Interview Ulrich Hartmann

Geografisch begrenzte Wirkung

Die Wirkung der europäischen Bankenunion ist begrenzt. Internationale Banken könnten ihr Geschäft verlagern. Schon in der Schweiz und Großbritannien gelten andere Regeln. Ullrich Hartmann, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei PriceWaterhouseCoopers, erachtet stattdessen globale Regeln zu den Eigenkapitalanforderungen als sinnvoll.

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Freiewelt.net: Herr Hartmann, braucht Europa nach der Finanzkrise eine Bankenunion?

Ullrich Hartmann: Rein fachlich betrachtet ist die Bankenunion grundsätzlich nicht unbedingt notwendig. Idealer wäre eine global einheitliche Regulierung der Banken, da die Bankgeschäfte heutzutage nun mal global sind. Es sollten weltweit einheitliche Regeln geschaffen werden, wie wir sie jetzt für die Eurozone erreicht haben, nämlich insbesondere eine bessere Eigenkapitalausstattung der Banken durch Vorgaben zu Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen. Die Wirkung der Bankenunion ist also geografisch begrenzt. In den USA und Asien können ganz andere Regelwerke gelten. Global aufgestellte Banken könnten ihre Geschäfte daher nach Asien oder in die USA verlagern, wenn die Regulierung dort nicht so streng ist wie in Europa.

Freiewelt.net: Die erste Säule der Bankenunion ist eine verbesserte Aufsicht der Banken durch die EZB. Kann die EZB dies leisten und welche Instrumente hat die EZB, auf die Banken einzuwirken?

Ullrich Hartmann: Rein formell betrachtet, ist es absolut richtig, dass die „Superaufsicht“ EZB dazu in der Lage ist. Die EZB hat alle notwendigen Instrumente – angefangen von Geldstrafen bis hin zum Abberufen der Geschäftsführung oder gar zur Schließung der Bank.

Freiewelt.net: Die Bankgläubiger müssen künftig fürchten, im Falle eines Bail-In ihre Gelder zu verlieren. Wird dies die Banken zu einer risikoärmeren Politik verleiten, da sie sonst immer fürchten müssen, dass ihnen die Kapitalgeber aus Angst vor einem Bail-In davonlaufen?

Ullrich Hartmann: Das ist das angestrebte Ziel des ganzen Regelwerks. Ob das wirklich so ist, muss sich erst zeigen.

Freiewelt.net: In welcher Reihenfolge müssen Anteilseigner und Gläubiger herangezogen werden?

Ullrich Hartmann: Es gibt eine genau festgelegte Reihenfolge, die geht über die einzelnen Eigenkapitalbestandteile, bis hin zu den nationalen Fremdkapitalgebern. Ausgenommen sind: Besicherte Schuldverschreibungen wie Pfandbriefe, Einlagen bis 100.000 Euro pro Sparer sowie Gelder für Angestellte, Lieferanten und Dienstleister.

Freiewelt.net: Was müssen Bankkunden mit Einlagen von über 100.000 Euro konkret befürchten?

Ullrich Hartmann: Im Zweifel kann ihnen das gleiche passieren wie in Zypern, nämlich dass Einlagen über 100.000 Euro nicht geschützt sind.

Freiewelt.net: Im ersten Schritt des Bail-Ins werden acht Prozent der Verbindlichkeiten der Bankbilanz „herangezogen“. Wie ist diese Zahl zu bewerten?

Ullrich Hartmann: Das klingt zunächst nach relativ wenig. Es handelt sich jedoch um eine gängige Größe in der Bankenregulierung, die zur Risikoabsicherung auch in anderen Bereichen herangezogen wird. Insgesamt stellen acht Prozent der Verbindlichkeiten für eine Bank eine beachtliche Größe dar.

Freiewelt.net: Genügen die ersten acht Prozent der Verbindlichkeiten nicht, werden bis zu fünf Prozent der Verbindlichkeiten vom Abwicklungsfonds getragen. Die Zielgröße des Fonds liegt bei 55 Mrd. Euro. Ist das nicht viel zu wenig – angesichts der Beträge, die 2008 und 2009 aufgewendet werden mussten?

Ullrich Hartmann: Das ist grundsätzlich richtig. Aber das Geld muss ja irgendwo herkommen. Die Banken können ja nicht von heute auf morgen 1.000 Milliarden Euro in den Fonds einzahlen. Das Geld muss erst erwirtschaftet werden. Insofern ist dies eine pragmatische Lösung.

Freiewelt.net: Was ist Ihrer Meinung nach der größte Vorteil der Regelung?

Ullrich Hartmann: Der größte Vorteil ist, dass jetzt – zumindest auf der Ebene der Euro-Zone – international einheitliche Regulierungsstandards aufgestellt wurden.

Freiewelt.net: Was ist Ihrer Meinung nach der größte Nachteil?

Ullrich Hartmann: Die Bankenunion ist auf die Euro-Zone begrenzt. Schon die Schweiz und Großbritannien können im Detail andere, abweichende Regelungen erlassen. Das schränkt natürlich die Wirkung ein.

Freiewelt.net: Herr Hartmann, wir danken für das Gespräch!

Ullrich Hartmann, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ist Partner bei PwC und leitet die Bereiche FS Risk & Regulation sowie FS EMEA Regulatory.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: FDominicus

Warum nur gibt es keine Bank in der EU oder USA die
a) Gold als Geld führt
b) die Maximal Sichteinlagen verleiht oder noch besser Sichteinlagenkonten als Anderkonto führt?

Warum brauche ich da eine weltweite Regulierung. Warum kann ich nicht eine Bank gründen die eine Goldgedeckte Währung ausgibt und die Sichteinlagen nicht verleiht oder nur genau dann wenn der Kunde zustimmt.

Nein,. es muß reguliert werden. um was mit den Regulierungen zu machen? Genau sei in die Tonne zu treten wenn's nicht so gut läuft.

Unser Geldsystem ist ein Betrug von Grund auf und Sie machen sich Gedanken um eine bessere Regulierung des Betrugs. Wie wäre es wenn man den Betrug ahnden würde.

Gravatar: delfi

Schon die bankenverursachte schwere Depression nach dem ersten Weltkrieg in USA hatte verheerende weltweite Auswirkungen.
Deshalb danke für den extrem wichtigen Hinweis auf die "Internationalität" (Globalisierung),
was auch die "europäische (deutsche) Stützung" ausländischer Banken zur "Rettung" Griechenlands zeigt.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren dass Merkel im Auftrag von "Goldmann Sachs" nach Griechenland gefahren ist. Das USA-Defizit ist das größte Damoklesschwert. Der Dollar ist damit nicht ewig zu halten. Insbesondere nicht mit Kriegsschiffen.

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