FreieWelt.net: In letzter Zeit hört man immer wieder von »Seltenen Erden«. Dass man darin keine Blumen pflanzen kann, vermute ich zumindest. Können Sie mich darüber aufklären, was das genau ist?
Jörg Reichert: Bei den Seltenen Erden, bzw. Seltenerdelementen (SEE), handelt es sich um eine Gruppe von Metallen mit sehr ähnlichen chemischen Eigenschaften, so dass sie in der Natur meist immer zusammen vorkommen. Die Seltenen Erden sind aber gar nicht so selten wie Ihr Name suggeriert. Die Namensgebung geht auf die Frühphase der chemischen Analytik zurück. Zu jener Zeit waren die Seltenen Erden nur schwer herstellzustellen und noch schwerer nachweisbar. Hinzu kommt, dass Oxide damals im Allgemeinen, quasi als Fachbegriff in der chemischen Terminologie, als »Erden« bezeichnet wurden. All dies hat zur Namensgebung beigetragen. Dennoch, aufgrund des ausgeprägt immobilen chemischen Verhaltens der Seltenen Erden reichern sich diese nur schlecht an und bilden keine hoch-gehaltigen Lagerstätten, wie man dies von anderen Metallen kennt. Das Resultat davon ist, dass diese Metalle zwar überall in geringen Konzentrationen vorkommen, selten aber jedoch Abbauwürdig sind. Die besonderen chemischen Eigenschaften der Seltenen Erden haben weiterhin zur Folge, dass die Gewinnung technisch aufwendig und kostspielig ist.
FreieWelt.net: Welche Rolle spielt China, von dem man öfter mal etwas im Zusammenhang mit Seltenen Erden liest, auf dem Weltmarkt? Sind Seltene Erden in allen Weltregionen zu finden?
Jörg Reichert: Der Weltmarktanteil Chinas im Segment der SEE betrug im vergangenen Jahr etwa 92 Prozent von insgesamt etwa 95.000 Tonnen produzierten Seltenen Erden. Durch diese Quasi-Monopolstellung bestimmt das Land Preis und Verfügbarkeit dieser industriell wichtigen Elemente.
Natürlich sind Lagerstätten der Seltenen Erden auch außerhalb Chinas bekannt und werden seit einigen Jahren durch Explorationsunternehmen verstärkt erkundet. Diese Betriebsamkeit bei der Entwicklung neuer Lagerstätten außerhalb von China ist als eine direkte Reaktion auf die 2010 temporär stark reduzierte chinesische Exportquote zu sehen. Damals ging die Verknappung mit einer explosionsartigen Preiserhöhung der SEE einher. Zwei westlichen Unternehmen, Molycorp (USA) und Lynas (Australien), gelang es im Zuge der Hochpreisphase, die Produktion Seltener Erden aufzunehmen, so dass China etwa 5 bis 6 Prozent Marktanteil eingebüßt hat. Mittlerweile hat China den Export jedoch wieder normalisiert und die Preise der Seltenen Erden haben stark konsolidiert. Als Resultat stehen – gemäß ihrer öffentlichen Bilanzen – Molycorp und auch Lynas vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen, und es ist ungewiss, ob diese gemeistert werden können. Aus diesem Grund fokussiert sich die Seltenerden Storkwitz AG auf preiswertere und nachhaltigere Prozesse, um die Seltenen Erden wirtschaftlich zu gewinnen.
FreieWelt.net: Welche Bedeutung haben die Seltenen Erden für die deutsche Industrie? In welchen Branchen werden sie am meisten gebraucht?
Jörg Reichert: Da es sich um eine Gruppe mit vielen Elementen handelt, kann man dies nicht pauschalisieren. Jedes Element hat seine spezifischen Eigenschaften. Allen gemein ist, dass sie meist in High-Tech-Bereichen Anwendung finden. Sei es für Hochleistungsmagnete, LED Beleuchtungen, Laser und in der Elektronik und Solarindustrie.
Für Ihre Anwendung ist die Trennung und Raffinierung der Seltenen Erden in reine Einzelelemente eine Grundvorrausetzung für die technische Anwendung. Aber gerade diese Trennung der Seltenen Erden ist aufgrund der sehr ähnlichen chemischen Eigenschaften sehr kompliziert und kostspielig.
FreieWelt.net: Was würde passieren, wenn die Zufuhr von Seltenen Erden nach Deutschland nachlässt oder ganz aufhört? Auf was müssten wir dann verzichten?
Jörg Reichert: Dass die Verfügbarkeit der Seltenen Erden über einen längeren Zeitraum gänzlich zum Erliegen kommt, stellt ein Worst-Case-Szenario dar, das sicher nicht eintreten wird. Die Umsetzung von Technologieprojekten würde durch eine begrenzte Verfügbarkeit sicher gehemmt werden, und die Preise für Elektronikprodukte würden steigen.
FreieWelt.net: Gibt es Alternativen, mit denen man Seltene Erden im Notfall ersetzen kann?
Jörg Reichert: Die Möglichkeit der Substitution der Seltenen Erden durch ein billigeres und besser verfügbares Element oder Metall ist abhängig von der Art der Anwendung. So ist bekannt, dass während der Hochpreisphase Spezialpoliermittel aus Seltenen Erden, welches beispielsweise zur Herstellung von hochglänzenden Displays von Smartphones oder für Optiken verwendet werden, massiv durch billigere Poliermittel mit geringfügig schlechteren Eigenschaften ersetzt wurde. Es existieren aber auch viele Anwendungen, bei denen eine Substitution der Seltenen Erden mit massiven Qualitätseinbußen verbunden wäre. Als Beispiel seien hier die SEE-Hochleistungspermanentmagnete genannt. So existieren durchaus alternative Magnetwerkstoffe, die jedoch deutlich schlechtere Leistungsmerkmale aufweisen. Aus diesem Grund müsste eine größere Masse des minderwertigen Magnetes für die gleiche Leistung eines SEE-Hochleistungsmagneten eingesetzt werden.
FreieWelt.net: Was könnte die Bundesregierung tun, um die Zufuhr von Seltenen Erden zu gewährleisten? Um die Frage ein wenig zuzuspitzen: Gehören Seltene Erden zu den Rohstoffen, um die eines Tages Kriege geführt werden?
Jörg Reichert: Sowohl die Bundesregierung als auch die EU haben frühzeitig das Problem erkannt und eine Liste von wirtschaftsstrategischen Elementen erarbeitet, zu denen auch die Seltenen Erden zählen. Basierend auf dieser Liste werden gezielt Forschungsprojekte finanziert, die das Ziel haben, die Importabhängigkeit von diesen Elementen zu reduzieren. Dies kann durch neue Technologien im Bereich des Recyclings, der Substitution oder durch neue Gewinnungsmethoden von bekannten Lagerstätten geschehen. Weiterhin hat die Deutsche Rohstoffagentur in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein Explorationsförderprogramm initiiert, das die Erkundung von Lagerstätten von wirtschaftsstrategischen Elementen unterstützen soll. Somit existieren bereits viele gute Ansätze, deren industrielle Umsetzung allerdings noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird.
Die Verfügbarkeit und der Preis der Seltenen Erden wird vom Quasi-Monopolisten China bestimmt. Was genau China beabsichtigt und welche Strategie es verfolgt, ist nicht ganz leicht zu ergründen. Eine häufige Spekulation von Experten des Weltmarktes der Selten Erden ist, dass China versucht, die weiterführende Verarbeitung der Seltenen Erden – zum Beispiel die Herstellung von Hochleistungsmagneten oder von Endprodukten wie Generatoren von Windkraftanlagen, die große Mengen an Hochleistungsmagneten benötigen – im eigenen Land zu binden. Jedenfalls kann China als eine extrem exportorientierte Volkswirtschaft selbst im schlimmsten aller Fälle nicht an einem Krieg interessiert sein.
FreieWelt.net: Vielen Dank für das Interview.
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Deutschland hat ein Monopol auf lächerliche Staats Führung.