Martin Hinzmann Sprecher der Generation Benedikt

»Die katholische Kirche bleibt sich treu« - Interview mit Martin Hinzmann

Benedikt XVI. hat überraschend seinen Rücktritt vom Papstamt angekündigt. Über die Bedeutung seines Pontifikates und die Perspektiven der katholischen Kirche sprach FreieWelt.net mit Martin Hinzmann (30); der seit 2010 Sprecher der Generation Benedikt ist. Hinzmann hat Geschichte und Öffentliches Recht studiert und arbeitet jetzt an seiner Dissertation.

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FreieWelt.net: Die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. hat alle überrascht. Hat der Hirte seine Herde im Stich gelassen?

Martin Hinzmann: Papst Benedikt hat sich seine Entscheidung nicht leicht gemacht, sondern mit sich und Gott gerungen und folgt – das geht aus seiner Ansprache klar hervor – seinem Gewissen. Das Gewissen ist nach katholischem Verständnis, mit dem 2. Vatikanischen Konzil gesprochen, das Heiligtum des Menschen, in dem er mit Gott allein ist. Wenn der Heilige Vater zur festen Gewissheit gelangt ist, sein Amt nicht weiter ausüben zu können, weil ihm die Kräfte ausgehen, dann ist das ohne Zweifel eine Entscheidung, die das Wohl der Kirche – und damit der Herde – im Blick hat. Er ist immerhin schon 85 Jahre alt und leistet seit acht Jahren einen Dienst, der ihm alles abverlangt. Das Papstamt fordert von seinen Inhabern heute mehr als früher. Das Oberhaupt der Katholischen Kirche steht unter andauernder öffentlicher Beobachtung und einem enormen Erwartungsdruck. Auch vom Papst wird heute erwartet, dass er in einem Umfang und auf Wegen kommuniziert, die vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbar waren.

FreieWelt.net: Ist Benedikts Rückzug vom Amt als Zeichen der Krise zu interpretieren?

Martin Hinzmann: Wir sind es aus der Politik gewohnt, einen Rücktritt vor allem als Niederlage und Ausdruck des Scheiterns zu sehen. Da liegt es natürlich nahe, auch in diesem Fall von Krise zu sprechen. Aber das sind nicht die Maßstäbe des Heiligen Vaters und der Kirche. Auch das hat Benedikt XVI. gemeint, als er 2011 in Freiburg von der Entweltlichung gesprochen hat. Er hat sein Amt als Dienst verstanden und es auch entsprechend ausgeübt. Deshalb wird sein Nachfolger von ihm auch ein geordnetes Haus übernehmen. In seinem Rücktritt sah er nun anscheinend den größten Dienst, den er unter den Umständen seiner gesundheitlichen Verfassung der Kirche erweisen könnte. Der Amtsantritt des neuen Papstes wird weltweit Freude auslösen. Ich bin sicher: auch bei Benedikt XVI.

FreieWelt.net: Was ist das größte Verdienst von Benedikt? Was lief während seiner Amtszeit nicht so gut?

Martin Hinzmann: Die Kirche ist zweitausend Jahre alt und denkt eher in Jahrhunderten als Jahrzehnten. Für eine abschließende Einordnung ist es viel zu früh. Zu den großen Errungenschaften seines Pontifikats gehört aber sicher, dass er der Anwalt der Vernunft war. Er hat gezeigt, dass das Zweite Vatikanische Konzil mit der katholischen Tradition in Einklang steht. Er hat die Ökumene und den Dialog zwischen den Religionen gefördert und die katholische Kirche für Anglikaner geöffnet. Das sind historische Verdienste. Er war es schließlich auch, der die notwendigen Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen der letzten Jahrzehnte gezogen hat. Mich persönlich hat seine Vision einer entweltlichten Kirche tief beeindruckt, das ist geradezu prophetisch und wird noch lange nachwirken – gerade auch hier bei uns in Deutschland.

Sicher ist auch manches nicht so gelaufen, wie es sich der Papst selbst gewünscht hat. Er hat in seinen Interviews ganz offen davon gesprochen. Ich persönlich denke: Wir können als Kirche noch viel dazu lernen, wenn es um den Umgang mit der medialen Welt von heute geht. 

FreieWelt.net: Wie ist das Verhältnis der Deutschen zu »ihrem« deutschen Papst zu beurteilen?

Martin Hinzmann: Es war sicher übertrieben, von einer allgemeinen Zuneigung der Deutschen zu Benedikt XVI. zu sprechen. Aber das ist auch nicht der richtige Maßstab. Im eigenen Land hat es der Prophet bekanntlich schwer. Trotzdem habe ich in den letzten acht Jahren viele Menschen getroffen, die begeistert von ihm waren – vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Auch viele, die seinen Glauben nicht teilen, schätzen ihn doch als klaren Denker, der zuhören kann und etwas zu sagen hat. Der Bundespräsident hat sicher nicht zufällig von Benedikts Weisheit und Menschenfreundlichkeit gesprochen. Wer weiß, vielleicht macht der Rücktritt jetzt auch irgendwie neugierig auf diesen Papst. Es wäre zu hoffen – mehr für die Deutschen als für den Papst.

FreieWelt.net: Am 28. Februar tritt Benedikt von seinem Amt zurück. Was passiert dann mit der Generation Benedikt?

Martin Hinzmann: Im Moment geht es uns nicht um die Zukunft der Generation Benedikt. Es geht um die Zukunft der Kirche. Und es geht uns darum, diesen großen Papst und sein großes Pontifikat zu würdigen. Letztlich setzen wir damit unsere Arbeit aus den letzten Jahren fort: Wir haben in den vergangenen acht Jahren mit sehr geringen Mitteln ein internationales Netzwerk aufgebaut, ein Buch von jungen Menschen gemeinsam mit dem Papst veröffentlicht, Workshops in ganz Deutschland zu den unterschiedlichsten Fragen des Glaubens veranstaltet und bei zahlreichen öffentlichen Auftritten unserem Glauben und der Kirche ein junges und authentisches Gesicht gegeben. Der große Zuspruch, den wir dabei nicht zuletzt auch von jungen Menschen erfahren haben, die dem katholischen Glauben fernstehen, bestärkt uns in der Einschätzung, dass ein Netzwerk wie die Generation Benedikt gebraucht wird. Wie es dann konkret weitergeht, werden wir in aller Ruhe entscheiden. In den kommenden Wochen sind wir natürlich erst einmal wie alle gespannt, wer der neue Papst wird.

FreieWelt.net: Was erwarten Sie von Benedikts Nachfolger?

Martin Hinzmann: Papst Benedikt ist ein großer Papst. Das macht es für seinen Nachfolger nicht unbedingt leichter. Aber das hat man auch nach dem Tod von Johannes Paul II. gesagt – und Benedikt XVI. hat dann viele mit seinem Auftritt überrascht. Einen grundsätzlichen Kurswechsel erwarte ich nicht. Die katholische Kirche wird sich auch unter dem neuen Papst treu bleiben und damit denen Heimat und Orientierung geben, die auf der Suche nach Gott sind. Das alleine ist Erwartung genug an Benedikts Nachfolger.

FreieWelt.net: Vielen Dank für das Gespräch!

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