Winner Takes All
Erster Mai. In Österreich wird vielerorts der alte Brauch des „Maibaumkraxelns“ gepflegt. Auch in meinem Wohnort hat das Fest heute stattgefunden, wider Erwarten bei Sonnenschein und bester Laune.
Wenn der Maibaum endlich steht – er wird wie in vormaschinellen Zeiten von Männern mit Stangen Stück für Stück in die Senkrechte geschoben, kommen die Klettermaxen an die Reihe. In der luftigen Höhe von etwa 10 Metern baumelt ein grüner Kranz, von dem etwa ein halbes Dutzend Briefchen flattern. Das sind die Preise. Wer es schafft, bis hinaufzuklettern, darf sich ein Briefchen vom Kranz pflücken. Das Klettern auf dem glatten Holz ist anstrengender als es aussieht, nur durchtrainierte, schlanke junge Burschen schaffen das. Der zweite Kletterer ist ein sehniger Athlet, der im Nu oben ist. Er nimmt sich dafür gleich drei Briefchen vom Kranz. Niemand kritisiert das. Alle klatschen. Was soll man im Nachhinein auch schon sagen, wenn im voraus keine Regeln vorgegeben werden und man auf die Selbstzucht von Menschen hofft.
Jedem wohl und keinem wehe
Auch Kinder dürfen sich beim Klettern versuchen. Die rote Linie in etwa 4 Metern Höhe markiert die unterste Grenze, die erreicht werden muß, um eine Prämie zu bekommen. Der Preis besteht wie jedes Jahr in einer Tafel Schokolade. Doch in diesem Jahr gibt es eine andere Verfahrensweise: jedes Kind bekommt den Preis. Es ist völlig gleichgültig, ob die rote Linie berührt wurde oder nicht. Selbst wenn das Kind nur für einen Moment lang den Baumstamm umfaßt hat, bekommt es die Tafel Schokolade und wird gelobt. Der Wille gilt fürs Werk. Ach, wenn es doch im normalen Alltag auch so wäre …
Zwei Vorkommnisse im Rahmen einer Brauchtumsfeier am ersten Mai. Belanglos, ja banal auf den ersten Blick, vielsagend auf den zweiten. Denn in beiden Fällen wird ein tragendes Kulturprinzip verletzt: das Wettbewerbs- oder Leistungsprizip. Der Verzicht auf konsequentes Anwenden von Spielregeln behindert jeden Wettbewerb und macht persönliche Leistung zur Farce.
Im ersten Fall profitiert der zuerst kommende, rücksichtslose „Abräumer“, im zweiten Fall profitieren die absoluten Nieten.
Feigheit, um notwendige Regeln durchzusetzen sowie Humanduselei Kindern gegenüber erzeugen auf die Dauer Unzufriedenheit und Langeweile unter den Menschen.
Kommentare zum Artikel
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Da spinnen Sie sich wieder was zusammen! Haben Sie Kinder? Wenn ja, dann müssten Sie wissen, wie reizvoll und sinnvoll die Kletteraufgabe für Kinder ist, aber nur, wenn sie nicht entwertet ist durch Schokolade für alle, egal ob sie die Aufgabe erfüllen oder nicht.
Kinder und ihre wichtigen Erfahrungen durch Spiel und Sport scheinen Ihnen so fremd zu sein, dass Sie künftig besser schweigen, wenn von ihnen die Rede ist..
Vor lauter Eifer merken Sie gar nicht, was der Ausgangspunkt war: Ein sinnfreier Wettbewerb, bei dem anschließend allen Kindern eine Tafel in die Hand gedrückt wurde - man kann dies auch ironisch auslegen als Dank der Erwachsenen an die Kleinen, dass Sie den Unsinn zur Belustigung der Umstehenden mitgemacht haben.
Diesen Kontest nun, und das habe ich von Beginn an so ausgeführt, als ein Beispiel für ein Missverhältnis von Anstrengung und Lohn in der heutigen Kindererziehung darzustellen, bleibt für mich weiterhin höchst fraglich.
Bert E. Wilhelm sagt:
7. Mai 2014 um 12:15
"Melanie,
da sehen Sie es selbst! Sie hatten es versucht und waren gescheitert. Dann wurden Sie roh angesprochen – und prompt geht es Ihrem Seelenleben nicht gut! Für wessen These spricht das nun? Wohl nicht für Ihre, sondern für meine.
