Günter Jansen Schul-Experte

Grundschulmisere: „Moderner“ Unterricht zerstört Zukunftschancen

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Interview mit Günter Jansen

Der Schreibunterricht an deutschen Grundschulen ist eine Katastrophe. Verglichen mit den 70er Jahren sind die Leistungen heutiger Schüler beschämend. Freiewelt.net spricht mit dem Schul-Experten Günter Jansen über Hintergründe und Folgen der reformpädagogischen „Revolution“. Jansen war Fachleiter am Gesamtseminar Düsseldorf und jahrzehntelang in der Lehrerfortbildung tätig.

Freiewelt.net: Seit 2005 streiten Sie bereits gegen die in deutschen Grundschulen weitverbreitete Lehrmethode „Lesen durch Schreiben“. Was hat Sie bewegt, sich für – aus Ihrer Sicht - vernünftigen Unterricht stark zu machen?

Jansen: Was den Unterricht anbetrifft, war es der Einzug sog. offener Lernmethoden in den Unterricht, seinerzeit noch fast ausschließlich in die Grundschulen: Selbstbestimmtes, selbstgesteuertes, selbstregulatives Lernen „von Anfang an“ sollte den traditionellen Unterricht ersetzen, und schon für Grundschüler wurde vorgesehen, beim Lernen über das Was?, Wann?, Wie?, Wie viel? und Wie lange? selber bestimmen zu dürfen. Höchstes Ziel war es, mit den neuen Konzepten den Frontalunterricht zu überwinden. Zu der Zeit gehörte aber schon lange nicht mehr einzig der Frontalunterricht zu den etablierten Unterrichtsformen: Partnerarbeit, Gruppenarbeit, Unterrichtsgänge, handtätiges Tun sowie Projektunterricht z. B. fanden schon spätestens seit den 60er Jahren über die Lehre an den Hochschulen weite Verbreitung in den Schulen. Hattie fand übrigens in seiner weltweit viel beachteten jüngsten Studie heraus, dass offener Unterricht völlig unwirksam ist, 'direct instruction' (nicht gleichzusetzen mit 'Frontalunterricht') hingegen tatsächlich höchst effektiv ist. Es geht bei der Studie also um ungelenkte und vermeintlich erleichternde Methoden versus gelenkte und fordernde.

Die oben genannten Akzente 'modernen' Grundschulunterrichts bestimmen auch die Konzeption der unterschiedlichsten Lehransätze von 'Lesen durch Schreiben'. Völlig vernachlässigt wird die Tatsache, dass die Beherrschung einer Schriftsprache keineswegs ein Naturgut ist, Kinder sich die Schriftsprache also nicht irgendwie selber aneignen können, sondern dass diese Kulturtechnik als ein Wissen von Lehrern vermittelt werden muss. Die Kritik der forschenden Wissenschaft (der Fachdidaktik, der Germanistischen Linguistik, der Hirnforschung) an der Methode 'Lesen durch Schreiben' ist inzwischen eindeutig und unüberhörbar. Deren eindeutige Argumentation würde tatsächlich durchaus ein sofortiges Verbot dieses Lehransatzes rechtfertigen.

Freiewelt.net: Wie ist dieses reformpädagogische Konzept eigentlich entstanden und wie konnte es sich in den Grundschulen derart verbreiten?

Jansen: Weil die Frage die um sich greifende Reformpädagogik anspricht, möchte ich gerne darauf eingehen. Wenig bekannt ist, dass eine große Anzahl der bekanntesten Reformpädagogen keineswegs eine solide pädagogische Ausbildung vorweisen konnte. Zu ihnen übrigens gehörte auch der ehemalige Leiter der reformpädagogischen Odenwaldschule Ummo Gerold Becker, der nicht einmal seine Ausbildung zum evangelischen Pfarrer zu Ende geführt hatte. Der Erfinder der auch unter dem Namen 'Spracherfahrungsansatz' bekannten neuen Lehre 'Lesen durch Schreiben', gleichzeitig mit Hilfe von 'Netzwerken' auch Motor für die Verbreitung des Konzepts 'Lesen durch Schreiben', ist ein in Deutschland seit Jahrzehnten gefeierter Reformpädagoge, Kultpädagoge sogar, 1980 wurde er Professor für Anfangsunterricht mit dem Schwerpunkt Erstlesen/Erstschreiben. Dieser Reformpädagoge und Professor mit dem Schwerpunkt Erstlesen/Erstschreiben, ein studierter Jurist und Soziologe,  hatte weder ein Studium für das Lehramt an Grundschulen noch für ein anderes Lehramt absolviert, er hätte also nicht einmal an einer Grundschule unterrichten dürfen. Auf eine solide Unterrichtspraxis konnte er nicht verweisen, nachweisen konnte er auch kein Fachstudium in einer der an der Erforschung des Schriftspracherwerbs beteiligten Einzelwissenschaften wie der

Fachdidaktik Deutsch, der Sprachwissenschaft oder der Psychologie. Dass er bei Antritt seiner Professur in Bremen von Lese- und Schreibdidaktik „kaum Ahnung“ hatte, bekannte er später selber und ist bis heute in einem Aufsatz des Grundschulverbandes nachzulesen. Inzwischen werden solche Verhältnisse von Eltern als bedrohlich für ihre Kinder und für unser Land wahrgenommen.

