Expertise zur »Schuldensteuer«

Bislang nicht gekannte Maßnahmen

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Haben Staatsschulden ein Niveau erreicht, das mit dem heutigen vergleichbar ist, ergriffen Regierungen früher oder später drastische Maßnahmen, um sich von der drückenden Schuldenlast zu befreien. Bürger sollten sich daher darauf einstellen.

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Auch ungewöhnliche Maßnahmen könnten von den europäischen Staaten erwogen werden, um die Staatsschuldenkrise zu lösen. Noch leidet die Politik an einer „kollektiven Amnesie“, wenn es um die Folgen überbordender Staatsschulden geht. Dies jedenfalls werfen die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) den Regierungen der Industriestaaten vor. Laut IWF befindet sich die Politik aktuell in einer Phase der Leugnung in Bezug auf den vollen Umfangs des Schuldenproblems. Sie verfolgt offiziell einen Ansatz, der im Wesentlichen auf Austeritätspolitik, dem Gewinnen von Zeit und der Hoffnung auf Wirtschaftswachstum beruht. Die IWF-Ökonomen sind jedoch überzeugt, dass einschneidende Maßnahmen notwendig sind, um die Schulden wieder auf ein tragfähiges Niveau zu senken. Diese unangenehme Wahrheit verschweigt die Politik jedoch. Die Bürger sollten sich allerdings darauf einstellen, dass sie in deutlich stärkerem Umfang als bislang angenommen, die Kosten der Krise mit zu tragen haben. Aktuell werden auch ungewöhnliche Maßnahmen erwogen wie beispielsweise eine Vermögensabgabe.

Der IWF hat Staatsschuldenkrisen der Vergangenheit analysiert. Ergebnis: Die aktuellen Schuldenstände sind keineswegs absolut neu. Vor allem im Ersten und Zweiten Weltkrieg hatten sich die Industrienationen extrem verschuldet, um die Kriegsausgaben zu finanzieren. Nach Kriegsende hatten die Schuldenquoten ähnlich hohe Ausmaße wie heute erreicht. Die Lasten erwiesen sich als langfristig nicht tragbar. Alle Staaten fanden Mittel, ihre Schuldenlast signifikant zu reduzieren.

Verschiedene Wege zum Abbau der Staatsschuld

Grundsätzlich existieren verschiedene Wege, eine extrem hohe Staatsschuld abzubauen. Der einfachste, weil am wenigsten mit Einschnitten verbunden, ist hohes Wirtschaftswachstum. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist bei entwickelten Industrienationen mit einer alternden Bevölkerung jedoch gering.

Die Alternative dazu – eine strikte Politik der Steuererhöhung und Ausgabenkürzung – wirkt jedoch negativ auf die Wirtschaftsentwicklung und kann zudem zu unabsehbaren sozialen Konsequenzen führen – vor allem wenn Sozialleistungen massiv gekürzt werden. Darüber hinaus ist eine konsequente Austeritätspolitik in Demokratien immer nur für einen begrenzten Zeitraum durchsetzbar, da die Wähler in der Regel Regierungen abwählen, die unpopuläre Maßnahmen ergreifen. Erschwert wird der Sparkurs künftig zudem durch den demografischen Wandel. Dieser wird den Druck auf die Staatshaushalte noch verstärken. Außerdem hat das Schuldenproblem mittlerweile ein solches Ausmaß angenommen, dass eine konsequente Konsolidierungspolitik allein nicht mehr ausreicht.

Eine gänzlich andere Methode, die Schulden signifikant zu reduzieren, ist die Geldentwertung. Der nominale Wert der Schulden bleibt zwar bestehen, ihr realer Wert sinkt hingegen. Offiziell ist die Inflation kein Instrument zur Schuldenbekämpfung. Insbesondere in Deutschland wird dies nach den Erfahrungen der Hyperinflation von 1923 strikt abgelehnt. Gleichwohl wird diese offizielle Linie durch die Staatsanleihekäufe der EZB durchbrochen, die damit über ihr eigentliches Mandat hinausgeht.

Etwas weniger dramatisch aber ebenso nachteilig für die Bürger und vor allem Sparer ist eine Politik der so genannten finanziellen Repression. Dabei werden die Zinsen künstlich niedrig gehalten, während die Inflationsrate oberhalb der Zinsen liegt. Für alle Sparer bedeutet dies einen realen Zinsverlust.

Der wohl gravierendste Ausweg aus der Schuldenmisere wäre schließlich ein Staatsbankrott. Dieser Schritt stellt allerdings wirklich die ultima ratio dar. Die Auswirkungen eines solchen Schrittes auf das Finanzsystem, die Wirtschaft und die Bürger sind immens und unkalkulierbar. Daher gehen bislang alle Anstrengungen dahin, diesen Schritt zu vermeiden.

