Freiewelt.net: Herr Prof. Burghof, wir befinden uns im Jahr sechs nach der Rettung der Hypo Real Estate. Wie weit ist der Abwicklungs- und Restrukturierungsprozess mittlerweile fortgeschritten?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Das lässt sich von außen grundsätzlich schwer beurteilen. Wir vermuten, dass dieser Prozess ganz gut fortgeschritten ist. Jedenfalls sind große Verluste – wie die Abschreibungen nach dem griechischen Schuldenschnitt 2012 – nicht mehr an die Öffentlichkeit gekommen. Aber wie die Qualität der Papiere, die sich noch im Portfolio der Bad Bank befinden, wirklich ist, wissen wir nicht. Jede Bewertung der Positionen ist eben nur eine von Menschen vorgenommene Bewertung. Insofern existieren natürlich Bewertungsspielräume. Erst wenn es zu solchen Abschreibungen kommt, die einen Verlustausgleich des SoFFin notwendig machen, lässt sich das nicht mehr verheimlichen.
Freiewelt.net: Die irische HRE-Tochter DEPFA steht derzeit als erster Teil des Konzerns zum Verkauf. Hat die Bank überhaupt noch ein Geschäftsmodell? Ist die DEPFA interessant für Bieter?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Es ist in der Tat fraglich, ob die DEPFA ein Geschäftsmodell hat. Ein potenzieller Investor muss sich fragen: Könnte er die Wertpapiere der Bank nicht auch am Markt kaufen? Ich bin der Ansicht, dass dies ganz stark der Fall ist. Es ist nicht unbedingt notwendig, die Bank dazuzukaufen. Es entsteht der Eindruck, dass da keine Bank verkauft wird, sondern dass ein Hedge Fonds oder ein anderer Großinvestor versucht, billig an die Wertpapiere zu kommen – und zwar mit Abschlägen, die so hoch sind, dass es sich für ihn richtig lohnt. Es geht also weniger um die Substanz der DEPFA als solche. Für den Staat als Verkäufer steht die Frage nach dem Preis im Fokus: Welchen Abschlag ist er bereit hinzunehmen, um einen Käufer zu finden.
Freiewelt.net: Könnte es aus Sicht des Staates nicht doch lohnender sein, die DEPFA selbst abzuwickeln. Schlimmstenfalls profitieren ja Hedgefonds oder eben ein anderer Käufer von einem Kauf unter Wert?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Es gibt gute Pro- und Contra-Argumente. Für einen Verkauf spricht: Es ist aus meiner Sicht fraglich, ob die derzeitigen Entscheider die Expertise haben, das Portfolio wertschonend zu verkaufen. Ich vermute, dass dies nicht unbedingt der Fall ist. Es ist zu simpel, zu glauben, dass sich die Märkte schon wieder bessern und sich gute Gewinne machen lassen, wenn man nur den richtigen Verkaufszeitpunkt erwischt. Ich bin da nicht so optimistisch. Gegen den Verkauf spricht wiederum, dass die EU zwingend vorschreibt, die Bank bis Ende 2014 zu verkaufen. Wenn etwas unter Zwang verkauft werden muss, bekommt man immer einen schlechteren Preis. Denn auch der Käufer weiß um die Situation des Verkäufers. Der Staat als Eigentümer steckt also in einer Zwickmühle: Verkauft er, wird der Preis schlecht, weil dies unter Zwang geschieht. Verkauft er nicht, ist fraglich, ob er über genügend Expertise für eine wertschonende Abwicklung verfügt.
Freiewelt.net: Mit welchen Erlösen rechnen Sie?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Das kann ich nicht beurteilen. Im Markt werden Zahlen kommuniziert. Die Zahlen erscheinen mir – in Relation zur Größe der Bank – gering.
Freiewelt.net: Im Handelsblatt war von 300 Mio. Euro die Rede.
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Das ist nicht viel. Es ist eine Gelegenheit für Hedge Fonds, billig an die Papiere der Bank zu kommen.
Freiewelt.net: Die andere HRE-Tochtergesellschaft heißt heute Deutsche Pfandbriefbank. Diese muss bis 2015 privatisiert werden. Ist sie attraktiver als die DEPFA?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Die Pfandbriefbank ist attraktiver als die DEPFA. Sie spielt eine gewisse Rolle im Pfandbriefmarkt. Die Kreditpositionen, die als Besicherung dahinter stehen, stammen überwiegend aus dem Hypothekengeschäft. Es handelt sich also nicht etwa um eine reine Staatsfinanzierung. Die Bank bewegt sich in einem bestimmten Verbundmodell mit anderen Finanziers. Kurz: Das Geschäftsmodell hat mehr Substanz. Die Frage, die sich jetzt im Verkaufsfall stellt, ist: Wie kann ein Investor gefunden werden, der diese Substanz auch erhalten und nutzen kann. Kaufen ist das eine, das andere jedoch ist, mit der gekauften Bank auch ein Geschäftsmodell zu verfolgen und dieses mit Erfolg fortzusetzen.