Dass von einer deutschen Universität aus, die damals verschrieen war als "rote Kaderschmiede", deren Kritiker sich über das Schwergewicht dort an „Laberfächern wie Pädagogik und Politik“ beklagten, deutschlandweit eine Pädagogik verbreitet wurde, die anstatt auf empirischen Untersuchungen zum größten Teil auf absurden Annahmen und seichten Theorien aus aller Welt basierte, ist erschreckend. So war es denn in den 80er Jahren nicht verwunderlich, dass die Stadt Bremen nichts mehr mit ihrer Uni zu tun haben wollte und sich weigerte, deren Lehramtsabsolventen zu übernehmen.

Freiewelt.net: Beim  Konzept „Lesen durch Schreiben“. “sollen Kinder nicht mehr lernen, wie man ein Wort richtig schreibt, sondern sich in der ersten und zweiten Klasse eine eigene „Recht“-Schreibung erfinden. Im Vergleich zum klassischen Unterricht sind die Ergebnisse katastrophal. Bis jetzt zeigen die Eltern dagegen recht wenig Widerstand?

Jansen: Lernen sollen die Kinder schon, wie man richtig schreibt. Nur, mit dem Konzept „Lesen durch Schreiben“ lernen es viele Kinder eben nicht, denn im Deutschen lässt sich die richtige Schreibung, Kulturtechnik eben, nicht nach reformpädagogischer Rezeptgebung einfach so „entdecken“. Nach der letzten Untersuchung zur nationalen Ergänzungsstudie IGLU-E 2006 mit Fokus auf den Orthographieunterricht stand fest, dass nach Klasse 4 einem Viertel aller Schülerinnen und Schüler der Weg zur Schriftlichkeit verwehrt bleibt. Andere Untersuchungen belegen darüber hinaus, dass Kinder, die bei solchen Studien im Mittelfeld gelandet waren, mit solidem Unterricht zu besseren Leistungen hätten geführt werden können. Wie hinreichend belegt ist, finden wir mangelnde Rechtschreib- und Lesekompetenz zumeist bei Schülerinnen/Schülern aus sozialschwachen und bildungsfernen Elternhäusern sowie bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund. Widerstand aus den zuerst genannten Elternhäusern  ist kaum zu erwarten, auch wegen gewisser Ängste vor dem Umgang mit der Institution Schule. Eltern mit Migrationshintergrund vertrauen ohne Argwohn oft genug auf den guten Ruf der deutschen Schule.

Ausgeklammert bleibt regelmäßig bei solchen Untersuchungen der Aspekt, dass eine Vielzahl von Kindern nur dadurch die vorgesehenen Kompetenzen erreicht, weil deren Eltern, die über die finanziellen, zeitlichen und entsprechenden kompetenzbasierten Ressourcen verfügen,  ihre Kinder in den professionellen Nachhilfeunterricht schicken oder als Privatlehrer am Nachmittag den Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen selbst in die Hand nehmen. Für die vielen interessierten Eltern mit Migrationshintergrund muss oft aus sprachlichen Gründen die private Nachhilfe zu Hause entfallen, aus bildungsfernen Elternhäusern sind aus naheliegenden Gründen Bemühungen um die Förderung ihrer Kinder eher unüblich. Über die Jahre hinweg berichteten mir etliche Eltern davon, dass sie, um ihren Kindern einen effektiven Nachhilfeunterricht ermöglichen zu können, Nebenbeschäftigungen angenommen haben oder auch Verzicht geleistet hätten, in zwei Fällen z. B. auf eine Urlaubsreise. In zahlreichen Schreiben an mich ist allerdings ziemlich deutlich geworden, dass viele Eltern sich nicht regen, weil sie Angst davor haben, sich mit den Lehrern ihrer Kinder „anzulegen“.

Freiewelt.net: Man gewinnt den Eindruck, die Schulen würden als Versuchsfelder missbraucht?

