Freie Welt – Geschichte

31.Mai 1916 – Skagerrakschlacht

Auch ohne rundes Datum verdient die größte Seeschlacht der Kriegsgeschichte in diesen Tagen unsere Aufmerksamkeit. Sie zeigt die Möglichkeiten des Schwächeren auf.

HMS Warspite, HMS Malaya (unknown photographer, Public domain)
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Eigentlich waren die Karten zwischen den beiden Seemächten England und Deutschland im Ersten Weltkrieg klar verteilt. London verfügte in praktisch jeder Schiffskategorie über mehr Schiffe und war zudem seit Jahrzehnten in jeder Seeschlacht siegreich geblieben. Die Fähigkeiten der Royal Navy versetzten wohl jeden, der sie herausfordern wollte, in Sorge; zumindest der Respekt war ihren Schiffen und Mannschaften sicher.

Dass das Deutsche Kaiserreich trotzdem einen Wettrüsten mit England begann, wird heute zwar als großer strategischer Fehler gesehen – doch 1914 dachten viele darüber anders. Die Kaiserliche Hochseeflotte war der Stolz des Landes und sie wartete darauf, im Großen Krieg ihre Fähigkeiten vor aller Welt zu beweisen.

Zu Kriegsbeginn lief das leidlich gut. Bei einem der ersten Aufeinandertreffen der verfeindeten Flotten versenkte das Deutsche Ostasiengeschwader – ja, so etwas gab es tatsächlich! – vor der chilenischen Küste zwei betagte britische Kreuzer. Seiner Majestät Flotte hatte seit über einhundert Jahren wieder eine Seeschlacht verloren. Dass die Seeschlacht eher ein Gefecht war, interessierte da niemanden ernsthaft. Erst nach der Versenkung des Ostasiensgeschwaders Anfang Dezember 1914 vor den Falklandinseln fand die britische Seele wieder Ruhe.

In Deutschland war man stolz auf den Erfolg und nahm den Verlust hin. Denn ein strategisches Problem drückte weit mehr, als zwei schwere und zwei leichte im Südatlantik versenkte Kreuzer. Denn anders als die Planer in Berlin erwartet hatten, legte Großbritannien zu Kriegsbeginn keine enge Blockade um Deutschland, sondern hielt gebührenden Abstand – um Deutschland ökonomisch zu strangulieren.

Was macht man, wenn der Gegner sich vor der eigenen Küste einer Konfrontation ständig entzieht und in größerer Entfernung die Nachteile jeden Vorstoß verbieten? – Man wartet ab und provoziert ihn, doch näher zu kommen.

Einer dieser Vorstöße führt Ende Mai 1916 zum ersehnten Zusammentreffen der beiden Flotten. Bis kurz bevor die ersten Schüsse fielen, wussten beide Seiten nicht von der Gegenwart der anderen. Und auch dann war die Begegnung einem zufällig anwesenden dänischen Dampfer zu verdanken, den sowohl Briten als auch Deutsche untersuchten.

Die eigentliche Schlacht wird von Historikern in fünf Phasen gegliedert. Der Jagd nach Süden, als ein Verband schwerer britischer Schlachtkreuzer unter Admiral Beatty seinen Kontrahenten Hipper jagte und dafür mit dem Verlust von zwei seiner Schiffe bezahlte – der Jagd nach Norden, nachdem die britischen Kreuzer auf die Front der deutschen Schlachtschiffe gestoßen waren und schleunigst Kehrt machen mussten – dem ersten und einem zweiten Zusammentreffen der beiden Schlachtflotten. Und das alles am schon sehr späten Nachmittag des 31. Mai. In der fünften, der letzten Phase der Schlacht, die im englischsprachigen Raum nach der dänischen Insel Jutland und im deutschen nach der Jutland vorgelagerten See Skagerrak benannt worden ist, folgten zahllose kleinere Gefechte bei Nacht.

