Interview mit Mathias von Gersdorff über Plinio Corrêa de Oliveira

»Ein Mann des Glaubens und des Gebets«

2015 jährt sich zum zwanzigsten Mal der Todestag des brasilianischen Journalisten und Schriftstellers Plinio Corrêa de Oliveira. Mathias von Gersdorff hat eine Biografie über ihn geschrieben.

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FreieWelt.net: Sie schreiben üblicherweise über Themen wie Lebensrecht, Familien- und Kinderschutz, Gender und so weiter. Wie kamen Sie dazu, eine Biografie des Brasilianers Plinio Corrêa de Oliveira zu schreiben?

Mathias von Gersdorff: Ich lernte Plinio Corrêa de Oliveira im Jahr 1990 persönlich kennen. In den Folgejahren habe ich ihn mehrmals gesehen und längere Gespräche mit ihm geführt. Mein Anfangsinteresse für ihn als Aktivist und Publizist galt dem Umstand, dass ich in den 1980er Jahren – also noch während des Kalten Krieges – Volkswirtschaft studierte und eine dezidiert antikommunistische Haltung hatte. Für mich war der Einsatz für den Schutz des Privateigentums sehr wichtig. Corrêa de Oliveira war damals einer der bekanntesten antikommunistischen Figuren weltweit. Manche seiner Schriften hatten sehr große Verbreitung, auch in Deutschland.

FreieWelt.net: Ihr Interesse für Corrêa de Oliveira galt also vor allem seinem Einsatz für das Recht auf Eigentum?

Mathias von Gersdorff: Das war der allererste Impuls. Doch wenn man ihn besser kennenlernte oder sich mehr in seine Schriften vertiefte, erfuhr man sehr schnell, dass er vor allem an die christliche Zivilisation glaubte und diese beziehungsweise die Reste, die von ihr in unseren Tagen noch übrig sind, vor der kommunistischen Gefahr verteidigen wollte. Corrêa de Oliveiras treibende Kraft war seine Liebe für die christliche Zivilisation und der Schutz gegen ihre Feinde. Heute würde er sicher gegen »Gender« und die Abtreibungsgesellschaft kämpfen.

FreieWelt.net: Der Untertitel des Buches lautet »Katholischer Streiter in stürmischer Zeit«. Was muss man sich darunter vorstellen?

Mathias von Gersdorff: Plinio Corrêa de Oliveira erlebte in seinem Leben ungeheure Katastrophen. Nur ein Beispiel: Er wurde als meistgewählter Abgeordneter in die Verfassungsgebende der Versammlung im Jahr 1933 gewählt und begann damit eine rasante Karriere als Person des öffentlichen Lebens. Im Grunde standen ihm alle Türen offen. Doch seine Feinde – Kommunisten, Faschisten und liberale Katholiken – schafften es, dass er alles verlor: Arbeit, publizistische Möglichkeiten, Prestige und so weiter. Mehrmals musste er solche Katastrophen überwinden. Diese Katastrophen waren aber ein Symptom der Erschütterungen in seinem Land, sowohl politisch als auch religiös.

FreieWelt.net: Brasilien war doch ein durch und durch katholisches Land. Wieso erfuhr er so viel Widerstand?

Mathias von Gersdorff: In Brasilien waren die linkskatholischen oder liberalen Strömungen innerhalb des Katholizismus schon in den 1940er Jahren sehr stark. Heute würde man diese Gruppen »Reformkatholiken« nennen. Die Probleme, die wir heute in der katholischen Kirche – insbesondere in Deutschland haben – waren schon damals sehr deutlich zu sehen. Corrêa de Oliveira vertrat eine Linie, die man heute als konservativ bezeichnen würde. Seine Strategie war, der Öffentlichkeit zu zeigen, was die liberalen Katholiken wirklich wollten: eine Schleifung der kirchlichen Hierarchie, eine Ausdünnung der Volksfrömmigkeit, eine Kumpanei mit der modernen Welt. Viele Menschen waren entsetzt über diese Entwicklungen. Dadurch machte er sich natürliche sehr viele Feinde, die ihn schließlich aus allen Ämtern beseitigten konnten. Das alles geschah bis 1947. Damals war er gerade 38 Jahre alt.

FreieWelt.net: Wenn der Linkskatholizismus so stark wurde, wie konnte er wieder als katholische Persönlichkeit aktiv werden?

Mathias von Gersdorff: Indem er seine eigenen Aktionsplattformen gründete. Man muss bedenken, dass durch den »Ruck nach Links« im brasilianischen Katholizismus viele ihre geistige Heimat verloren hatten, insbesondere viele Mitglieder der in Brasilien sehr starken marianischen Kongregationen. 1950 gründete er die Monatszeitschrift Catolicismo, die im ganzen Land Leserkreise bildete. So organisierten sich die konservativen Katholiken. Im Jahr 1960 ging daraus die »Brasilianische Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum« hervor. Aufgrund der massiven Bedrohung Brasiliens und Lateinamerikas überhaupt wurde diese Organisation sehr stark. Schnell schloss sie Allianzen mit ähnlich gesinnten in anderen Ländern, so dass sich ein internationales Netz konservativer Organisationen bildete.