Jansen: Hier verweise ich auf Wissenschaftler, die solche Fragen bereits schlüssig beantwortet haben. Zunächst sei da der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. J. Oelkers zu nennen. Über Neuerungen in der Schule spöttelte er schon vor Jahren, „dass ihre Erprobung paradoxerweise mit dem Ernstfall beginnt.“ Prof. J. Brenner von der Universität Köln weiß, dass es sich bei dem, was so rund um die Schule 'geforscht' und 'untersucht' wird, oft um nicht viel mehr als "weisungsabhängige Auftragsforschung" handelt, für die die Ziele und die Regeln bereits vorformuliert sind. Da kann man nicht einmal mehr von der Schule als Versuchsfeld sprechen. Solche Untersuchungen und Studien gelingen immer, und deren Ergebnisse sind deshalb bestens geeignet, damit Schulpolitik zu machen. Selbstlernkonzepte wie 'Lesen durch Schreiben' waren seinerzeit auch in Berlin sehr willkommen, z. B. zur Einführung der flexiblen Eingangsstufe: Nach diesem Konzept  werden die beiden ersten Schuljahre zusammen unterrichtet. Vorgesehen war bei dieser neuen Unterrichtsorganisation auch, dass sich die Kinder in Einzel- oder Partnerarbeit den Weg ins Lesen und Schreiben weitgehend selber erarbeiten sollten. Der erfolgversprechende pädagogische Befund kam von den Pädagogik-Professoren Renate Hinz und Dagmar Sommerfeld: "Kinder haben eine ausgeprägte Fähigkeit, anderen Menschen etwas beizubringen und in die Rolle einer Lehrperson zu schlüpfen." Diese pädagogische Schützenhilfe  genügte der Schulpolitik, nicht nur in Berlin, sich mit dem Gedanken zu befassen, für den Doppeljahrgang den zweiten Lehrer einzusparen. In Berlin scheiterte inzwischen die Schulpolitik mit diesem kühnen Vorhaben.

Es gibt allerdings auch reformpädagogisch orientierte Professoren, die geneigt sind, es der Schulpolitik noch ein Stück einfacher machen: der Professorin Hanke genügt es, wenn der "pädagogisch-didaktische Ansatz“ eines Konzepts „sich als ein Konstrukt aus theoriegeleiteter Perspektive als plausibel und für die Realisierung des Bildungsauftrags der Grundschule als brauchbar erweist."

Freiewelt.net: Ist es Ideologie oder ist es Trägheit? Warum halten so viele Schulen und Lehrer trotz ausbleibender Erfolge an diesem Konzept fest?

Jansen: Es ist wohl eher nicht daran zu denken, dass Ideologien an Grundschulen eine große Rolle spielen. Es ist eher zu vermuten, dass Lehrer über Jahre hinweg mit 'Lesen durch Schreiben' gearbeitet und daher gewisse Routinen entwickelt haben. Wenn Schulen Eltern gegenüber die unübertroffene Wirksamkeit offener Konzepte Jahr für Jahr aufs Neue gerühmt und – was nicht ungewöhnlich ist – den offenen Unterricht mit abenteuerlichen Versprechungen verteidigt haben, wird es ihnen wegen des damit verbundenen Image-Schadens nicht so leicht fallen, von den falschen Methoden abzulassen. Nicht zu vergessen sind wohl auch diejenigen Lehrer, die jegliche Anbindung an die pädagogischen Wissenschaften verloren haben und daher nur noch mit eingeschränkter Urteilsfähigkeit über Unterrichtsmethoden und Lehrwerke urteilen können. Sicherlich ist es auch so, dass an manch einer Schule über Jahre hinweg viele teure Materialien eingekauft wurden, deren Anschaffung es zu verteidigen gilt.

Freiewelt.net: Welche Schritte sollte ein Staat unternehmen, um für jedes Kind die bestmögliche Schulbildung zu gewährleisten.

Jansen: Die Schulpolitik müsste sich endlich von ihren Vorstellungen befreien, strukturelle Veränderungen in der Schullandschaft brächten Chancengerechtigkeit für alle Kinder. Schon lange bevor Hattie seine Befunde dazu veröffentlichte, war der leider allzu früh verstorbene Direktor des Max-Planck-Instituts für psychologische Forschung (München), Prof. Dr. Dr. Franz E. Weinert, zu der Erkenntnis gekommen, dass nicht die Schulorganisation bzw. die schulorganisatorischen Bedingungen ausschlaggebende Bedeutung für die Entwicklung von Kindern haben. Weinert hielt schon vor Jahren andere Faktoren für die tatsächlich entscheidenden: die Qualität des Unterrichts sowie anspruchsvolle Lernziele und kognitiv herausfordernde Lernaufgaben. Zur Verbesserung der  Qualität des Unterrichts benötigen wir qualifizierte  Universitätslehrer mit Praxiserfahrung und ständigem Praxisbezug, Professoren also, die in der Lage sind, Schullehrer auf die späteren tatsächlichen Anforderungen hin auszubilden. Der Hirnforscher Prof. Spitzer hält es für absurd, daran zu denken, dass ein Professor der Medizin nach dem Studium für ein paar Monate an eine Klinik geht, „um sich dann der Didaktik der Medizin und der Ausbildung der Ärzte (und sonst nichts)“ zuzuwenden. Während die Professoren der Medizin mit einem großen Anteil ihrer Arbeitszeit noch Patienten versorgen, haben Professoren für Pädagogik im Normalfall nie mehr etwas mit eigener Unterrichtspraxis und mit Schülern zu tun. Spitzer: „Die Lehren der Professoren sind nicht in der Praxis geerdet.“ Die Folge ist: Nirgends erfahren Lehramtsstudenten, wie ihr theoretisches Wissen von demjenigen, der es lehrt, konkret angewendet wird.

Von den zu großen Schulklassen wird in diesem Zusammenhang auch immer wieder gesprochen. Mehr als 25 Kinder sollten auf keinen Fall in einer Klasse sein. Zu bedenken ist aber wohl, dass auch in Kleinstklassen mit 10 Kindern ein Unterricht mit falschen Methoden verheerende Wirkungen entfalten kann.

