Porträt Hermann Gröhe

Ambitionierter als man denkt

Der unauffällige Hermann Gröhe (CDU) ist neuer Chef des Bundesgesundheitsministeriums. Seine bisherige Karriere beweist: Wenn es drauf ankommt, könnte er sogar Angela Merkel beerben.

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Merkwürdige Sprüche waren zu lesen nach der Berufung von Ursula von der Leyen zur Bundesverteidigungsministerin. Zum Beispiel, ob der Soldat an der Front denn künftig Vokuhila zu tragen habe – so wie die Chefin. Auch das Wort von der »Flintenuschi« machte die Runde, und das nur scheinbar nettere von der »Mutter der Kompanie«. Der unvergleichliche Franz Josef Wagner von der Bild-Zeitung schließlich schwadronierte über »einen Verteidigungsminister, der sich morgens Rouge auflegt und in Stöckelschuhe schlüpft«. Und so halten laut »ARD-Deutschlandtrend« denn auch nur 40 Prozent der Deutschen Ursula von der Leyen für gut platziert auf der Hardthöhe. Für 44 Prozent ist sie dagegen eine Fehlbesetzung.

Es mag einen peinlich berühren, dass im Jahre 2014 noch darüber gewitzelt wird, dass der Bundeswehrminister jetzt eine Frau ist. Doch auch seriöse Kommentatoren werfen gelegentlich die Frage nach die Qualifikation von der Leyens für das neue Amt auf. Dabei tritt in den Hintergrund, dass auch andere Ministerposten in der Großen Koalition eher eigenwillig besetzt worden sind. Zum Beispiel das Bundesministerium für Gesundheit.

Der vormalige CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ist bis dato nämlich noch nie in irgendeiner Form auf diesem Politikfeld in Erscheinung getreten. Gerne wird in so einer Situation von politischen Freunden argumentiert, Fachkenntnisse seien bei Ministern auch gar nicht so wichtig. Entscheidend seien Führungserfahrung, Kunstfertigkeit im Delegieren, die Auswahl guter Berater und natürlich vor allem die Vernetzung im Politikgeschäft. Gleichwohl ist die Berufung Gröhes zum Bundesgesundheitsminister ein Risiko – nicht zuletzt für den Berufenen selbst. Denn wie in kaum einem anderen Ressort tummeln sich gerade hier Lobbyisten und Einflüsterer aller Art, die die Hausspitze in die eine oder andere Richtung zu lenken bemüht sind. Da ist es ein besonderer Nachteil, weil man Sachverhalte nicht aus eigener Kenntnis heraus beurteilen kann. Diese Gefahr wird Hermann Gröhe bewusst sein, doch er nimmt sie in Kauf, und er hat seine Gründe dafür. Sie reichen zurück bis ins Jahr 1975.

Die Traumkarriere eines jeden JU‘lers

Denn bereits als Vierzehnjähriger trat Gröhe der Jungen Union bei. Zwei Jahre später wurde er Mitglied der CDU. Ab 1983 war er zunächst sechs Jahre Chef der JU in seinem Heimatkreis Neuss. Wenige Tage vor dem Mauerfall wurde Gröhe zum Bundesvorsitzenden der Jungen Union gewählt. Die JU führte Gröhe bis zu seiner erstmaligen Wahl in den Bundestag 1994. Im selben Jahr wurde der Jurist Gröhe auch als Rechtsanwalt zugelassen. Gleichwohl tritt man ihm wohl nicht zu nahe, wenn man ihn einen »Berufspolitiker« nennt.

Im Parlament agierte Hermann Gröhe von Anfang an eigenwillig genug, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber nie so überforsch, dass er sich eine blutige Nase geholt hätte. Früh suchte er zusammen mit anderen Nachwuchspolitikern der Union das Gespräch mit den Grünen, ohne dass dies seinem durch und durch bürgerlichen Image geschadet hätte. In der Fraktion engagierte er sich zunächst vor allem für Entwicklungspolitik und für Menschenrechte, ohne dabei wie Christian Schwarz-Schilling oder Stefan Schwarz zum politischen Außenseiter zu werden. Gröhe stellte es geschickter an, vielleicht auch berechnender, und er profilierte sich so auch auf dem Feld der internationalen Politik. Man weiß ja nie, wozu das später noch einmal gut sein kann ...

Zugleich baute Hermann Gröhe gezielt seine Heimatbasis aus und führte ab 2001 für acht Jahre den großen CDU-Verband im Rheinkreis Neuss. Im Oktober 2008 wurde Gröhe in der Nachfolge von Hildegard Müller Staatsminister im Kanzleramt. Im Unterschied zu seiner einstigen Mitstreiterin bei der JU galt Gröhe zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Merkel-Vertrauter. Doch auch in Hermann Gröhes Berufung wusste die Chefin ihre Vorteile zu sehen: Während sie selbst bis heute mit der Jungen Union fremdelt, worüber auch ein Meer an »TeAM«-Shirts und »Angie«-Plakaten nicht hinwegtäuschen kann, verfügt Gröhe über Kontakte im Übermaß. Und so erschien er ein Jahr später auch als naheliegende Besetzung, als es galt, die Pofalla-Nachfolge auf dem Posten des CDU-Generalsekretärs zu regeln. In diesem Amt führte Hermann Gröhe die CDU zum besten Bundestagswahlergebnis der Merkel-Ära, und so ist sein heutiger Platz am Kabinettstisch auch als Belohnung für treue Dienste zu sehen.

Gröhe setzt mit der Übernahme des Gesundheitsministeriums viel auf eine Karte, genau wie von der Leyen mit ihrer neuen Position im Verteidigungsressort. Beide Ämter gelten als politische Schleudersitze, und die Liste jener, die hier wie dort gescheitert sind, ist lang. Doch während die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass von der Leyen das Bundeswehrministerium nur als Etappe auf dem Weg zum ultimativen Ziel betrachtet, liest man Vergleichbares über Gröhe so gut wie nie.

Das mag ihm für den Moment sehr recht sein, und er wird von sich aus nichts unternehmen, um diesen Zustand zu verändern. Doch unterschätzen darf man den Ehrgeiz des Politikers vom Niederrhein nicht. Sollte er planen, eines Tages ins Kanzleramt zurückzukehren, so spielen ihm gewichtige Faktoren in die Hände: Hermann Gröhe kommt aus dem größten Landesverband der CDU, nämlich dem aus Nordrhein-Westfalen. Er verfügt über den wohlgelittenen Stallgeruch, der Ursula von der Leyen trotz aller Familienbande abgeht. Er gilt innerhalb der Partei als außerordentlich beliebt, was sich auch in herausragenden Stimmergebnissen bei seinen Wahlen zum Generalsekretär gezeigt hat. Im Gegensatz dazu geht von der Leyen nicht wenigen in der Union tierisch auf den Wecker. Man könnte es geschmeidiger formulieren, aber so trifft es den Sachverhalt wohl am besten. Und auch das Argument, man könne den Chefposten doch nicht zweimal nacheinander mit einer Frau besetzen, findet hinter vorgehaltener Hand mehr Anklang, als man vermuten könnte.

Die im Schatten sieht man nicht

Für den Augenblick kommt es Gröhe gleichwohl sehr gelegen, dass seine Ambitionen nur wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Für die breite Öffentlichkeit gilt das ohnehin. Laut »Deutschlandtrend« halten 18 Prozent der Deutschen Hermann Gröhe für eine gute Besetzung im Gesundheitsministerium, 17 Prozent wähnen ihn an der falschen Stelle. Satte 60 Prozent trauen sich kein Urteil zu oder kennen Gröhe noch gar nicht – was mehr darüber aussagt, auf welcher Basis vielfach Wahlentscheidungen getroffen werden, als man es sich vorstellen möchte.

Und auch innerparteilich ist Hermann Gröhe bislang nicht aus der Deckung gekommen. Dabei sollte schon allein die Stromlinienförmigkeit dessen, was er auf seiner Internetseite unter »Überzeugungen« auflistet, Verdacht erregen. Unser »Einsatz für Frieden und die Bewahrung der Schöpfung« basiert dort auf der »christlichen Tradition, die unser Land nachhaltig geprägt« hat. »Wirtschaftliche Vernunft und soziale Verantwortung« sind dort untrennbar miteinander verbunden, weil ja schließlich auch »eine starke Wirtschaft und sichere Arbeitsplätze entscheidende Grundlagen verlässlicher sozialer Sicherheit sind«. So geht es seitenlang weiter, und alles klingt wie schon einmal gehört. Doch gerade dadurch positioniert sich Gröhe im Mainstream der CDU. Und so könnte er am Ende zu jener Persönlichkeit werden, auf die man sich schließlich einigen kann – sollte die Ära Merkel dann doch dereinst zur Neige gehen.

Aus der Reihe: "Merkels neue Minister"

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: DerLektor

12 Jahre Drittes Reich haben eben ihr Übriges dazu getan, dass bedeutende deutsche Wissenschaftler in die USA ausgewandert sind, die mit dieser Basis bei den naturwissenschaftlichen Nobelpreisen seit 1945 führend sind. Aber was beweist das gegen die Bundesrepublik Deutschland? Wir haben seit 1949 in Physik 17 Nobelpreise geholt, die Briten 10.

Gravatar: Bert E. Wilhelm

Das Nobel-Kommitee ist doch seit jeher bestochen! Die Preise sind kein Maßstab!

Gravatar: Verwundert

Selbstredend war in Preußen mit Rumtäätää alles besser! Sehr gut! Gut gesprochen!

Gravatar: Jörg Fahrenhorst

Ein echter Opportunist und Schleim.... und damit ein wahres authentisches Gewächs der Union. Paßt also.

Gravatar: Klaus Kolbe

Ist das der Herr Gröhe, der sich beim Feiern des Wahlerfolges auf der Bühne wie ein Schuljunge von „Mutti“ Merkel die Deutschlandfahne hat wegnehmen lassen?!

Das soll Führungspersonal sein? Na, dann weiterhin gute Nacht, Deutschland!
Mit solch drittklassigen Polit-Darstellern werden wir die Fortsetzung des Dramas erleben, wie dieses Land, das noch zur Kaiserzeit die Nobelpreise weit vor allen anderen Ländern dieser Welt „einfuhr“, in bewährter Manier an die Wand gefahren wird.

Gravatar: Karin Weber

Ich habe Herrn Gröhe bisher immer nur die Meinung seiner Vorgesetzten verkünden hören. Wer so devot in einem Parteiapparat gehalten wird, der hat wohl seine Selbständigkeit längst verloren. Bei Herrn Gröhe kommt verschärfend noch hinzu, dass er natürlich auch ein Anwalt ist, der auf Grund seiner starren Ausbildung gar nicht flexibel auf dynamische Prozesse reagieren kann. Was Ingenieure erfinden, reden Anwälte kaputt. Genauso ist das hier seit Jahrzehnte.

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