Matthias Schubert Volksbegehren gegen Nachtflug

"Wir fördern die Demokratie" - Interview mit Matthias Schubert

Das Volksbegehren gegen Nachtflug in Brandenburg steht kurz vor dem erfolgreichen Abschluss. Als Vertreter der Volksinitiative spricht  Matthias Schubert im Interview mit FreieWelt.net über den Einsatz der Bürger gegen den geplanten Nachtflugbetrieb und den großen Widerstand der Bürger gegen Entscheidungen der Politik über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Damit das Volksbegehren erfolgreich ist, müssen bis zum 3. Dezember insgesamt 80.000 Unterschriften gesammelt werden - 2000 fehlen noch.

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FreieWelt.net: Herr Schubert, Sie vertreten das Volksbegehren gegen Nachtflug in Brandenburg. Was wollen Sie damit erreichen?

Matthias Schubert: Wir wollen erreichen, das am Flughafen Schönefeld ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr eingeführt wird.

FreieWelt.net: Wie ist man Ihrer Initiative von Seiten der Parteien begegnet?

Matthias Schubert: Die SPD hat sich wiederholt auf dem Landesparteitag damit beschäftigt und das bisher immer abgelehnt. Das ist sehr bedauerlich. Ich selbst stelle da einen Teil der innerparteilichen Opposition dar. Die CDU, Herr Dombrowsky, der Fraktionsvorsitzende, hat definitiv ausgeschlossen, das es mit der CDU jemals zu einem Nachtflugverbot kommt. Die Linken haben eine gewisse Offenheit signalisiert und wohl erklärt, wenn das Volksbegehren in der zweiten Stufe erfolgreich ist, werden sie sich die Forderung auf Landesebene auch zueigen machen.

FreieWelt.net: Ihre Volksinitiative zum Nachtflugverbot in Brandenburg mit 40.000 Unterschriften wurde vom Brandenburgischen Landtag abgelehnt. Warum?

Matthias Schubert: Es sind immer drei Stufen: Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Wir sind jetzt in der zweiten Stufe. Die Volksinitiative, das waren, wie sie sagen, rund 40.000 Stimmen. Der Landtag hat das Nachtflugverbot abgelehnt, weil sie meinen, dass Nachtflug für Arbeitsplätze und die Entwicklung des Flughafens wichtig ist. Aber ich will jetzt nicht deren unrichtige Auffassung referieren. Das ist natürlich alles nicht zutreffend, weil Nachtflug keine nachhaltigen Arbeitsplätze bringt, insbesondere sind die gesamtgesellschaftlichen Kosten des Nachtflugs höher als die paar Jobs, die zu diesen unangenehmen Zeiten entstehen.

FreieWelt.net: Nach der Ablehnung durch den Landtag haben Sie ein Volksbegehren gestartet, um das Nachtflugverbot in Brandenburg durch einen Volksentscheid doch noch herbeiführen zu können. Bis Anfang Dezember werden Sie dazu 80.000 Unterschriften sammeln müssen. Das klingt nach einem großen Aufwand. Wäre es nicht leichter gewesen, Ihr Anliegen über die Parteien und ihre Landtagsfraktionen voranzutreiben?

Matthias Schubert: Mein Landtagsabgeordneter von der SPD hat im Landtag für das Nachtflugverbot gestimmt, aber die herrschende Meinung in der SPD ist dagegen. Die CDU ist auch dagegen. Die Linken, sag ich mal, sind an der Basis dafür und in der Spitze dagegen. Es ist schon so, dass wir, polemisch gesagt, die "Staats- und Parteiführung" zwingen müssen, durch das Volksbegehren auf uns einzugehen. Über die Parteienebene funktioniert es nicht.

FreieWelt.net: Mit Blick auf die abnehmende Wahlbeteiligung an Parlamentswahlen wird oft von Politikverdrossenheit gesprochen. Mit Ihrer Initiative haben Sie es geschafft, sehr viele Bürger für ein durchweg politisches Anliegen zu mobilisieren. Erscheint es Ihnen da nicht angemessener, von Parteienverdrossenheit zu sprechen?