Freiewelt.net: Herr Jansen, wir danken Ihnen herzlich für das Interview.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Lebeque

Hallo, guten Morgen!

Beim Übersenden seines Kommentars - der einzige, der derzeit zu lesen ist – habe ich, Lebeque, gestern leider auf die falsche Version zurückgegriffen: Bei der übermittelten Version fehlte dort im ersten Abschnitt das Wörtchen "sogar" hinter "sexuellen".

Korrigiert sollte es jetzt heißen:

Immerhin: Die Reformpädagogik wurde oben von Jansen thematisiert. Sie, Jan Sen, waren es doch selber, der das Thema am 3. Juli aufgegriffen hat. Wenn Sie damit fortfahren wollen – da gäbe es noch sehr viel zu sagen – und mit “Vermengungen und absichtsvollen Verbindungen” hat das alles nichts zu tun. Wenn Sie schon Fragen zur Reformpädagogik stellen wollten, können eben auch deren Facetten nicht unberücksichtigt bleiben: Die Reformpädagogik ist ein “Gesamtkunstwerk”, heute ein überwiegend von grenzenlosem Egoismus geprägtes Phänomen derjenigen, die sich mit ihrer Hilfe private Träume erfüllen, die sexuellen sogar oder – viel eher noch – die finanziellen. Mit Kindern hat das alles längst nichts mehr zu tun.

Ich bitte freundlichst um Korrektur und bedanke mich.

Mit vielen Grüßen

Lebeque

Gravatar: Erik

aha, also sind die Ausländer mal wieder an den schlechten ergebnissen schuld. Tatsache ist, dass ein sehbar ausländisches Kind, dass die gleiche Arbeit abgibt, wie ein deutsch aussehendes Kind schlechter bewertet wird. Die cahncen für ein deutsch aussehendes Kind liegt hauptsächlich deswegen 12:1 für ein ausländisches Kind. Das schreibt man in offiziellen Untersuchungen es landes NRW in bis jetzt 2 untersuchungen. Die gleiche Wahrscheinlichkeit finden wir beim annahmen des Doktortitels durch einen Professor. Alle diese Lehrer und Professoren waren deutschstämig und haben keinerlei rassistische Vorbehalte gegenüber Ausländern gehabt. Teilweise war sogar das gegenteil der Fall.
Unser Schulsystem muss alle Kinder zum Abitur und die meisten anderen Kindern zum Studium führen. Das ist in anderen Staaten auch mit Ausländern, die angeblich analphabeten sind, möglich. Warum sollte also das wirtschaftlich erfolgreiche Deutschland nicht ähnliches schaffen? Warum sind wir in der Gleichberechtigung so katastrophal? Weil unsere geburtenrate mehr gutausgebildete Fachkräfte erforderlich macht, wir aber unser altes Schulsystem behalten haben. Weil wir Auslände rund körperlich behinderte in der Schulbewertung ausgrenzen. Auf meiner Schule wollte man vor 5 jahren kein Mädchen annehmen, weil ihr eine hand seit der geburt fehlte. Sie könnte damit in Sport nicht alles machen. Das ist der Grund weshalb unsere Schulbildung furchtbar ist. Keine ausländische benachteidigten, armen Ausländer, die man auf seiner Schule nicht sehen will.

Gravatar: Lebeque

Zu: Jan Sen am: 9. Juli 2013/10:35 h

Immerhin: Die Reformpädagogik wurde oben von Jansen thematisiert. Sie, Jan Sen, waren es doch selber, der das Thema am 3. Juli aufgegriffen hat. Wenn Sie damit fortfahren wollen – da gäbe es noch sehr viel zu sagen - und mit "Vermengungen und absichtsvollen Verbindungen" hat das alles nichts zu tun. Wenn Sie schon Fragen zur Reformpädagogik stellen wollten, können eben auch deren Facetten nicht unberücksichtigt bleiben: Die Reformpädagogik ist ein "Gesamtkunstwerk", heute ein überwiegend von grenzenlosem Egoismus geprägtes Phänomen derjenigen, die sich mit ihrer Hilfe private Träume erfüllen, die sexuellen oder - viel eher noch - die finanziellen. Mit Kindern hat das alles längst nichts mehr zu tun.

Nun zum Text des empfohlenen Links:

Wer zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Textes wie Brügelmann schrieb:"Auch ich bin mit verantwortlich…", war spät dran. Spätestens 1999 war insbesondere allen in der reformpädagogischen Szene klar, dass Becker, der hochgeschätze Reformpädagoge, ein Verbrecher war (Siehe Gruschka/Füller!). Dennoch: Auch nachdem im März 2002 ein zweites Mal in der Presse über den Becker-Skandal an der Odenwaldschule berichtetet worden war, saßen, als ob nichts gewesen wäre, Becker und Brügelmann bereits am 15.10. 2002 wieder gemeinsam am "Runder Tisch Bildung" und standen der Hansestadt Bremen mit ihren Bildungsempfehlungen bei. Auch beim Bremer Bildungstag, am 06.02.2003 im Bremer Rathaus, demonstrierten Becker, Brügelmann und Harder wieder einmal ihre einvernehmliche Zusammenarbeit: Dr. Wolfgang Harder als Moderator, Prof. Dr. Hans Brügelmann als Referent mit dem Thema "Sprach- und Lesekompetenz und selbstständiges Lernen", Gerold Becker als Referent über das Thema "Bessere Bildung für ‘Risikogruppen‘ und Ausgleich von sozialen Benachteiligungen". Wer sollte das entschuldigen? Aus diesem Verhalten Brügelmanns ließen sich interessante Schlüsse ziehen.