Freiewelt.net: Kommen wir zur Bad Bank, der FMS Wertmanagement. Der Abbau des „toxischen“ Portfolios ist ganz gut vorangeschritten. Von 176 Mrd. Euro im Jahr 2010 hat sich das Portfolio auf 137 Mrd. Euro Ende 2012 reduziert. Eine Reduktion um fast 25 Prozent in zwei Jahren. Wird sich die Abwicklung in diesem Tempo fortsetzen?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Wenn das auch als rasch erscheint, ist dies kein so großer Fortschritt angesichts der allgemeinen Erholung der Märkte. Ich stufe das eher als mittelmäßig ein. Hinzu kommt: Eine Abwicklung beginnt in der Regel schnell und lässt dann im Tempo nach. Am Anfang wird das abgebaut, was leicht geht und schnell einen Käufer findet. Die schwierigeren Positionen benötigen mehr Zeit. Wir beobachten derzeit eine erhebliche Erholung der Märkte. Insofern gab es Chancen und diese wurden auch genutzt. Bei den verbleibenden Beständen ist die Abwicklung wahrscheinlich schwieriger. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass sie länger dauern muss. Man könnte auch mit größeren Abschlägen verkaufen. Wenn das verbleibende Paket im gleichen Tempo veräußert werden soll, müssen eben höhere Abschläge akzeptiert werden.
Freiewelt.net: Die Bad Bank machte 2012 rund 10 Mrd. Euro Verluste, die vom SoFFin – und damit letztlich vom Steuerzahler – ausgeglichen werden mussten. Gehen Sie davon aus, dass weitere Verlustausgleichsmaßnahmen des SoFFin notwendig sind?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Das lässt sich nicht prognostizieren und hängt stark von der Entwicklung der europäischen Schuldenkrise ab. Wir wissen, dass einige Länder ganz gute Fortschritte machen. Zu den Ländern, die leider keine Fortschritte machen, gehört meines Erachtens Italien. Eine Pleite Italiens ist das überflüssigste Ereignis, das man sich derzeit vorstellen kann. Dies ist jedoch angesichts des enormen Missmanagements in Italien nicht gänzlich unwahrscheinlich.
Freiewelt.net: Die HRE hält ja eine Reihe von Positionen in den „Krisenstaaten“ Spanien und Italien. Wie groß sind die Risiken in diesen beiden Ländern?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Spanien hat hart an den nötigen Reformen gearbeitet und hat dem Vernehmen nach auch erste Erfolge. Italien hat diese Erfolge noch nicht. Die Regierung hat große Schwierigkeiten, das Land in Richtung eines Reformkurses zu bewegen. Der Italienanteil dürfte daher der riskanteste Teil des Bad Bank-Portfolios sein.
Freiewelt.net: Wie lange wird die Abwicklung des Gesamtportfolios dauern?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Das hängt vollkommen von der verfolgten Strategie ab. Entweder wird um jeden Preis verkauft und der Staat nimmt hohe Abschläge in Kauf. Die Alternative wäre ein langsameres Vorgehen. Eine wichtige Rolle spielt bei der zweiten Strategie die Marktentwicklung. Ist diese günstig, sind Verkäufe grundsätzlich einfacher.
Freiewelt.net: Wann kann man ihrer Meinung nach eine Gesamtbilanz über die HRE-Rettung ziehen und wie wird diese ausfallen?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Es wird immer die Frage offen bleiben, ob die HRE wirklich systemrelevant war und somit die Rettung wirklich notwendig war. Es besteht die Möglichkeit, dass bestimmte Kreise diesen Eindruck erwecken wollten. Diese Kreise sind in diesem Fall die anderen Banken, die großes Interesse an der Rettung hatten. Eine zentrale Rolle spielte dabei natürlich das Interbankengeschäft. Das große Interesse der Deutschen Bank an der HRE Rettung ist in diesem Zusammenhang vollkommen offenbar. Diese hatte die HRE refinanziert und wäre dann von den Ansteckungseffekten betroffen gewesen.
Gegen eine Rettung sprach auch die Struktur der Bank: Die Bilanz setzte sich aus vielen aufgeblasenen Positionen zusammen. Da waren einfach viele Wertpapiere zusammengekauft worden, die Kredite hatte die HRE ja nicht alle selbst vergeben. In der Bilanz standen zum großen Teil Staatsanleihen und nicht Immobilienkredite. Es handelte sich also mehr um eine Art Fonds als um eine Bank, da Staatsanleihen ja jeder kaufen kann. Daher ist es fraglich, ob man die Bank um jeden Preis retten musste.
Diese Frage nach der Logik des staatlichen Handels wird in Bezug auf die HRE Rettung immer wieder gestellt werden. Schließlich hat die Bank schon sehr viel Steuerzahlergeld verschlungen und es ist auch derzeit unklar, ob nicht noch mehr folgt.
Freiewelt.net: Gab es aus Ihrer Sicht bei der HRE-Abwicklung und auch Rettung Handlungsalternativen für den Staat?
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Nachdem der Staat sich einmal dazu entschlossen hatte, war eine Abweichung von diesem Kurs kaum mehr möglich. Die große Frage stellte sich also am Anfang: Retten oder nicht retten? Die weitestgehende Alternative wäre gewesen, die Bank nicht zu retten. Pfandbriefbanken sichern die Werthaltigkeit der von ihnen ausgegebenen Pfandbriefe durch die Zuordnung bestimmter Vermögenswerte zu diesen Wertpapieren in einem Deckungsregister. Im Fall eines Konkurses der Bank soll daraus ein Sondervermögen gebildet werden, aus dem die Pfandbriefgläubiger dann befriedigt werden. Eine Pleite der HRE wäre ein Test gewesen, ob dieses Deckungsprinzip im Ernstfall funktioniert. Wäre dieser Test erfolgreich bestanden worden, wäre das auch ein großer Beitrag zur Systemstabilisierung gewesen. Allerdings: Im ersten Augenblick hätten natürlich sehr große Risiken bestanden.
Freiewelt.net: Herr Burghof, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim.
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