Nicht nur in den folgenden Tagen – in den Jahren darauf und im Grunde bis heute wird über den Sieger mit Worten gestritten. Rein numerisch waren die Verluste der Royal Navy deutlich höher als die der Kaiserlichen Flotte. Außerdem waren die Briten deutlich überlegen gewesen: Von den insgesamt beteiligten 58 Schlachtschiffen und -kreuzern liefen 37 unter britischer und 21 unter deutscher Flagge; eine britische Breitseite wogen 150 Tonnen, die deutsche mit 60 Tonnen deutlich weniger als die Hälfte.

Aber die Schlacht hatte die strategische Lage Deutschlands in keiner Hinsicht verbessert. Oder wie ein amerikanischer Beobachter: »Der Gefangene hat kräftig an der Kerkertür gerüttelt, bleibt er aber eingeschlossen.«

Immerhin hatte die Hochseeflotte die Schlacht nicht verloren. Das war mehr, als seit langem gegen britische Verbände erreicht worden war. Der Gründe gab es viele: Britische Schiffe, die von ihren Mannschaften gegen die Ausbreitung von Bränden in den Geschütztürmen unzureichend gesichert wurden, um schneller feuern zu können; britische Granaten, die beim Aufschlag zerbrachen; bessere deutsche optische Zielgeräte; schlechte Kommunikation unter den britischen Schlachtkreuzer-Verbänden; waghalsige Manöver der Schlachtflotte, die nur der Schwächere durchführen durfte; ein ganz ungewohnt vorsichtiges Operieren auf Seiten der Briten.

Denn das war vor der Schlacht allen bewusst: Jellicoe, der britische kommandierende Admiral konnte am 31. Mai den Krieg verlieren; sein Gegenüber Admiral Scheer konnte ihn nur gewinnen. Eine versenkte Hochseeflotte hätte am weiteren Kriegsverlauf – sieht man vom Ende ab – wenig geändert. Also riskierten die Briten weniger als die Deutschen.

Die Kriegsgeschichte kennt viele solcher Fälle, in denen der Stärkere vorsichtig vorgeht. Der Schwächere muss seinen materiellen Nachteil durch raffinierte Taktik, überraschende Winkelzüge und wagemutige Vorstöße kompensieren. In bestimmten Phasen eines Krieges bringt es den Schwächeren auf die Straße des Sieges; meist zu Beginn. In späteren Phasen siegt dann meistens die zahlenmäßig überlegene Truppe.

Der Erste Weltkrieg hat sehr viel länger gedauert. Die meisten rechneten im August 1914 mit seinem Ende nach wenigen Wochen. Als »Große Krieg« im Herbst 1918 ins fünfte Jahr ging, waren die Mittel des Deutsche Kaiserreichs schließlich erschöpft. Die Matrosen von 1916 hatten die Schiffe der Hochseeflotte verlassen – »zurück blieben die weniger Befähigten, die weniger Tüchtigen«, schreibt der Marinehistoriker Michael Salewski. Der Boden für die Meuterei Ende Oktober 1918 war bereitet.

Die Schiffe der Hochseeflotte fuhren nur noch einmal als Verband in die Nordsee. Bei der Überfahrt zur Übergabe an die Alliierten. In Scapa Flow versenkte sie sich selber, damit die Schiffe nicht in die Hände der Alliierten fielen, falls das Deutsche Reich den Vertrag von Versailles nicht unterzeichnet. Doch das Reich war bereit zu unterschreiben. Die Selbstversenkung der Hochseeflotte erwies sich als politisch ebenso unklug wie ihr Bau.

[Wolfgang Hebold]

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Nick Jellicoe

Sadly, the plan of the battle was taken away from Laboe.

Gravatar: Schnully

Im Marine Ehrenmal Laboe war damals zu meiner Marinezeit diese Schlacht aufgebaut . Ob das heute bei unseren Schönwetterpolitikern noch zusehen ist weis ich nicht ? Ist immerhin über 45 Jahre her . Dort war auch das U Boot zu besichtigen , für mich mit der Zwiebel im Anker als U Bootjäger interessant , auch das ich dadurch bei Alarmübungen als Nichtschwimmer an Bord bleiben durfte .

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