Freie Welt - Geschichte

Das Massaker von Katyn

Ab Anfang April 1940 wurden in mehreren Orten der damaligen UdSSR tausende polnischer Soldaten ermordet. Katyn ist nur einer von vielen gewesen.

chicagogeek; CC BY-SA 2.0
Veröffentlicht:
von

Mit dem Namen »Katyn« wird in Polen der Massaker an etwa 22.000 polnischen Offizieren und Angehörigen der Intelligenz erinnert, das russische Spezialkräfte ab dem 4. April 1940 begingen. »Katyn« steht für mehrere Orte, so wie »Auschwitz« für mehrere Vernichtungslager steht. Es ist ein Symbol.

Anfang April 1940 – etwas mehr als ein halbes Jahr zuvor hatten russische Truppen zusammen mit der Deutschen Wehrmacht Polen angegriffen, besiegt und zerteilt. Finnland war niedergeworfen, die Baltischen Staaten von Moskau besetzt. Hundertausende polnische Soldaten befanden sich in russischer Kriegsgefangenschaft. Dazu kamen weitere Gefangene, die bei zumeist willkürlichen Verhaftungswellen in Polen gemacht worden waren.

Bereits ab Oktober 1939 begannen der NKWD, die russische bzw. sowjetische Geheimpolizei, mit umfangreichen Befragungen der Gefangenen. Während die Befragten glaubten, sie würden anschließend entlassen, handelte es sich bei den Verhören tatsächlich um eine Art Selektion: Die Russen wollten ermitteln, wer leben sollte und wer getötet würde. Dabei verfolgten sie das Ziel einer kulturellen Vernichtung: Die Opfer stammten fast ausnahmslos aus dem Offizierskorps von Militär und Polizei, sowie aus der Intelligenza: Professoren, Lehrer, Priester.

Am 5. März 1940 unterzeichneten sechs Mitglieder des sowjetischen Politbüros – Stalin, Molotow, Kaganowitsch, Woroschilow, Mikojan und Kalinin, nach dem bis heute Königsberg benannt wird – den Befehl zur Tötung von 25.700 polnischen sogenannten ›Nationalisten und Konterrevolutionären‹.

Tatsächlich wurden ab dem 3. April 1940 insgesamt etwa 22.000 Polen ermordet. Sie stammten zum größeren Teil aus den drei Lagern Kozelsk, Starobelsk, Ostaschkow und zudem aus verschiedenen Gefängnissen. Die Polen aus dem Lager Kozelsk wurden in Katyn, die aus Starobelsk in Charkiv und die aus dem Lager Ostashkov im damaligen Kalinin, heute Twer, getötet. Alle Leichen wurden auf geheime Friedhöfen begraben, die noch aus der Zeit der Großen Säuberung von 1937 bis 1938 bestanden.

Die Exekution verliefen überall in etwa gleich, sind aber für Kalinin besonders genau dokumentiert. Die Erschießungen begannen am Abend des 4. April 1940 mit dem ersten Transport von 390 Polen aus dem Lager Ostashkov und dauerten die ganze Nacht. Zunächst wurden die Personalien des Opfer überprüft. Falls sie bestätigt werden konnten, wurde dem Gefangenen Handschellen angelegt. Anschließend führte man ihn in eine Zelle, die mit Sandsäcken und einem dicken Filz an der Tür zu einem schalldichten Raum verkleidet worden war. Der Gefangene musste in der Mitte knien. Anschließend näherte sich ihm der Mörder von hinten und schoss ihm ins Genick oder in den Hinterkopf. Die weiteren Transporte umfassten täglich jeweils 250 Polen. Das Morden dauerte bis Anfang Mai, unterbrochen nur durch den Feiertag am 1. Mai 1940.

Bei späteren Untersuchungen wurde die Zahl der ermordeten Polen mit 4.421 aus dem Lager Kozelsk, 3.820 aus dem Lager Starobelsk, 6.311 aus Lager Ostaschkow und weiteren 7.305 aus weißrussischen und ukrainischen Gefängnissen ermitteln. Bei den Massenmorden tat sich Wassili Blochin besonders hervor. Er soll etwa 7.000 Gefangene erschossen haben. Als Waffe verwendete er eine deutsche Walther, da ihm die russischen Pistolen bei der extremen Belastung nicht sicher genug waren und die Verwendung einer deutschen Waffe den Vorteil bot, dass die Massenmorde später nicht zu den Russen zurückverfolgt werden konnten.

Die Massenmorde von Katyn und den anderen Orten kam schneller ans Licht, als den Beteiligten recht sein konnte. Schon während der Offensive der Wehrmacht im Sommer 1941 nach Russland hinein und dem formellen Frontwechsel Moskaus auf die Seite der westlichen Alliierten, hatte die polnische Exilregierung sich nach dem Verbleib der Offiziere erkundigt, die für den Aufbau einer neuen Armee gebraucht werden würden. Die russischen Behörden belogen die Polen, indem sie erklärten, alle Offiziere wären nach Ende der Kampfhandlungen entlassen worden.