Darüber hinaus entfaltete er eine große publizistische Tätigkeit. Bis zu seinem Tod 1995 schrieb er 16 Bücher, etwa 2.500 Artikel, hielt tausende von Vorträgen, schrieb eine kaum zu überblickende Anzahl von Briefen und sonstigen kleineren Texten. Hinzu kommen seine Kampagnen gegen die Liberalisierung der Scheidung, gegen das Vordringen des Kommunismus, für die Unabhängigkeit Litauens im Jahr 1990 und so weiter. All das leistete er mit geringer Unterstützung des Klerus und von Politikern.

FreieWelt.net: Wieso nahm er das alles auf sich? Woher nahm er die Kraft?

Mathias von Gersdorff: Plinio Corrêa de Oliveira war zuallererst ein Mann des Glaubens und des Gebetes. Daher kamen seine Überzeugungen, daher kam seine Kraft, daher kam seine Entschlossenheit. Nur weil er ein Mann des Glaubens und des Gebetes war, konnte er den vielen Stürmen in seinem Leben entgegnen. Er legte sich ganz in die Hände Gottes und der allerseligsten Jungfrau Maria. Deshalb ist er auch für uns, wie Kardinal Raymond Leo Burke in einem Kommentar für die Biografie schreibt, »auf so vielfältige Art und Weise ein Vorbild in diesen schwierigen Zeiten im Leben der Kirche.«

FreieWelt.net: Danke für das Gespräch.

Mathias von Gersdorff: Begegnung mit Plinio Corrêa de Oliveira – Katholischer Streiter in stürmischer Zeit. Patrimonium Verlag. ISBN: 978-3-86417-033-1. Hardcover. 154 Seiten. 14,80 Euro.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Thomas Waibel

Dr. Plinio war kein wahrer Katholik, sondern ein konservativer Modernist - wie Mathias von Gersdorff.

Gravatar: Thomas Waibel

Dr. Plinio vertrat häretische Vorstellungen von Kirche, Papst und Konzil.
Er war ebenso wenig katholisch wie Lefebvre, Schmidberger, Fellay und Williamson.

Gravatar: Thomas Waibel

Der Dr. Plinio, unter dem Vorwand, die TFP sei eine bürgerliche Bewegung, hat sich vor einer kritischen Auseinandersetzung mit der Konzilssekte und ihren "Päpsten" gedrückt.

Er kritisierte das "Konzil", weil dieses nicht den Kommunismus verurteilt hat, die "Befreiungstheologen" und die "Ostpolitik" von Paul VI. Mehr aber auch nicht.

Damit lenkte er vom Wesentliche ab, d.h. von der Tatsache, daß die Konzilssekte nicht die Kirche ist.

Gegenüber der "Messe" von Montini nahm er eine seltsame Position ein. Er lehnte diese ab, weil sie gefährlich für den Glauben und Rettung der Seelen ist, obwohl diese von Montini, die der Dr. Plinio stets als wahren Papst anerkannte, promulgiert wurde, aber zugleich erlaubte er seinen Anhägern in diesen "Messen" zu "kommunizieren".

Ebenso übernahm er modernistische "Reformen". Z.B. führte er, angeblich mit der Zustimmung von Dom Castro Mayer, in der TFP die "Kommunionhelfer" ein, d.h. Mitglieder der TFP durften die "Kommunion" den anderen Mitglieder spenden.

Die "Theologie" des Dr. Plinio war noch verworrener und häretischer als die von Lefebvre.

Dr. Plinio stand mit einem Fuß in der "vorkonziliaren" Kirche, also in der wahren Kirche, und mit dem anderen in der "nachkonziliaren" "Kirche, d.h. in der Konzilssekte.

Der Dr. Plinio, der in der Wahnvorstellung lebte, der Prophet der Muttergottes zu sein, war irgendetwas nur nicht katholisch.

Diesen Irr-Glauben haben seine Anhänger, darunter auch Mathias von Gersdorff, aufgenommen und propagieren ihn. Ich gehe davon aus, daß Mathias von Gersdorff an konservativen N.O.M.-"Messen" teilnimmt und in ihnen auch "kommuniziert".

Wenn Mathias von Gersdorff meint, ich würde mich irren, sollte er versuchen, diese Behauptungen zu widerlegen.

Gravatar: Teresa

Bei aller Liebe, aber ich (Muttersprache Portugiesisch) würde den Herrn Prof. Correia de Oliveira nicht als "konservativ", sondern als "erzreaktionär" bezeichnen. Er war ein Antiliberaler reinsten Wassers und viele Vertreter seiner Theorien in Brasilien stehen als Katholiken heute dem Williamson-Flügel der Piusbruderschaft und den Sedisvakantisten-Gemeinden nahe. Man kann sich sicherlich theoretisch über den Sinn oder Unsinn unterhalten, solche alternativen politischen Entwürfe in die heutigen Gesellschaften hineintragen zu wollen, unterhalten. In einem Land in dem inzwischen selbst ein Carl Schmitt oder das Ungarn des Herrn Orban auf dem ungeschriebenen Index der öffentlichen Meinung steht, bleibt soetwas die Schwärmerei und Nostalgie sehr kleiner Randgruppen.

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