Seit 2011 wird eine weitere Möglichkeit, die Staatsschulden schlagartig zu reduzieren, immer wieder diskutiert: Die Vermögensabgabe. Dies bedeutet, dass die Bürger einmalig einen bestimmten Prozentsatz ihres Privatvermögens an den Staat abtreten. Die Diskussion darüber hat an Fahrt gewonnen, nachdem der IWF im Oktober 2013 und die Bundesbank im Januar 2014 den Vorschlag aufgegriffen und sich in ihren Publikationen – unter bestimmten Bedingungen – dafür ausgesprochen haben. Beispielsweise hat der IWF eine zehnprozentige Vermögensabgabe in 15 Euro-Staaten ins Spiel gebracht.

Vermögensabgabe „am wenigsten schlechte Variante“?

Nun ist diese Maßnahme nicht so revolutionär, wie es den Anschein hat. Gerade in Deutschland gab es nach den beiden Weltkriegen Vermögensabgaben, um die Staatsschulden zu reduzieren. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Ausgaben aus dem so genannten Lastenausgleich über eine Vermögensabgabe finanziert. Der Lastenausgleich entschädigte die Flüchtlinge und Vertriebenen. Allgemein wird diese finanzpolitische Maßnahme, die mit der extremen materiellen Not der Flüchtlinge und Vertriebenen begründet wurde, als Erfolg gewertet. Es ist fraglich, ob die aktuelle Schuldenkrise von der Bevölkerung als vergleichbare Notlage gewertet wird. Zur Akzeptanz der Abgaben für den Lastenausgleich hat sicherlich auch der relativ hohe Freibetrag beigetragen.

Der Freibetrag ist überhaupt entscheidend bei der Ausgestaltung einer Vermögensabgabe. Abgabepflichtig sind nur Bürger mit einem (Netto-) Privatvermögen oberhalb einer gewissen Grenze. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einem Papier Freibeträge von 250.000 Euro, 500.000 Euro und einer Million Euro pro Abgabepflichtigem ins Spiel gebracht.

Das Grundgesetz sieht die Möglichkeit einer Vermögensabgabe in Artikel 106 grundsätzlich vor. Allerdings ist fraglich, ob die aktuelle Problemlage, die Voraussetzungen dafür erfüllt. „Die Einführung einer Vermögensabgabe zur Überwindung des deutschen Schuldenproblems erscheint daher gegenwärtig nicht realistisch“, folgert Oliver Werner, vom IfK – Institut für Kapitalmarktin Kiel, der der Frage nach der Vermögensabgabe in einer empirischen Untersuchung nachgegangen ist.

Die politische Meinungsbildung könnte sich jedoch ändern: Immerhin haben mit IWF und Bundesbank zwei gewichtige Akteure das Thema jüngst wieder auf die Agenda gebracht. Und was Oliver Werner über die Vermögensabgabe sagt– dass sie „die am wenigsten schlechte Variante zur Überwindung des Schuldenproblems“ darstellt – gilt weiterhin.

Die Bürger sollten sich in jedem Fall nicht von der aktuellen Rhetorik der Politik „einlullen“ lassen. Vielmehr sollten sie damit rechnen, dass die bereits angelaufenen Maßnahmen zur Lösung des Schuldenproblems erst der Anfang waren. Mittelfristig wird die Staatschuldenkrise noch ganz andere, bisher schwer vorstellbare Maßnahmen und Folgen nach sich ziehen. Die Kosten dafür werden die Bürger zu tragen haben.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: chris

Was kümmern wir uns eigentlich noch um diese verdrehten Spiele. Die Spielmacher schubsen und ja eh nur noch wie Figuren auf einem Mensch Ärger Dich nicht Brett durch die Gegend. Folgen wir mal wieder unseren Herzen. Sowohl Gesetz als auch Geldsystem sind lediglich Vereinbarungen. Würde meine Freundin Ihren Büstenhalter ausziehen und wir alle würden ihn als neues Zahlungsmittel akzeptieren, könnte ich mir für diese Wertanmutung auch mein neues Fahrrad holen, weil es eben nur eine Vereinbarung ist. Durch allerlei Tricks wurde daraus für unsere Augen etwas ehernes gemacht... ABER wenn sich die Spielemacher selber nicht mehr an die Regeln halten, warum sollten wir es dann noch länger tun. Vereinbarungen sind in Ordnung, solange Sie dem Allgemeinwohl dienen. Werden Sie allerdings zum Selbstzweck - warum sollten wir uns noch länger daran halten. Gesetze und Geld - nur eine Vereinbarung ! Lasst uns etwas neues vereinbaren, das unsere Herzen wieder sprechen läßt - wir sind die Schöpfer unserer Wirklichkeit - willst du Deiner Angst folgen oder Deiner Schöpferkraft??