Matthias Schubert: Ich muss in der Tat sagen, dass mich schon erschreckt wie viel Menschen mir sagen, ich bin dafür, aber es hat doch gar keinen Sinn was ihr macht. Dass sie also tatsächlich davon ausgehen, dass die einfachen Leuten sowieso immer über den Tisch gezogen werden und die Politik ihre berechtigten Interessen nicht ernst nimmt. Und wenn man die Entstehungsgeschichte des Flughafens sieht, dann hab ich - ähnlich wie in der Bankenkrise - den Eindruck, dass hier in der Tat ein Politik- und Staatsversagen vorliegt. Da muss sich mächtig was tun. Wenn man von Anfang an gesagt hätte, wo man wirklich lang fliegen muss, und das wusste man schon damals, dann wäre der Standort nie gekommen. Weil dann klar gewesen wäre, dass Müggelsee und Wannsee betroffen sind. Das sind die großen Seen in Berlin. Das heißt man macht sich die gesamte Naherholung kaputt, damit man vielleicht einmal im Jahr für 40 Euro nach Malle fliegen kann. Da kann man noch nicht einmal sagen, das wäre nur nicht nachhaltig. Das ist einfach nur Schwachsinn, was da passiert.

FreieWelt.net: In allen Bundesländern gibt es mittlerweile Verfahren der direkten Demokratie, die die politische Willensbildung in den Länderparlamenten ergänzen. Gibt es aus Ihrer Sicht Gründe, die einer solchen Beteiligung der Bürger auf Bundesebene entgegenstehen?

Matthias Schubert: Nein, grundsätzlich nicht, aber auf Bundesebene wird es natürlich noch schwerer. Das Münchner Volksbegehren war erfolgreich, aber da muss man sehen, das war auch nur die Stadt München, die über eine Beteiligung des Flughafens zu entscheiden hatte. Ich denke auf Bundesebene ist es für Privatleute ohne großen Sponsor faktisch unmöglich. Was ich anregen würde, wäre, dass man auf allen öffentlich zugänglich gemachten Flächen, auch wenn es Privatflächen sind, sammeln kann. Die Volkszählungsgesetze in den Ländern müsste man verbessern. Die Einkaufszentren ersetzen heutzutage zunehmend den öffentlichen Straßenraum, die Leute sind in den Einkaufszentren und nicht mehr auf der Straße. In den Einkaufszentren und auf den privaten Parkplätzen vor Supermärkten hänge ich immer von der Gnade des jeweiligen Betreibers ab, ob der mich da stehen lässt. Meistens tun sie es nicht. Wir sind aber nicht irgendwelche Leute, die da Würstchen verkaufen wollen, sondern wir fördern die Demokratie.

FreieWelt.net: Was werden Ihre nächsten Schritte sein?

Matthias Schubert: Na, erstmal müssen wir das Volksbegehren am 3. Dezember schaffen. Wenn wir das nicht schaffen, ist das ein schwerer Verlust. Wenn wir es schaffen, dann muss sich die Landesregierung Brandenburg bewegen. Da werden wir erheblichen Druck machen. Zumal wir einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten haben, der ja sozial und demokratisch ist. Wir wären das erste Volksbegehren, das nach 22 Jahren Land Brandenburg die zweite Stufe schafft, und insofern muss die Regierung dem Rechnung tragen. Da können die gewählten Volksvertreter nicht einfach nur sagen: Wir wollen das nicht. Die Linken haben es ja schon aufgegriffen. Die sagen ja: wir gehen dann auf das Volk zu, wenn die das schaffen, denn wir sind ja wirklich eine Ameisenbewegung. Wir haben keinen prominenten Sponsor. Keiner will sich mit der Flugwirtschaft anlegen. Und wenn man hier so eine echte Basisbewegung, die überhaupt keinen finanziellen Rückhalt irgendwo hat und die eine SPD geführte Landesregierung und die Wirtschaft gleichzeitig gegen sich hat, was ein Kampf gegen Windmühlen ist, wenn man es dann trotzdem schafft, dann muss das einfach berücksichtigt werden.

FreieWelt.net: Wie viele Stimmen brauchen Sie denn noch?

Matthias Schubert: Ich schätze, dass wir jetzt 78.000 haben. wir machen uns natürlich nicht die Mühe, alle Gemeinden anzurufen. Das wären mehrere Tage Arbeit. Wir haben so gewisse Stichprobenverfahren, wo wir uns ein Bild machen und haben auch von Zeit zu Zeit, das letzte Mal am 30. Oktober, genauer nachgeguckt, und verfolgen jetzt einzelne Weiterentwicklungen und danach sieht es so aus, als ob wir das relativ knapp, schaffen werden.

FreieWelt.net: Und dann muss der Landtag wieder entscheiden?

Matthias Schubert: Dann muss sich der Landtag wieder damit beschäftigen. Und wenn er es wieder ablehnt, dann muss ein Volksentscheid durchgeführt werden. Dann geht es an die Wahlurnen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Andreas Kobs.

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