Interview mit Prof. Dr. Helga Luckenbach
Die Gründung der Alternative für Deutschland war eine Reaktion auf das Unvermögen der Politik, die selbstverschuldete Eurokrise zu lösen. FreieWelt.net sprach mit Professor Helga Luckenbach, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der AfD, über den Ursprung des Euro-Desasters und die Vorschläge der AfD zur Zukunft des europäischen Währungsgebiets.
FreieWelt.net: Die AfD wurde als Reaktion auf die fortdauernde Krise der Europäischen Währungsunion gegründet. Bitte erklären Sie, wie es zu dieser Krise gekommen ist.
Helga Luckenbach: Die Bildung der EU wurde im Dezember 1991 von den Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedsländer in Maastricht beschlossen und am 7. Februar 1992 durch Unterzeichnung des Vertragswerks besiegelt. Dabei ist festgelegt worden, dass die EU auf drei Säulen ruhen soll: der ökonomischen Integration (realökonomisch und monetär), der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Zusammenarbeit auf den Gebieten Justiz und Inneres.
Bisher hat sich die EU überwiegend dem Ausbau der ersten Säule gewidmet. Dabei stand zunächst die realökonomische Integration im Vordergrund, die schließlich zur Bildung eines gemeinsamen Marktes führte. Im Vertragswerk von Maastricht war vorgesehen worden, die realökonomische Integration durch die sogenannte monetäre Integration zu ergänzen, die in der zum 1. Januar 1999 errichteten Europäischen Währungsunion (EWU) gipfelte. Zusammen mit dem Gemeinsamen Markt stellt die EWU eine Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) dar.
FreieWelt.net: Aber die EWU hat doch unbestreitbare Vorteile gebracht, oder?
Helga Luckenbach: Die EWU hat – wie jede Währungsunion – zwei Vorteile: Erstens bedeutet die gemeinsame Währung, dass mit dem Verzicht von bislang 17 EU-Ländern auf ihre eigene Währung auch Wechselkursänderungen zwischen diesen Währungen entfallen, gegen die man sich allerdings absichern kann. Zweitens erübrigen sich die Kosten des Geldumtauschs, so genannte Transferkosten, die wegen ihrer vergleichsweise geringen Höhe auch als Schuhsohlenkosten bezeichnet worden sind.
Diesen beiden durchaus nicht umwerfenden Vorteilen der EWU stehen zwei gravierende Nachteile gegenüber: Erstens ist durch die Abschaffung von 14 nationalen Währungen auch der (institutionelle) Wettbewerb um Preisstabilität unterbunden worden, der bisher unter den nationalen Notenbanken stattgefunden hatte. Er ist nunmehr durch das Euro-Angebotsmonopol der EZB ersetzt worden, wodurch Gefahren für die Preisniveaustabilität in Europa entstanden sind. Zweitens kann die EZB – anders als vorher die nationalen Zentralbanken - nicht mehr für jedes Land eine maßgeschneiderte und somit passende Geldpolitik bereitstellen. Stattdessen gibt es nur noch eine einheitliche Geldpolitik für alle EWU-Länder, die im Regelfall für keines dieser Länder passend ist, wodurch Gefahren für die interne und externe Stabilität eines jeden EWU-Landes entstanden sind.
Beide Nachteile sind Fachleuten bekannt und sollten auch Politikern und ihren Wählern geläufig sein. Immerhin hatten die Politiker bereits in Maastricht versprochen, beitrittswillige Länder erst dann zur EWU zusammenzuschweißen, wenn sie sich einander angeglichen hätten und somit das Kleid in der geldpolitischen Einheitsgröße jedem Land passen würde. Zur Bekräftigung ihres Versprechens formulierten die Politiker monetäre und fiskalische Konvergenzkriterien (die so genannten Maastricht-Kriterien), welche die beitrittswilligen Länder spätestens zum Zeitpunkt ihres jeweiligen EWU-Beitritts erfüllen sollten. Durch die Respektierung dieser Kriterien hätte das derzeitige EWU-Fiasko vermieden werden können. Die Politiker haben es jedoch versäumt, die Konvergenzkriterien anzuwenden und haben damit das Fiasko verschuldet.
FreieWelt.net: Wie kam es zu der fatalen Vernachlässigung der Konvergenzkriterien?
Helga Luckenbach: Unüberlegterweise hatten die Politiker den Beginn der EWU auf den 1. Januar 1999 festgelegt, ohne abzuwarten, ob die beitrittswilligen Staaten bis zu diesem Zeitpunkt die Konvergenzkriterien hätten erfüllen können. Da das Zustandekommen der EWU nach Ansicht der Politiker keinesfalls an der Nichterfüllung der Konvergenzkriterien scheitern sollte, wurden die beitrittswilligen Länder großzügig durchgewinkt, das heißt die Erfüllung der ohnehin sehr weich formulierten Kriterien wurde großherzig bestätigt, sofern die Länder wenigstens in Aussicht stellten, sie später einmal erfüllen zu wollen. Damit verhalfen die Politiker einer EWU ins Dasein, die mit einem tödlichen Geburtsfehler versehen war: der Heterogenität ihrer Mitgliedsländer.
FreieWelt.net: Diese Heterogenität lässt manche fordern, das Euro-Währungsgebiet aufzulösen. Wäre das sinnvoll?
Helga Luckenbach: Nein. Nicht die Auflösung der EWU ist zu fordern, sondern die Behebung ihres Geburtsfehlers; das heißt, die Homogenisierung ihrer Mitgliedsländer ist unerlässlich.
FreieWelt.net: Welche Wirkungen erzeugt eine Währungsunion, an der sich unterschiedlich starke Volkswirtschaften beteiligen?
Helga Luckenbach: Wenn inhomogene Länder zu einer Währungsunion zusammengebunden werden, dann entsteht eine Situation, in der die bisherigen Hochzinsländer (zum Beispiel im Süden) am Kapitalmarkt plötzlich in den Genuss günstigerer Kreditzinsen kommen, weil sie von der größeren Bonität anderer EWU-Länder (zum Beispiel im Norden) profitieren. Dies veranlasste Griechenland und andere Peripherieländer der EWU dazu, ihre Kreditaufnahme außerordentlich stark auszuweiten, ohne Vorsorge für die Rückzahlung der Kredite zu treffen, was durch investive Verwendung der aufgenommenen Kredite möglich gewesen wäre. Da jedoch die Kredite vor allem auch in Griechenland konsumtiv verwendet wurden (zum Beispiel via Lohnsteigerungen, die nicht mit Produktivitätssteigerungen einhergingen), folgten in diesen Ländern Preissteigerungen und der Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Eine Bedienung der Kredite wurde damit – ohne weitere Kreditaufnahme – unmöglich.
Angesichts der Wettbewerbsschwäche Griechenlands war für die potentiellen Kreditgeber auf den Kapitalmärkten spätestens im Frühjahr 2010 offensichtlich, dass Griechenland (und einige andere Peripherie-Länder der EWU) nicht nur illiquide, sondern insolvent waren. Sie konnten deshalb zusätzliche Kredite nur noch zu stark gestiegenen Zinsen erhalten, die zum Beispiel in Griechenland nahezu jenem Zinsniveau entsprachen, welches dort vor dem EWU-Beitritt bestand. Für sich genommen sind diese Zinssteigerungen der notwendige Anreiz, um die durch Gedankenlosigkeit verspielte Wettbewerbsfähigkeit zurück zu gewinnen, was grundsätzlich auf zwei Wegen möglich ist: Zum einen kann Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit durch Kosten- und Preissenkungen wieder erlangen; diese so genannte interne Abwertung ist der schwierigste und langwierigste Weg. Zum anderen kann Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit durch den (zumindest zeitweiligen) Austritt aus der EWU und Abwertung seiner Inlandswährung wiedererlangen; diese so genannte externe Abwertung ist der leichtere und schnellere Weg zum Ziel.
FreieWelt.net: Ist nicht angesichts dieser Situation die so genannte (Griechenland)-Rettungspolitik ein Segen?
Helga Luckenbach: Nein, ganz im Gegenteil! Erstens hat die Rettungspolitik das Ziel, das insolvente Land (zum Beispiel Griechenland) davon abzuhalten, aus der EWU auszutreten; sie nötigt damit Griechenland zu dem Versuch, seine Wettbewerbsfähigkeit durch interne Abwertung wieder zu gewinnen (was die dortige Bevölkerung verständlicherweise auf die Straße getrieben hat). Zweitens setzt die Rettungspolitik Fehlanreize, indem sie Liquidität »am Markt vorbei« zur Verfügung stellt.
FreieWelt.net: Seit wann gibt es die Rettungspolitik und wie setzt sie sich zusammen?