Mindestens 6 Jahre (!) später, etwa 2009, gab es Brügelmanns 'Bekennerschreiben'. Da nahm die Skandalberichterstattung über die Odenwaldschule schon an Fahrt auf, und mit so was konnte man dann wohl doch nicht nicht länger warten.

Hier noch was zu Brügelmann/Zitat (http://www.odenwald-geschichten.de/?cat=66 /9. Juli 2010):

"In einem Kommentar auf Zeit.de wird nachgelegt:
-Der betroffene Leiter, der ein Missbrauchssystem von oben herab geschaffen hat, war Lebensgefährte des Pädagogen Hartmunt von Hentig. Wie weit war er ins System einbezogen?
-Es gab vielfältige übergreifende Kontakte zwischen den Spitzen der Reformpädagogik (Hentig, Gerold Becker, Enja Riegel, Reinhard Kahl, Hans Brügelmann): gemeinsame Symposien, Bücher, Gremien, Arbeit an Lehrplänen, auch nachdem die Missbrauchsfälle bekannt wurden. Welche Schlüsse muss man für die Reformpädagogik ziehen? Gab es hier ein Vertuschungssystem? Oder zumindest eine gemeinsame Kultur des Wegschauens?
-Es gab pädagogische Initiativen, die selbstbestimmtes Lernen und selbstbestimmte Sexualität zugleich in den Fokus nahmen. Was hat das unter dem Licht der Missbrauchsfälle zu bedeuten?
-Absolventen der Schule forderten just zu dem Zeitpunkt, als dort ein Missbrauchssystem herrschte, die Straffreiheit für sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen. Hat das eine mit dem anderen zu tun?"

Christian Füller schrieb in "Sündenfall" (2011) u. a. : "Die reformpädagogische Szene freilich scheute das Thema sexuelle Gewalt im Jahr des großen Missbrauchsskandals wie der Teufel das Weihwasser. Der Leiter der reformpädagogischen Arbeitsstelle »Blick über den Zaun« (BÜZ), Hans Brügelmann, etwa hielt es für geradezu absurd, nach dem Sündenfall an der Odenwaldschule Prinzipien in Frage zu stellen. Es sei »nicht zulässig, aus dem Fehlverhalten einzelner – wenn auch prominenter – Pädagogen pauschale Urteile über reformpädagogisch orientierte Einrichtungen und Initiativen abzuleiten.«

Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit gewesen, auch einmal diejenigen zu fokussieren, die sich mit anderen Interessen als den sexuellen der Reformpädagogik bedienten, etwa mit finanziellen. Dafür war aber Brügelmann sicherlich denn doch nicht der richtige Mann. Sich selber in den Fokus nehmen? Geht das wirklich?

Gravatar: Ursula Prasuhn

@Jan Sen bezügl. seiner Zeilen an Björn
Für mich besteht der wichtige Hinweis in der Tatsache, dass Menschenrechte frei interpretier- und verkündbar sind, je nach persönlichem Gusto und Politinteresse. Sie sind also menschengemacht und anfällig für Missbrauch.
Auf Grund attraktiver Gegenleistungen könnten sich Mitglieder des Menschenrechtsrates dafür hergeben, Rechte im Interesse fragwürdiger Auftraggeber zu beschließen, deren Wünsche somit rasch, elegant und vor allem widerspruchslos in Erfüllung gingen. Wer will schon gegen ein von der UNO ausgerufenes Menschenrecht argumentieren? Das hieße ja, sich an einer heiligen Kuh zu vergreifen – jedenfalls in unseren westlichen Staaten.
Andere haben da keine Schwierigkeiten, das zu missachten, was sie selbst beschlossen haben.
Es ist also durchaus wichtig, wer da im Menschenrechtsrat sitzt und über Rechte bestimmt, die weitreichende Folgen für jene Länder haben, in denen UNO-Beschlüsse kaum hinterfragt, sondern sklavisch befolgt werden, auch wenn der gesunde Menschenverstand streikt.
Und das tut er beim inklusiven Lernen in hohem Maße.
Für mich stellt die Gemeinschafts- bzw. Einheitsschule ein schreiendes Unrecht an jedem Kind dar – sei es behindert oder auch nicht. Und ich denke, dieses Unrecht wäre politisch kaum durchsetzbar gewesen, hätte ihm der Halbgott UNO nicht das verlogene Siegel eines Menschenrechts aufgeklebt.

