Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Sanktionen beim ALG-II teilweise verfassungswidrig

Die von den JobCentern verhängten mitunter drastischen Leistungskürzungen von ALG-II-Leistungen verstoßen teilweise gegen das Grundgesetz. Zu diesem Urteil kam heute das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvL 7/16).

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Wer im Leistungsbezug des JobCenters (JC) steht, hat mitunter das Gefühl, völlig hilflos staatlich organisierter Willkür ausgesetzt zu sein. Das JobCenter stellt Fragen, die in vielen Bereichen bis in die private Intimsphäre der Antragsteller hinein reicht. Wer dieses Durchleuchten der eigenen Person überstanden hat und in den Leistungsbezug von ALG-II (umgangssprachlich Hartz-IV) aufgenommen wird, für den aber beginnt erst ein ganz besonderer Lebensabschnitt.

Das JobCenter darf Leistungsbeziehern nämlich jede Menge Maßnahmen und Verhaltensvorgaben aufdrücken. Man muss seine Wiedereingliederungsbereitschaft in die Berufswelt unter Beweis stellen. Das, was hier so gestelzt klingt, ist im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit. Arbeitslose sollen sich bemühen, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. So weit ist das in Ordnung. Das JobCenter soll dabei helfen. Klingt auch gut. Doch statt Hilfe zu leisten, werden die Leistungsbezieher in hoher Zahl zu sinnfreien Maßnahmen verpflichtet. Maßnahmen, die keinesfalls dabei hilfreich sind, die Menschen wieder in Lohn und Brot zu bringen. Der einzige Effekt, den solche Maßnahmen haben, ist der, dass die betreffenden Menschen aus der Statitstik verschwinden und die Zahl der Arbeitslosen so künstlich nach unten gedrückt wird.

Viele Leistungsbezieher haben sich gegen solche oder andere der vielen sinnfreien Maßnahmen des JobCenters zur Wehr gesetzt. Doch eine Verweigerungshaltung kam beim JobCenter in der Regel nicht gut an. Man wollte die Verweigerer brechen und sie nötigen, den Anordnungen Folge zu leisten. Wer sich aus der Sicht des JC besonders renitent verhielt, dem wurden die Leistungen bis auf Null gekürzt.

Doch dieser Erpressung hat heute das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben. Kürzungen der Leistungen von 60 Prozent oder mehr stehen nicht im Einklang mit dem Grundgesetz, sagte Vizegerichtspräsident Stephan Harbarth in der Begründung. Die Sanktionen müssen gesetzlich neu geregelt werden. Bis das geschieht, dürfen Hartz-IV-Bezieher höchstens mit einer Leistungskürzung von 30 Prozent sanktioniert werden.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karl Napp

Auf die Urteils-Begründung bin ich gespannt. Da die Richterstellen am Bundesverfassungsgericht von den Altparteien nach durchaus ideologischen und parteipolitischen Gesichtspunkten besetzt werden, haben die Verfassungsrichter einen sich seit Jahrzehnten verstärkenden Drang dazu, sich mit Hilfe der sehr allgemein formulierten heroischen Demokratie-Artikel 1 bis 20 des GG zum weltmoralistisch durchdrungenen besseren Detailgesetzgeber aufzuschwingen. Unter häufiger Missachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung und zur großen Freude grün-roter Soziologen und Politologen.

Gravatar: kassaBlanka

Das gestrige Urteil war ein cleverer Schachzug des Regimes, um Arbeitslose und die Berufsharzer der Antifa ruhig zu halten. Im Grunde braucht man doch ab heute nur noch Hartz IV zu beantragen, muss nach der Bewilligung nicht mal mehr Termine wahrnehmen und braucht eigentlich nie wieder hingehen. Und kann trotzdem sicher sein, dass Miete, Strom, Gas, Wasser und Krankenversicherung lebenslang weiterbezahlt werden und es dazu noch ein nettes Trinkgeld (bei nicht wenigen wohl im wahrsten Sinne des Wortes) gibt, welches nicht mehr um mehr als 30 Prozent gekürzt werden darf. Immer noch genug, wenn man keinerlei Fixkosten hat. Das ist nichts anderes als ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Der einzige, der jetzt noch bestraft wird, ist derjenige, der dumm genug ist, weiter jeden Morgen aufzustehen, um das System am laufen zu halten.

Dass die Grünen natürlich sofort Morgenluft wittern und das Urteil für Wahlkampf nutzen, um sich noch beliebter bei ihrem dauerbesoffenen/bekifften Klientel zu machen, liegt auf der Hand.

Gravatar: Tom der Erste

Die Sache ist doch ganz einfach: Wird der Deutsche sanktioniert dann nimmt er das zähneknirschend hin, betrifft es aber einen Merkelgast dann ruft er seine Brüder an und es spukt in der Behörde. Das will man vermeiden, also deshalb dieser halbseidene Kompromiß.

Gravatar: Miesepeter

Wieder nur ein halbherziges Urteil von unseren Richtern. Mir kommt es so vor als können die deutschen Gerichte keine klaren Urteile mehr sprechen. Alles läuft bei einem deutschen Gericht mittlerweile auf einen Kompromiss oder eine Verwässerung von Recht und Gesetz hinaus. In diesem Fall muss doch klar sein, ein Existenzminimum darf man nicht kürzen, egal wie niedrig diese Kürzung sein sollte. Das ist doch eine glasklare Sache. Fehlt gerade noch, dass man die Sache an den EUGH verweist.

Gravatar: siggi

Seit 20 Jahren Verfassungswidrig; toller Rechtsstaat. Fördern und Fordern bedingen sich. Jetzt also nicht mehr, gefordert darf nichts werden, einen neuen Job. Klar - gibt es bald keinen mehr. Man taucht in die alte Sozialdemokratie (vor 2004) wieder ein, alle halten die Hand auf. Daher Idee der Bürgerrente (HarztIV) durch SPD (bedingungsloses Einkommen). GroKo am Ende, Verstaatlichung der Arbeiterschaft allá DDR. Zeit für den Arbeiter die Alternative zu suchen. Keine illusionäre Wirtschaft (E-Autos, Programmierung, Roboterisierung usw.), zurück zu Realwirtschaft, was braucht Konsument. Handy braucht wirklich keiner, KI auch nicht. USA zeigen es einem, London folgt.

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