Klaus Peter-Willsch CDU-Bundestagsabgeordneter

»Wie ein kleiner Bruder des ESM«

Interview mit Klaus-Peter Willsch

Auch an seinem Geburtstag stand Klaus-Peter Willsch ganz im Dienst seiner Wähler. Er empfing FreieWelt.net zu einem Interview in seinem Bundestagsbüro. Kurz zuvor hatte der CDU-Politiker in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt darauf aufmerksam gemacht, das Kommission und Rat begonnen haben, einen wenig bekannten Hilfsfonds der EU fast unbemerkt in einen »Schatten-ESM« umzuwandeln. 

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FreieWelt.net: Herr Willsch, wir führen dieses Gespräch an ihrem Geburtstag. Sie haben sich schon im Voraus selbst ein schwieriges Geschenk gemacht, in dem sie den »Schatten-ESM« auf die Agenda gesetzt haben. Wie sind sie auf diesen Namen gekommen?

Klaus-Peter Willsch: Es ist ein zweifach berechtigter Name. Einmal, weil versucht wird, ihn im Schatten des großen ESM zu implementieren, relativ unbemerkt  von der politischen Öffentlichkeit. Und zum zweiten, weil er eben auch wie ein Abbild, wie ein Schatten des ESM aussieht. Die Regularien dieser Fazilität, die es ja schon sehr lange gibt, werden denen des ESM stark angenähert, so dass er eben wie ein kleiner Bruder des ESM aussieht.

Vom Kainsmal zur Zinskonditionsverbesserungsoption

FreieWelt.net: Was macht diesen Schatten-ESM denn konkret aus?

Klaus-Peter Willsch: Es geht darum, das hiermit Zahlungsbilanzhilfen für Staaten der EU ermöglicht werden, deren Währung nicht der Euro ist. Das Ganze hat natürlich im Zuge der ausufernden Aktionen der letzten Jahre in Sachen »Euro-Rettung« einen ganz anderen Charakter als bislang. Früher war es ein Kainsmal, solche Hilfen zu beanspruchen, wirklich die letzte Option, die ein Land in ernsten außenwirtschaftlichen Zahlungsbilanzschwierigkeiten ziehen konnte. Im Grundsatz ist gegen ein solches Instrument nichts zu sagen, wenn es lediglich der Aushilfe, der Liquiditätshilfe, dient. Dafür gibt es den IWF. Gegen seine Aktivitäten ist prinzipiell nichts einzuwenden. Wir unterstützen diesen im Rahmen der EU auch, wie bei Lettland oder auch Ungarn. Nur: wir sind jetzt in einem völlig anderen Umfeld. Wir müssen davon ausgehen, dass solche Notfallfazilitäten heutzutage als schlichte Zinskonditionsverbesserungsoptionen genutzt werden.

FreieWelt.net: Zinskonditionsverbesserungsoptionen … ein kompliziertes Wort.

Klaus-Peter Willsch: Die Handlungsoption besteht für betroffene Länder darin zu erklären: »Die Zinsen, die uns Kapitalgeber auf dem Kapitalmarkt abverlangen, sind nicht zu ertragen und deshalb muss uns jemand helfen.« Damit haben wir den gleichen Mechanismus, der im ESM greift, im EFSF und in der bilateralen Griechenlandhilfe. Es wird politisch definiert, wann ein Zins nicht mehr zu ertragen ist. Da wird es unser gemeinsames Problem, wenn wir diesen Mechanismus auf die Nicht-Euro-Länder übertragen und damit auch dort die Signalfunktion hoher Zinsen ausschalten. Denn es ist ja gerade der Sinn hoher Zinsen, dass ein Kreditnehmer merkt: er kann nicht mehr so weiter wirtschaften und über seine Verhältnisse leben, weil er niemanden mehr findet, der ihm das Geld dafür gibt. Das einzige Mittel gegen übermäßige Verschuldung ist eben hoher Zins.

FreieWelt.net: Der Zins sinkt also. Welche Folgen hat der sinkende Leidensdruck?