Gravatar: Camiers

Zu: Jan Sen sagt am 7. Juli 2013 um 18:56:

Das passt zu Ihnen! Datum des Links, auf den Sie verweisen: 03.07.2013; Datum, an dem Sie auf die von Ihnen gewünschte "nüchterne und hochwertige Debatte" verweisen: 07.07. 2013. Das finden wir tatsächlich bei 'Bildungsklick' am 09.07.2013, 10.30 h: eine Stellungnahme der Professorin Martschinke & einen einzigen Kommentar folgenden Inhalts:

"Was soll denn dieser Wischi-Waschi-Artikel, der nicht Fisch ist und nicht Fleisch und jede Methode irgendwie berechtigt findet. Für mich steht eins fest: Das sog. "Lesen durch Schreiben" der vergangenen Jahre hat Lese- und Rechtschreibschwächen am Fließband produziert."

Jan Sen, lassen Sie sich bitte von irgendwem erklären, was eine Debatte ist!

Zu der dort sich äußernden Professorin Martschinke:

"Denn die Frage nach der richtigen Methodik für alle Kinder sei falsch gestellt."
So antworten sie alle, die Verfechter sog. moderner Schriftspracherwerbsmethoden! Damit haben sie vielleicht sogar Recht. Die Ergänzung müsste aber heißen: Es gibt aber auch falsche Methoden, nach denen Kinder es überhaupt nicht, oder nur unzureichend das Schreiben und Lesen lernen können, es sei denn, private Nachhilfe greift nebenher mit geeigneten Methoden ein.

Wenn Ute Andresen, auf die Sie ja nicht so gut zu sprechen sind, Brügelmanns, Brinkmanns und anderer - wie wohl auch Martschinkes - Schriftspracherwerbsdidaktik angreift als "ideologisch erstarrte Auffassung von modernem Grundschulunterricht, speziell zum Schriftspracherwerb", liegt sie völlig richtig. Brügelmann behauptete schon vor exakt 30 Jahren, die Rechtschreibung sei kein logisches System. Auf dieser Irrlehre Reichens, Brügelmanns, Brinkmanns et al. basiert die abenteuerliche und falsche Didaktik vom Schreibenlernen "nach Gehör" u. mit der Anlauttabelle. Seit inzwischen schon vielen Jahren gilt bei Linguisten die Annahme, dass das Schriftsystem komplex und unsystematisch sei, also die Rechtschreibung kein logisches System sei, "als einer der größten Irrtümer in der Geschichte der Sprachwissenschaft." (Primus 2012). Das ließe sich auch bei Eisenberg nachlesen. Da bräuchte man zusätzlich gar nicht mehr die Irrtümmer aufzeigen, die diesen Konzepten von der Hirnforschung vorgeworfen werden! Die "erstarrte" und inzwischen als schon von den Wurzeln her falsch geltende Lehre ist tatsächlich diejenige der Brügelmänner und Brinkmänner. Und wenn deren Kolleginnen, die Professorinnen U. Bredel, A. Müller und G. Hinney, betonen, dass es falsch sei, die Zeit der Grundschule als Schonzeit zu identifizieren, als Zeit des Spiels, der Kreativität oder des freien Lernens, haben sie damit ein weites Mal Recht. Wörtlich weiter: "Vielmehr kommt alles darauf an, die kognitiven Fähigkeiten der Grundschulkinder herauszufordern."

Würden sich Brügelmann, Brinkmann, Martschinke & Co. ihre Irrtümer eingestehen, müssten sie umgehend ihre gesamte Lehre samt der dazugehörigen Literatur und der dazu gebastelten teuren Schüler-Arbeitsmaterialien einstampfen. Daran, dass an dem Unterricht mit Schreibenlernen "nach Gehör" u. mit der Anlauttabelle Kinder leiden und Eltern darüber verzweifeln, verschwenden solche gewinnorientiert denkenden Pädagogen übrigens wohl keinen Gedanken.

Zu Martschinkes Behauptung, es fehlten experimentelle Untersuchungen, zum anderen erlaube die aktuelle Gemengelage von methodischen Varianten keine generellen Antworten:
Mit solchen Antworten versucht man, sich um die Tatsachen herumzumogeln. Es gibt in der Tat wenige Untersuchungen, aber bei allen waren die Ergebnisse eindeutig: "Lesen durch Schreiben" sowie die "Lesen durch Schreiben"-Derivate waren nach Klasse 4 noch nie vorne.

