aspasia

Die Frage stellt sich sich nicht! Schon seit Jahrzehnten nicht!!!
Außer Sie sind notorischer Gutmensch.

Gravatar: Alfred

Nichts weiter als ein religiöser, westlicher Faschisten-Krieg.
...Geht hinaus in die Welt und macht sie euch untertan....

Gravatar: Aspasia

Eine sehr gute Analyse. Danke an den Autoren.
Allerdings macht sie höchst betroffen.
Es bleibt weiterhin eine ernste Frage, ob die Westbindung (besonders an die Nato, die Deutschland zudem "unten" halten will) für uns richtig ist.

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