Klaus-Peter Willsch: Der Reformdruck lässt nach, die erforderlichen Strukturanpassungen werden nicht mehr oder langsamer vorgenommen, weil das mühsam ist, Verlust von Mehrheiten bedeutet, schlechtere Wahlergebnisse, was auch immer. Insofern ist dieser Weg gefährlich, weil das alles in einem veränderten Umfeld stattfindet. Früher war völlig klar: jeder muss sich selbst helfen. Nur wenn die technische Störung tiefgreifend  ist, man ans Ende der Refinanzierungsmöglichkeiten kommt, dann gibt es als absolute Notfallhilfe eine konzertierte Aktion, wesentlich vom IWF geführt. Das droht jetzt zur Normalität in der Defizitfinanzierung von Staaten zu werden.

FreieWelt.net: Was bedeutet das für die Staaten bei denen es wirtschaftlich bisher gut, vielleicht sehr gut läuft?

Klaus-Peter Willsch: Das »Exposure«, die Risikopositionen der kreditwürdigen Länder innerhalb dieses gesamten Spiels werden ständig höher. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Gläubiger, die Kapitalgeber, eine Neubewertung vornehmen und sich fragen, ob Deutschland nicht nur mit 80% Schuldenquote zurecht kommen kann, sondern auch mit 160% Schuldenstand. Oder ob man dann höhere Zinsen verlangen muss.

FreieWelt.net: Hat das nur Auswirkungen auf die laufenden Staatsanleihen oder auch direkt auf das Budget, als solches?

Klaus-Peter Willsch: Sobald der Zins wirklich anzieht, hat es natürlich auch Auswirkungen auf den Haushalt selbst. Das IFO-Institut hat ausgerechnet: wenn wir 2% mehr Zinsen zahlen, dann sind das eben 45 Milliarden Euro im Jahr über alle politischen Ebenen. Das ist dann kein Vergnügen mehr und dann heißt es wirklich: Im gleichen Umfang woanders einsparen, Mehreinnahmen erzielen und von liebgewordenen Gewohnheiten Abstand nehmen. Die Einhaltung der Schuldenbremse wird bedroht... Es hat also massive Auswirkungen.

FreieWelt.net: Was wollen Sie dann politisch tun, um den Schatten-ESM zu stoppen oder in irgendeiner Form zu begrenzen?

Klaus-Peter Willsch: Die Brüsseler Nomenklatura und das Bundesfinanzministerium sagen natürlich: »Das ist ein Instrument, das es schon ewig gibt und es wird einfach fortgeschrieben.« Das macht die Diskussion brandgefährlich. Ich versuche, den politischen Akteuren deutlich zu machen, dass durch das geänderte Umfeld, durch diese Gewöhnung an die ständigen Rettungsaktionen, auch dieses Instrument heute ganz anders bewertet werden muss. Da ist das Mindeste, was durchgesetzt werden muss, dass wir eine Parlamentsbeteiligung haben, die derjenigen beim »Europäischen Stabilitäts-Mechanismus« ESM und bei der »Europäischen Finanz-Stabilisierungs-Fazilität« EFSF entspricht. Jeder einzelne Fall und jede Änderung eines Falles bedarf einer separaten parlamentarischen Beteiligung. Es geht unmittelbar um die Haushaltsverantwortung, die das Parlament trägt und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch wahrnehmen muss!

FreieWelt.net: Ein weiterer Aspekt wäre, dass der Schatten-ESM EU-Staaten zur Verschuldung verleitet. Steht diese im Widerspruch zu Grundsätzen verantwortungsvoller Regierungsführung?

Klaus-Peter Willsch: Ja. Zweifach sogar. Das eine ist die alte Erfahrung, dass Staaten, ihre Regierungen und die sie tragenden Mehrheiten immer versucht sind, legale Verschuldungsmöglichkeiten bis zum Anschlag auszunutzen. Deshalb stehen wir, wo wir stehen. In Europa, den USA und Großbritannien. Wer weitere Möglichkeiten der Verschuldung eröffnet, erhöht dieses Risiko.