Noch dies: Leider habe ich bei der Speicherung dieser bezeichnenden Geschichte nicht die Quelle hinzugefügt. Es geht auch wieder um den Neo-Reformpädagogen Brügelmann, aber auch irgendwie um Sie, Jan Sen:

In einer Studie kurz nach dem Mauerfall wurden die Rechtschreibleistungen in BRD, DDR und Schweiz untersucht. Die Schweizer Vergleichsgruppe war ausschließlich nach der Methode 'Lesen durch Schreiben' von Reichen unterrichtet worden. In der Rechtschreibung schnitten seinerzeit DDR-Schüler nach der Grundschulzeit am besten ab, die Leistungen der BRD-Schüler und der Kinder aus der Schweiz lagen dicht beieinander. Die Wissenschaft ist allerdings nur wenig geneigt, diese Studie anzuerkennen, da die Stichproben nicht repräsentativ waren und die selbstkonstruierten Untersuchungsinstrumente nicht den üblichen Gütekriterien entsprachen. Grundschul-Sprachdidaktiker wie Prof. Schründer-Lenzen ziehen daraus den durchaus nachvollziehbaren Schluss, die Vertreter des Spracherfahrungsansatzes (= die Vertreter der unterschiedlichsten Konzepte von 'Lesen durch Schreiben') hätten die Ergebnisse dieses Vergleichs danach so gewichten können, dass man daraus eine Akzeptanz des Reichen-Konzepts ableiten konnte. Besondere Brisanz: Prof. Hans Brügelmann, Frontkämpfer für das Konzept 'Lesen durch Schreiben' /'Spracherfahrungsansatz'/'Freies Schreiben', war seinerzeit federführend an der Untersuchung beteiligt.

Gravatar: Jan Sen

Lieber Björn,

was ist daran der wichtige Hinweis?
Es ist sicher so, dass in diesen Staaten nicht alles aus unerer Sicht vieles nicht so läuft wie es laufen sollte, aber wird dadurch ein Beschluss entwertet, der Menschenrechte als Ziel festschreibt. Und was bedeutet die Ratifizierung durch den eigenen Staat. Nichts wert? Ein Anlass darauf zu pfeifen?

Lieber Lebeque

das ist das, was ich mit Vermenungen und absichtsvollen Verbindungen meine:
Ich habe nach diesem Hinweis
"Noch nach dem ersten Bekanntwerden des beckerschen Missbrauchssystems an der Odenwaldschule im Jahre 1999 demonstrierten beim Bremer Bildungstag, am 06.02.2003 im Bremer Rathaus, Becker, Brügelmann und Harder ihre einvernehmliche reformpädagogische Zusammenarbeit: Dr. Wolfgang Harder als Moderator, Prof. Dr. Hans Brügelmann als Referent mit dem Thema “Sprach- und Lesekompetenz und selbstständiges Lernen”, Gerold Becker als Referent über das Thema “Bessere Bildung für ‘Risikogruppen‘ und Ausgleich von sozialen Benachteiligungen”."
gesucht und bin bei einem Text von Hans Brügelmann fündig geworden:
http://www.blickueberdenzaun.de/images/stories/page/downloads/brue11.oso.komm.pdf

Es liest sich anders als "ihre einvernehmliche reformpädagogische Zusammenarbeit"...

Gravatar: Björn

@Ursula Prasuhn
Ihrem Rat folgend habe ich mir bei wikipedia die Zusammensetzung des UNO-Menschenrechtsrates angeschaut. Man muss etwas herunter scrollen, dann ist dort eine minutiöse Auflistung zu finden.
Gerhard Schröder würde wohl sagen: Lauter "lupenreine Demokraten".
Ich für meinen Teil sage: Nachdem ich sehen musste, wer dort Menschenrechte festlegt, pfeife ich auf die gutmenschliche Inklusion mit ihren hehren Parolen.
Danke für den wichtigen Hinweis!
http://de.wikipedia.org/wiki/UN-Menschenrechtsrat

Gravatar: Camiers

@ Oder ganz anders
Jansen halten Sie vor, er setze “Lesen durch Schreiben” und “Spracherfahrungsansatz” gleich. Was für ein Kampf! Beide Konzepte sind phonetisch orientierte Schriftspracherwerbskonzepte, das könnte man sich in der Fachliteratur erlesen.

Das Reichen-Konzept in seiner Reinform hat längst an Bedeutung verloren. Brügelmann entwickelte aus Reichens Lehre einst seine Lesen-durch-Schreiben-Version, die er aber lieber "Spracherfahrungsansatz" nennen wollte. Dafür hat er seine Gründe: Demjenigen, der an "Lesen durch Schreiben" denkt, fällt nämlich als Erstes "Rechtschreibkatastrophe" dazu ein. Brügelmann konnte allerdings nicht verhindern, dass seine spezielle neu entwickelte Version nun dennoch vorwiegend unter dem Namen "Lesen-durch-Schreiben" Verbreitung fand. Niemand kommt übrigens auf die Idee, zur Bezeichnung der "Spracherfahrungsansätze" von z. B. Scheerer-Neumann (1985) und Dehn (1988) als Synonym ebenso den Terminus "Lesen-durch-Schreiben" zu verwenden, das wäre auch sachlich unrichtig: Die synonyme Verwendung von "Lesen-durch-Schreiben" bleibt allein dem brügelmannschen Ansatz vorbehalten, obschon Brügelmann das ja nicht so sehr mag.

In diesem Zusammenhang ein Ausschnitt aus Brügelmanns Nachruf anlässlich des Todes Reichens:
"Mir persönlich haben Reichens Arbeiten damals geholfen das, was ich als Außenseiter am Schreibtisch gedacht hatte, entschiedener zu formulieren und trotz meiner Unsicherheit zu veröffentlichen. Reichen hatte seine Pädagogik und Didaktik im Schulalltag erfolgreich erprobt. Er konnte aus eigener Erfahrung zeigen, dass praktisch möglich war, was ich nur argumentativ begründen konnte."