Gravatar: guteronkel

Sehr geehrter Herr Hillen,
danke für Ihre wahren Worte. Auch ich muss gestehen, dass ich manschmal die RAF mir zurück wünsche.
Seit dem Rücktritt von Willi Brandt ist auch die SPD eine neo-liberale Partei geworden, die selbst in der Opposition nichts für ihre Wählerschaft getan hat - außer dabei zu helfen diese auszubeuten und zu erniedrigen.
Der einzige Ausweg scheint auch mir ein Krieg oder Terror zu sein. Kriege führen wir schon lange (angefangen von der rot-grünen Koalition unter Kanzler Schröder), aber so recht erfolgreich waren diese bislang wohl auch nicht. Also ist zu befürchten, dass der Terror berechtigterweise zunehmen wird. Ich hoffen nur, dass den richtigen Leuten der Arsch weggebomt wird.

Gravatar: guteronkel

Der Bundesbürger hat einen Hang zum Sozialismus? Doch wohl eher nicht, oder? Seit dem Zusammenbruch der DDR scheinen doch alle Hemmungen wie weggeblasen, dem totalen Kapitalismus Tür und Tor zu öffnen. Ich sehe keinerlei Hemmnis der Politiker sämtliche Vorbehalte, und derer gab es nach der totalen Kapitulation nach dem 2. Weltkrieg doch so viele, ohne Rücksicht auf Verluste sofort aufzugeben. Sozialismus ist tot. Solange es der großen Mehrheit des Volkes noch relativ gut geht (ich schreibe: relativ) solange erkennt der verblödete und von den Staatssendern eingelullte Bürger und Arbeitsbiene doch nicht die Notwendigkeit der Änderung oder Umkehr. Allein die steigende Anzahl der Tafeln sollte uns kritisch werden lassen. Doch ich sehe nicht, dass irgendwer überhaupt angefangen hat darüber nachzudenken. "Wollt ihr den totalen Krieg?" hat einmal jemand das deutsche Volk gefragt. Sie schrien alle "Ja". Heute fragt man uns: "Wollt ihr den totalen Kapitalismus?" und wir schreien wieder "JA". Das Ende ist bekannt und absehbar.

Gravatar: Benjamin Rösch

Im Grunde ist schon ganz klar, wie das Ganze ablaufen wird: Zuerst kommt eine Deflationsphase, in der erst mal alle profitieren, die ein konjunkturunabhängiges Einkommen haben und nicht arbeitslos werden, also insbesondere Beamte und Empfänger von Renten, Pensionen und Sozialleistungen.
Sobald die dadurch verursachten Unternehmenspleiten und die Arbeitslosigkeit unerträglich werden, wird der Staat sich zunächst über Zwangsanleihen an den offiziellen Vermögen bedienen (Freibeträge von 250.000 Euro halte ich aber für unrealistisch, 50.000 Euro pro Kopf sind wohl realistischer, Immobilieneigentum wird wohl nur bei Selbstnutzung unangetastet bleiben) und wahrscheinlich Goldeigentümer enteignen, um danach in einer zweiten Phase durch eine Hyperinflation sowohl die schwarzen Vermögen als auch die Staatsschulden (darunter auch die Zwangsanleihen) zu entwerten.
Das Ganze wird wohl in eine sicherheitspolitische Krise eingebettet werden, wobei ein echter Krieg heute wohl nicht mehr zu erwarten ist, sondern eher eine Terrorbedrohung.

Gravatar: Karin Weber

Ich würde die Schuldfrage anders staffeln:

1) Politik & Medien
2) Banken & Versicherungen
3) dumme, manipulierte Bürger

Ich würde auch in dieser Folge die Schuldigen mit ihrem Vermögen haften lassen.

Die Frage die ich mir immer stelle: Bei wem hat die BRD Finanzagentur GmbH eigentlich diese Schulden? Bei Banken? Dann soll sie die einfach verstaatlichen, dann sind die Schulden weg. Außerdem könnte man wie Griechenland mit den Gläubigern einen Vergleich abschließen. Entweder die verzichten auf 70% oder sie sehen gar nix. Das hat in Athen auch funktioniert und Herr Schäuble hat gesagt, dass Griechenland seine Sparziele erfüllt und die Krise überwunden ist. Ja, dass klingt jetzt sicher komisch, ist aber so.

Gravatar: Florian Hillen

@reiner tiroch

Der Bürger selbst ist Hauptschuldiger, denn er hat sich einlullen lassen.
Die Energiewende ist ein schönes Beispiel:
Wir bauen ein Perpetuum-Mobile.

Die Deutschen haben einen Hang zum Sozialismus.

Gravatar: reiner tiroch

und die Verursacher, Banken und politiker werden sich reichlich Ausgleich nach dem Knall für ihre geleistete Arbeit gönnen, gell?

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