Beste Grüße"
Herr Wilhelm.
nun befand sich Melanie ja nicht in einem Rechtschreibwettbewerb und Sie sind nicht derjenige, der orthographische Kenntnisse mit der Fähigkeit Kinder zu erziehen in Beziehung zu setzen hätte. Das ist doch unterstes Niveau. Insofern taugt Ihre 'Demonstration' nichts und zeigt, wie Melanie schon richtig mit ihrem ironischem Kommentar erfasst hat, dass Sie sich selber ad absurdum geführt haben.
Für Kinder Grenzen aufzuzeigen und erfahrbar zu machen ist grundsätzlich etwas anderes als sie bei fehlenden Fähigkeiten in wichtigen Teilbereichen des Lebens - wie der Kindererziehung - zu Lebensversagern zu erklären. Kinder gehässig abzukanzeln liegt nicht im Sinn derer, die bei Nichterreichen festgesetzter Bedingungen, die Belohnung verweigern.
Wurden beim Maibaumkraxeln die Kinder roh angesprochen, Herr Wilhelm? Das habe ich dem Essay nicht entnehmen können.
Und werden bei sportlichen Wettkämpfen alle roh angesorochen, wenn sie unterlegen sind und keine Punkte oder Medaillen erhalten?
Dann schaffen wir doch gleich mal die Formel Eins ab, die Bundesliga oder die Olympischen Spiele.
@Bert E. Wilhelm
Nicht verstanden, was ich gemeint habe?
Melanie,
da sehen Sie es selbst! Sie hatten es versucht und waren gescheitert. Dann wurden Sie roh angesprochen - und prompt geht es Ihrem Seelenleben nicht gut! Für wessen These spricht das nun? Wohl nicht für Ihre, sondern für meine.
Beste Grüße
Ich habe doch aber versucht, richtig zu schreiben, und mich sogar angestrengt. Verdient das nicht Anerkennung?
Dass Sie mich nun indirekt als Versager bezeichnen, verstehe ich auf Grund Ihrer voraus gegangenen Kommentare überhaupt nicht und bin tief geknickt. Machen Sie sich überhaupt klar, was das für mein Seelenleben bedeutet?
Wissen Sie Melanie,
da Sie sich ja nun schon wieder auf mich eingeschossen haben ein guter Tipp: Beheben Sie zunächst einmal Ihre Rechtschreibschwächen, bevor Sie hier laute Töne spucken. Oder wollen Sie mit Ihren orthographischen Nichtkenntnissen etwa Kinder erziehen?
Ich versuche lieber, nicht dem Zeitgeist nachzulaufen, wenn ich ihn für falsch und zerstörerisch halte.
Zu Ihrer Frage, warum die Kinder denn versagt haben: Sie haben es eben nicht geschafft, die erforderliche Aufgabe zu erfüllen, die nach den vorgegebenen Regeln Voraussetzung für die Belohnung war.
Wollen Sie etwa, dass Kinder in gleicher Weise Anerkennung erfahren, egal ob sie eine gute oder weniger gute Leistung zeigen? Hauptsache, sie haben es versucht?! Das wäre Gift für jede Anstrengungsbereitschaft und jeden Trainingsfleiß. „Ich habe es doch aber versucht“ würde zur trotzigen Forderung eines überhöhten Anspruchsdenkens, das Leute wie Sie durch falsch verstandene Kinderliebe fördern.
Um es noch einmal zu sagen: Solche in Watte gepackten Kinder haben später oft Probleme mit ihrer Erwartungshaltung an die Umwelt. Die Gefahr ist groß, dass sie zu wehleidigen Jammergestalten werden, die gelernt haben, dass sie kaum etwas zur Erfüllung ihrer Wünsche selbst tun müssen, sondern andere dafür zuständig sind.
Regelverletzungen fördern Asozialität statt Sozialität, auch wenn der hinterlistige Zeitgeist dazu das Lied von Gleichbehandlung und sozialer Gerechtigkeit ins Ohr flüstert.
Pure Zustimmung! Die Gutmenschen mit ihren lebensfremden Thesen beweihräuchern nur sich selbst ohne Rücksicht auf den Schaden für die Betroffenen, denen sie angeblich helfen wollen. Es ist unglaublich, welchen Honig man für sich selbst aus billigen "edelmütigen" Sprüchen für das angebliche Wohl anderer ziehen kann.
Unsere politische Führung tut aber nichts anderes als das, was Bert E. Wilhelm auch tut..
Es ist beängstigent, dass Werbung für die eigene Person oder Partei durch Moralpredigten über angeblich notwendige Schutz- oder Hilfsmaßnahmen für Benachteiligte nach eigener Definition von vielen nicht mehr als blanker Egoismus im Gewand von Altruismus wahrgenommen wird. Die eigentlichen Ausbeuter der Armen, Schwachen, Kinder und Familien sind Leute wie Bert E. Wilhelm, deren Geschäfttsmodell lautet: Über welche Schiene kann ich mich selbst und Gleichgesinnten am besten verkaufen?
Der Zeitgeist rät: Verkaufe dich als guter Mensch!
Die Kinder, die im Beispiel den Versuch unternommen haben, aber gescheitert sind, sind natürlich keine Versager. Worin sollen sie versagt haben? Vier Meter an einem Mast hochzukraxeln? Wenn man Kindern die falschen Aufagen stellt, kann man natürlich immer zu einem solchen Urteil gelangen, wenn man unbedingt schwarz-weiß malen und die Welt in Gewinner und Verlierer aufteilen will. Die Präsmisse ist schon falsch gewählt.
P.S. Versuchen Sie doch mal, sympathisch zu wirken, wenigstens ein einziges Mal.
Sie meinen: "Kinder als Versager zu bezeichnen, halte ich gelinde gesagt für untragbar."
In welcher Welt leben Sie eigentlich? Auch Kinder können bei bestimmten Anforderungen "Nieten" oder "Versager" sein. Sie brauchen diese Erfahrung sogar, wenn sie nicht in eine vorgekaukelte Traumeelt hineinwachsen sollen und dafür später umso schmerzlicher auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.
Haben Sie Kinder noch nie miteinander spielen sehen? Da geht es ganz wesentlich ums Kräftemessen, nach der Suche nach Siegern und Verlierern. Kinder sind geradezu scharf auf Wettspiele, um sich, ihre Stärken und Schwächen einschätzen zu lernen und allmählich eine Identität zu entwickeln.
Was Sie von sich geben, ist kinderfeindliche Frömmelei, die Ihnen vielleicht nutzt, weil solches Gewäsch leider sympathisch wirkt. Den Kindern aber schadet es.
Wenn Sie das so sehen, ist das Ihre Sache. Sie dürfen gern Ihre Privatmeinung äußern.
Kinder als Versager zu bezeichnen, halte ich gelinde gesagt für untragbar. Kinder, die sich einem Wettbewerb stellen, dürfen selbstverständlich für die Teilnahme belohnt werden. Es mag auch Kinder geben, die sich diesem Wettbewerb nicht stellen. Sie gehen leer aus.
Schreiben Sie aus Prinzip gegen die Autorin? Mir gefällt die Beurteilung der Regelverstöße beim "Maibaumkraxeln" außerordentlich gut. Anschaulicher kann man Feigheit in der Durchsetzung von Regeln und Humanduselei gegenüber Kindern - beides typische Früchte unseres Zeitgeistes - kaum vor Augen führen.
Was ärgert Sie bloß so sehr daran, dass Frau Pfeiffer-Stolz immer wieder gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigt? Sie müssen sie als sehr ernstzunehmende Meinungsgegnerin empfinden, was - wenn ich mir Ihre Kommentare in Erinnerung rufe - ein ungewolltes, aber faustdickes Kompliment ist.
Frau Pfeiffer-Stolz,
Sie machen einen Kardinalfehler: Anstatt den Humbug zu hinterfragen, setzen Sie sich mit seinen Regeln auseinander. Für Wettbewerb, Ehrgeiz, Fleiß und Lohn wählen Sie ein denkbar schlechtes Beispiel aus.
Guter Artikel!
Das erste Beispiel zeigt den Egoismus, der im Berufsleben und Alltag herrscht und das zweite Beispiel zeigt die naive Gutmenschelei die den Heranwachsenden ein falsches Weltbild vorgaukelt, bis sie später total unvorbereitet im Berufs/Leben mit dem ersten (s. o.) Beispiel konfrontiert werden und dann höchstwahrscheinlich auf die Fresse ( man verzeihe mir den Ausdruck) fallen. Das sieht man ja auch an der Notenvergabe in den Schulen und dem Klagen der Wirtschaft über ungebildete und ungeeignete Bewerber.
Sie sind (s. o.) wohl eher lustlos und gelangweilt.
Inclusive Pädagogik beim Maibaumkraxeln - und alle sind glücklich.
Ein schönes Beispiel aus dem prallen Leben. Sie haben ja so Recht, Frau Pfeiffer-Stolz!