Nachdem bereits gegen Ende 1942 Gerüchte von Massengräbern mit polnischen Offizieren aufgetaucht waren, erreichte die Nachricht spätestens am 4. April 1943 die entscheidenden Stellen in Berlin – drei Jahre nach dem Beginn der Ermordung. Dort entschied man sich, die Gräber öffnen zu lassen und als Täter – historisch völlig korrekt – die entsprechenden russischen Behörden zu nennen, was am 13. April 1943 dann auch geschah. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal wurde ein Massenmord politisch ausgeschlachtet.

Zwei Tage später, am 15. April 1943 dementierte Russland offiziell, etwas mit dem Morden zu tun zu haben und dreht den Spieß um. Als die polnische Exilregierung in London aber darauf bestand, dass die Fälle untersucht werden sollten, brach Stalin die Beziehung ab und brachte die von Russland unterstützte Union Polnischer Patrioten als Regierung Polens in Stellung.

Im September 1943 musste die Deutsche Wehrmacht das Gebiet um Katyn räumen. Eine umgehend eingesetzte Expertenkommission, die sogenannte ›Burdenko Kommission‹, fand nun genug Beweise für eine deutsche Täterschaft. Die Massenmorde wurde in den Spätsommer 1941 verlegt.

Mit dieser falsche Zuordnung begann der rein politische Teil des Massakers von Katyn. Während des Krieges waren den Westalliierten die Hände gebunden, wenn es um eine Anklage Russlands ging, das im gemeinsamen Krieg gegen das Deutsche Reich stand. Nach dem Krieg fanden sich immer wieder Gruppen und Interessierte, die entweder die eine oder die andere Position vertraten. Die Russen versuchten, Katyn als Anklagepunkt in die Klageschrift in Nürnberg aufzunehmen, scheiterten aber am Widerstand von Briten und Amerikanern. In Westdeutschland vertraten insbesondere politisch links stehende Gruppen noch bis 1989 den Standpunkt, Katyn sein ein Mord an Polen durch Deutsche gewesen.

Erst 1990 gab Michail Gorbatschow offiziell zu, dass der NKWD die polnischen Offiziere und Mitglieder der Intelligenzia hingerichtet hatte und verwies auf zwei weitere Grabstätten im russischen Mednoye nahe Twer und im ukrainischen Piatichatki nahe Charkiv.

Wer geglaubt hatte, damit sei der historische Teil des Massakers von Katyn geklärt, sah sich in den folgenden Jahren getäuscht. Nach einer Zeit der Aufklärung und einigen Versuchen, die Massenmorde juristisch aufzuarbeiten, blockierten die russischen Behörden nach und nach immer mehr die Herausgabe von Dokumenten. Noch immer sind über 30 Dokumente als ›geheim‹ klassifiziert und nicht einsehbar. Die KP Russlands behauptet weiterhin, die Polen wären von Deutschen hingerichtet.

So bleibt der Massenmord an den polnischen Offizieren und der Intelligenza ein Politikum, an dem noch heute studiert werden kann, wie Propaganda versucht, sowohl die Wahrheit als auch die Lüge für sich zu nutzen. All das ändert nichts daran, dass etwa 22.000 Polen ab dem 4. April 1940 vom russischen NKWD ermordet wurden in dem Versuch, der polnischen Nation einen möglichst unheilbaren Schaden zuzufügen. Dass das nicht gelang, liegt an dem Willen Polens, sich niemand beugen. Weder den Deutschen noch den Russen noch der EU. Dieser Wille findet in der Erinnerung an das Massaker von Katyn Ausdruck und Symbol.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Europa der V und V

Kommunismus ist 1 Verbrechen!

Wir müssen ALLE gemeinsam kämpfen dass ein Gedenktag kommun.Opfer in Europa gültig wird.
Es ist Zeit!

Hier eine gute Doku ( auf D ) wie es wirklich war.....

https://youtu.be/itGiqCL7TuA

Gravatar: Hajo

Massaker gab es überall auf der Welt und alle, die daran selbst beteiligt waren sollten sich mäßigen, wenn es um die Beurteilung geht, denn wer selbst Dreck am Stecken hat ist wahrlich nicht dafür geeignet den Friedensrichter zu spielen und das soll nur dazu verhelfen den Gegner ins schlechte Licht zu rücken, was ja von den Taten her sein kann, aber die wenigsten fangen Kriege an um sich zu beweisen, das hat in der Regel Gründe und sie morden dabei und dabei entsteht oftmals ein Ausnahmezustand aus der Situation heraus.

Deshalb sind die Beschuldigungen sowohl aus der Vergangenheit heraus als auch in der Gegenwart oftmals fragwürdig, was aber oft auch bewußt falsch interpretiert wird um den Gegner ins schlechte Licht zu rücken und wer selbst dutzende von Leichen im Keller hat, sollte ganz besonders vorsichtig sein, wenn er mit solchen Vorwürfen um sich schlägt unabhängig davon, daß man alles untersuchen sollte, sofern dann danach auch eine zuverlässige Aussage möglich wäre.

Im Falle Katyn hat man doch alles gleich auf die SS geschoben und anschließend hat es sich herausgestellt, daß es die Russen waren und solange solche Ungenauigkeiten bestehen wäre ein Schweigen besser als eine unbewiesene Anklage, die nur der eigenen Glaubwürdigkeit schadet.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang