Vernichtende Sozialdiagnose

Unseren Kindern geht es heute so schlecht wie nie zuvor

Das Urteil des Kindheitsforschers Michael Hüter ist eindeutig: Nie ging es Kindern seelisch und emotional so schlecht wie heute. Eine der Ursachen für seine verheerende Diagnose sieht Hüther im Niedergang der Institution Familie.

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Europa weise inzwischen jedes zweite Kind eine chronische Krankheit auf. Hinzu kämen stark zunehmende Entwicklungsstörungen und psychische Auffälligkeiten. Nimmt man diese Beobachtungen zur Grundlage, sind gesunde Kinder inzwischen zu einer kleinen Minderheit geschrumpft, schreibt Hüter in seinem Gastbeitrag für den Focus.

Hüter würdigt die historische Bedeutung der Familie bis ins vorindustrielle Zeitalter als ebenso existentiell wie sinnstiftend für die menschliche Gemeinschaft. Nur durch die Einbindung des Einzelnen in einen generationenübergreifenden persönliche Abstammungszusammenhang war geistige und materielle Unabhängigkeit und Entfaltung möglich. Die Familienbasis, die vertraute Gemeinschaft aus Eltern und Verwandten sicherte das Überleben, bot Geborgenheit, Hilfe in der Not, Schutz und Verteidigung.

Die sich im Zuge der industriellen Revolution entwickelnde hoch arbeitsteilige Gesellschaft entfachte auf dem Markt gewaltige Schubkräfte. Neue Transport- und Kommunikationsmittel entstanden, alle für sich kleine Revolutionen des Alltags. Mit diesen Neuerungen formierte sich ein Heer von Staatsbediensteten, die analog zu den jeweiligen politischen Verhältnissen erzieherisch auf die Gesellschaft einwirkten: Nicht nur Lehrer und Sozialarbeiter, sondern auch Polizisten, Verwaltungsangestellte bis hin zu den Bediensteten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ihnen flossen schleichend all jene Funktionen zu, die bis dahin privat von den Familie organisiert wurden. Dieser Prozess dauert bis heute an und ist noch lange nicht abgeschlossen.

Gegen den konzertierten Ansturm der Moderne blieb die Institution Familie lange Zeit stabil. Sie war eine unabhängige geistig-materielle Lebensform, die sich den neugierigen Augen und Ohren des Staates prinzipiell entzog und sich gegen seine Einmischungen verwahrte. Das änderte sich grundlegend mit den Verlockungen des Markts und der Verheißung vermeintlich glückseligmachender (Konsum-)Freiheit. Mit ihnen gewann das Individuum und seine subjektiven Wünsche und Bedürfnisse nahezu sakrale Bedeutung für unsere heutige Gesellschaft. Der radikale Individualismus findet gegenwärtig seinen Höhepunkt in der Mode des „Babyshoppings“ gutbetuchter westlicher Damen und Paare. Hierin ist die Entwicklung der Verabsolutierung des Selbst nur konsequent zu Ende gedacht: Wenn alle Funktionen der Familie auf externe „Fachkräfte“ ausgelagert werden, dann mußte das rücksichtslose Entfaltungsstreben des Einzelnen zwangsläufig auch die reproduktive Bestimmung der Familie zu einer kalten Dienstleistung von Kinderwunsch-Kliniken um- und entwerten.

Zur vom Markt eingeleiteten »Zersplitterung und Trennung des Familienverbandes« tritt noch zweite Potenz mit genuin familienfeindlicher Zielstellung: die ideologische Landnahme des Geistes durch Pädagogik, Philosophie, Psychologie und »vor allem die flächendeckende Beschulung«, so Hüter. »Seien wir doch im Interesse unserer eigenen Kinder ehrlich: Gegenwärtig verheizen wir die wenigen Kinder, die wir noch haben, in ein defizitäres Bildungs- und Betreuungssystem, damit die Eltern für wenig Geld viel arbeiten können, nur um ein Wirtschaftssystem aufrechtzuerhalten, das zum Scheitern verurteilt ist.«

Gehen wir auf diesem Weg des forcierten Niedergangs der Familie weiter, droht unserer Gesellschaft ein geistig-moralischer wie materieller Kollaps. Eine Gesellschaft kann nur existieren auf der Basis stabiler Bindekräfte. Diese nehmen ihren Anfang in der Familie. Ob Kunst, Wissenschaft, Gemeinwesen, Wirtschaft und Staat: Alles beruht letztlich auf familialer Organisation. Deshalb plädiert Hüter für die »Wiederherstellung eines gesunden Familienwesens«. Denn am Anfang des Menschen steht nicht die Erziehung, sondern die Beziehung.

Ein Gastbeitrag der Initiative Familien-Schutz

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