Nun ja, das wurde schon gesagt, dass das Brügelmann-Konzept ein Schreibtischkonzept ist, dessen Urvater Reichen ist, das aber kaum eine ernst zu nehmende Verbreitung fand. Wissenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Brügelmann in Wirklichkeit noch viel radikaler und klarer als Reichen formuliert, die Rechtschreibung sei kein logisches System.(Brügelmann 1983, Kinder auf dem Weg zur Schrift) Diese falsche Annahme, die zum falschen Gebrauch der Anlauttabelle führt, ist übrigens üble Wurzel des brügelmannschen Ansatzes.

Der Grundschuldidaktiker Wilfried Metze ließ uns schon vor Jahren wissen:

"... gingen die beiden Ideen "Lesen-durch-Schreiben" und "Spracherfahrungsansatz" rasch eine enge Symbiose ein, die häufig als lernwegsorientiert bezeichnet wird. [.....] Die Kompatibilität mit dem Spracherfahrungsansatz wird geschaffen, indem den Kindern mit Hilfe der Verschriftungsmethode ein Werkzeug an die Hand gegeben wird, mit dem sie eigenaktiv ihre weiteren Lernprozesse gestalten können. Das „freie Schreiben“, das damit ermöglicht wird, war lange Zeit einer der Schlüsselbegriffe für den Reformansatz."

Und jetzt gut aufgepasst, Herr/Frau "Oder ganz anders", jetzt geht es zur Benennung des Spracherfahrungsansatzes!

Metze nämlich weiter: "Er wird häufig sogar als Synonym für die Methode "Lesen durch Schreiben" verwendet." Der Terminus "Sprachachererfahrungsansatz" als Synonym für "Lesen durch Schreiben"! Sie mögen das wohl auch nicht - wie Brügelmann.

Eine Vielzahl von Lehrern kennt heute nicht einmal mehr den Namen Reichen. Inzwischen ist der Terminus „Lesen durch Schreiben“ allerdings zu einem Sammelbegriff geworden für den Schriftspracherwerb ohne Fibel und mit offenen Unterrichtsformen bzw. für das sog. 'Schreibenlernen nach Gehör und mit der Anlauttabelle', also für die phonetisch orientierten Schriftspracherwerbskonzepte. Und dazu gehört auch der "Spracherfahrungsansatz" mit der von Brügelmann auf die Spitze getriebenen Formulierung, die Rechtschreibung sei kein logisches System: Die herbeifantasierte Begründung für das Phänomen "Lesen durch Schreiben" schlechthin.

Gravatar: Ursula Prasuhn

@Klaus Kolbe
Sie erwähnen ganz richtig zwei weitere Todsünden der Neo- Reformpädagogik:
1) die Rechtschreibreform, die das Gegenteil dessen bewirkte, was mit ihr erreicht werden sollte. Die Schüler wurden in der Rechtschreibung nicht besser, sondern deutlich unsicherer und schlechter.

2) die fortschreitende Zerschlagung des leistungsfähigen dreigliedrigen Schulsystems, die jetzt in den sog. Gemeinschafts- bzw. Einheitsschulen ihren Höhepunkt findet. Deren Ziel ist das inklusive Lernen, d. h. alle Begabungen werden gemeinsam in einer Klasse unterrichtet – bis hin zu geistig behinderten Kindern oder auch Schülern mit erheblichen Verhaltensproblemen, die jeden Unterricht zum Erliegen bringen können.

Um solchen Wahnsinn zu stoppen, sind m. E. ganz wesentlich die Eltern gefragt. Vor denen haben die Politiker Respekt, weil sie eine große Wählerschaft darstellen.
Wer genug Geld hat, kann auf Privatschulen ausweichen, doch es wäre sinnvoller, man torpedierte hier den pädagogischen Zeitgeist grundsätzlich – etwa durch Unterschriftensammlungen oder Protestmärsche.
Sowohl die lernstarken als auch die lernschwachen Schüler sind durch unterschiedliche Schulen, die auf sie zugeschnitten sind, weit besser bedient.

Und man lasse sich bitte nicht einreden, das inklusive Lernen sei ein von der UNO eingefordertes Menschenrecht. Rein äußerlich stimmt das zwar halbwegs, doch es lohnt sich, die Zusammensetzung dieses seltsamen Gremiums mal näher unter die Lupe zu nehmen. Dann wird jeder feststellen, dass die weit überwiegende Anzahl der Mitglieder aus Ländern kommt, in denen die einfachsten Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Viele Kinder – vor allem Mädchen – erhalten dort überhaupt keine Schulbildung.
Ich sehe die UNO schon seit längerem als einen fragwürdigen Lobbyverein, dessen Voten jedoch bei vielen Menschen als eine Wahrheit gilt, die über jeden Zweifel erhaben ist – so als bewege der liebe Gott dort die Gemüter.

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