Das zweite ist, dass die Kommission das Recht hätte, diese Beistandszahlungen mit Anleihen zu finanzieren. Damit wäre eine Verschuldungsmöglichkeit der Kommission eröffnet, die eigentlich untersagt ist.   Der Rat kann auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit beschließen, dem betreffenden Mitgliedstaat Finanzhilfen zu gewähren. Und wenn man sich anschaut, wie die Summen des ESM oder von all dem, was wir »Euro-Rettung« nennen, quasi beliebig erweitert und erhöht wurden, wenn es »notwendig« war; dann muss man davon ausgehen, dass es hier genau so kommen wird. Diese Obergrenze von 50 Milliarden Euro wird per Verordnung einfach angehoben, wenn sie nicht ausreicht. Es wird genau das gleiche Argument kommen, das man jetzt im Falle Zyperns von Asmussen und anderen hört: »Den anderen ist geholfen worden, denen müssen wir jetzt auch helfen.« Wir können uns hier auf die gleiche Leier einstellen.

Auf der schiefen Ebene

FreieWelt.net: Dürfen die das überhaupt?

Klaus-Peter Willsch: Nein, natürlich nicht.

FreieWelt.net: Aber warum tun sie es dennoch?

Klaus-Peter Willsch: Man hat sich bei dieser ganzen Euro-Rettung auf die Schiefe Ebene begeben, als man anfing das Bailout-Verbot zu brechen und kommt da nicht mehr raus.

FreieWelt.net: Wenn sie jetzt ein Veto-Recht des Bundestages gegen die Dekrete der EU-Kommission ins Spiel bringen, dann mischt das die Karten in Europa neu. Ein Fehdehandschuh Richtung Brüssel?

Klaus-Peter Willsch: Nein, sicher nicht. Im Grunde geht es hier um eine Bindungswirkung im inneren Verhältnis der Bundespolitik zwischen dem Bundestag und der Bundesregierung.Zunächst darf die Bundesregierung nicht akzeptieren, dass Programme mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, sondern muss das Erfordernis der Einstimmigkeit  durchsetzen.Das bedeutet: Wenn die beim Ecofin zusammensitzen, könnte Schäuble das dann mit seiner Stimme stoppen. Nach unserem Parlamentsverständnis hält sich das Parlament eine Regierung, nicht umgekehrt.  Deshalb muss der Finanzminister das Parlament um Genehmigung bitten, bevor einer Erhöhung zustimmt. Wir haben in der Regelung zur Beteiligung des Bundestages beim ESM ausdrücklich vorgesehen, dass keine kalte Enthaltung abgegeben werden kann. Der Bundesfinanzminister muss im ESM-Gouverneursrat sein Veto einlegen, solange der Bundestag ihm keinen anderen Auftrag erteilt hat. Das gleiche erwarte ich beim Schatten-ESM.

FreieWelt.net: Vertrauen Sie da auf Herrn Schäuble?

Klaus-Peter Willsch: Herr Schäuble ist der am längsten dienende Abgeordnete in diesem Bundestag, er wird doch sicher die Parlamentsrechte hoch halten.

FreieWelt.net:  Vielen Dank für das Gespräch, Herr Willsch.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: henrypaul

Gerade der nicht! Er ist ein Lügner und Trickset, der mehr als einmal das Volk, das Parlament und selbst seine Chefin belogenund betrogen hat. Er folgt seinem credo: ich bin der Gröschte und NUR ich weiss, was gut für uns/mich ist! Er ist der Gröfinz der EU. Schäuble will dass Deutschland voll in Europa aufgeht und er der erste ganz-europäische Finanzminister ist mit Befugnis für ESM, EFSF, Schatten-Faszilität und Haushalte, EZB usw. Er hat seinen Grössenwahn und seine Allmachts-Fantasien als tief verletzter Politiker nicht abgelegt oder überwunden. Er ist ein Fall für den Psychiater und Staatsanwalt.

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