Helga Luckenbach: Die offizielle Rettungspolitik setzte im Frühjahr 2010 ein und wird seither von der EZB und von den (noch) solventen EWU-Staaten getragen. Daneben gibt es einen inoffiziellen (und quasi unbeabsichtigten) Vorläufer der offiziellen Rettungspolitik, der seit der zweiten Hälfte des Jahres 2007 beobachtet werden kann.
Die offiziellen Rettungsaktivitäten der EZB umfassen vor allem Käufe von Staatsanleihen. Zunächst wurden (im Rahmen des so genannten Securities Market Programm SMP) bis Anfang März 2010 Staatspapiere im Wert von 219 Milliarden Euro erworben, davon 27 Prozent (59,13 Milliarden Euro) durch die Deutsche Bundesbank. Inzwischen kommt die EZB den Schuldnerstaaten durch de facto unbegrenzte Finanzierungszusagen entgegen, die EZB-Präsident Mario Draghi im Sommer 2012 gab (im Rahmen der so genannten Outright Monetary Transactions) und in diesen Tagen bekräftigte.
Die offiziellen Rettungsaktivitäten der (noch) solventen EWU-Staaten begannen im April 2010, als das erste Rettungspaket für Griechenland geschnürt wurde. Dabei wurden kurz- und langfristige Kreditgewährungsmechanismen installiert, die seither unter dem Begriff Euro-Rettungsschirm zusammengefasst werden. Im Rahmen dieser Rettungsschirme haftet Deutschland mit derzeit 655 Milliarden Euro.
Der inoffizielle Vorläufer der offiziellen Rettungspolitik, von dem diese bis heute begleitet wird, ist in den Target-Krediten zu sehen, die sich ab der zweiten Hälfte 2007 innerhalb des EZB-Systems aufbauten und sich als inoffizielle Unterstützung der Krisenländer erwiesen haben. Für die Deutsche Bundesbank resultiert daraus eine Verpflichtung, die derzeit 600 Milliarden Euro beträgt.
Der zweite Teil des Interviews folgt morgen.
Kommentare zum Artikel
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Beim Staatsaufbau waren regelmäßig große Pfuscher und Heuchler am Werk, die nur an ihr Wohlbefinden und ihre edle Natur gedacht haben! Wegen der im Grunde edlen menschlichen Natur sei das demokratische Prinzip ausreichend, um den Machtmissbrauch von Herrschenden zu verhindern, weil diese ja verpflichtet sind, sich an Verfassung, Gesetz und Recht zu halten (vgl. http://www.gewaltenteilung.de/tag/demokratieprinzip). Vordenker der Gewaltenteilung wie Montesquieu, Beccaria und Locke hatten schon vor Jahrhunderten die Tyrannei für unerträglich gehalten. Beccaria warnte davor, dass der Bürger als Sklave auslegungswütiger Richter einer Vielzahl "kleiner Tyrannen und Unterobrigkeiten" ausgeliefert sei. Genau das haben wir. Der Rechtsstaat wird nur vorgeheuchelt. Schon in Schulen und Universitäten werden Heranwachsende skrupellos irregeführt, denn die dort verbreiteten Lehren zum Grundgesetz sind irreführend, weil obrigkeitsstaatliche Strukturen beibehalten wurden (vgl. http://www.gewaltenteilung.de/idee). Obrigkeiten halten beim Rechtsmissbrauch zusammen. Gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen bis zu den Petitionsausschüssen, dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fehlt wegen Interesse an Verdrehung von Tatsachen und der Rechtslage zumeist eine plausible Begründung, oft sogar die Sachbezogenheit. Einzelfallgerechtigkeit gibt es selbst in schwersten Fällen für die meisten Betroffenen nicht. Das bedeutet, sie sind hilflos der Willkür des Staates und den schweren Folgen dieser Willkür ausgeliefert. Der Schutz des Grundrechts steht zwar auf dem Papier, wird aber in der Praxis weitgehendst ignoriert (von http://unschuldige.homepage.t-online.de/). Sogar von ehemaligen Richtern bzw. Juristen wird bestätigt, dass Rechtsbrüche und Rechtsbeugungen in der BRD systemkonform sind. Genauere Informationen zu Tyrannisierung der Bürger z.B. unter http://www.odenwald-geschichten.de/?p=682, http://www.odenwald-geschichten.de/?p=1740, http://www.hoerbuchkids.de/hu/mr/homepage/justiz/info.php?id=134, http://www.justice.getweb4all.com/rolf_bossi.php und http://www.justizkacke.de/juristenzitate.htm.