Zauber des Anfangs und Lust auf Verantwortung

Betreuungsgeld, Work-life-balance, Ehe und Ideologen im Ministerium – die Herausforderungen für die neue Familienministerin

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Vor zehn Jahren, fast genau auf den Tag am 13. Dezember 1999, formulierte die CDU ihr familienpolitisches Programm. Es stand unter dem Titel „Lust auf Familie – Lust auf Verantwortung“. Jetzt hat sie eine passende Ministerin für dieses Amt gefunden. Frau Kristina Köhler hat Lust auf Familie, wie sie sagt, und sie geht gern in diese neue Verantwortung. Das wird ihr niemand streitig machen wollen in der Partei und auch im medialen Konzert gönnt man ihr die hundert Tage Einarbeitungszeit. Man hat sich in Berlin daran gewöhnt, dass nicht Kompetenz den Ausschlag gibt für die Übernahme eines Amtes, sondern die Nähe zur Kanzlerin sowie Herkunft und Position in der jeweiligen  Partei. Von Ministrabeln wird erwartet, dass sie sich aufgrund ihrer Erfahrung im Parlament im besonderen und im politischen Geschäft im allgemeinen schnell in ein Ressort einarbeiten. Der neue Umweltminister Röttgen oder in der alten Koalition noch zu Guttenberg als Wirtschaftsminister sind dafür Paradebeispiele.

Frau Köhler kann auf parlamentarische Erfahrung zurückblicken, sie ist seit 2002 im Bundestag. Ihre ersten Auftritte in den Medien unmittelbar nachdem die Kanzlerin sie als Familienministerin vorgestellt hatte, bescheinigen ihr auch einen unbefangenen, natürlichen Umgang mit der neuen Macht – sie hat Lust auf Verantwortung. Für ihr Alter kann sie nichts. Auch Röttgen und zu Guttenberg sind im Vergleich zu den meisten Kabinettskollegen ziemlich jung. Allerdings sind ihre Ämter inhaltlich doch von dem Amt der Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sehr verschieden. Bei ihnen geht es um Sachfragen, bei Frau Köhler zusätzlich um Lebensleistungen, nicht selten auch Schicksale. Jeder Bürger hat Familie, entweder von seiner Herkunft oder selber gegründet. Jeder schlägt sich durchs Leben, mehr oder weniger glücklich und gekonnt. Viele, vor allem Hausfrauen und Mütter, werden sich von einer 32jährigen, ledigen Karrierefrau nicht repräsentiert fühlen. Das ist nicht der Fehler von Frau Köhler. Der Aufklärer Diderot lässt in „Rameaus Neffe“ denselben über einen Hund sagen: „Er bellt falsch“. Vielleicht wird Frau Köhler sich einmal freundlicher über Familien und die Lebensleistung von Müttern äußern als es derzeit die Kanzlerin tut oder die Vorgängerin von der Leyen getan hat. Im Moment „bellt“ sie das Lied, das die kinderlose Frau Merkel und das überwiegend kinderlose politisch-mediale Establishment in Berlin vorgeben: Gegenüber Eltern gilt zunächst eher Misstrauen als Vertrauen, daher zeigt sie auch Verständnis für die Gutscheinideologie, die vor allem von der FDP und Teilen der CDU vertreten wird.

Hier wird sie Erfahrungen machen müssen, wenn sie die Mehrheit der Mütter in Deutschland nicht vor den Kopf stoßen will. Vielleicht lernt sie es im Umgang mit der CSU. Die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer hat ihr da einiges voraus, weil sie durch die Wahlkämpfe mit dem Volk auf Tuchfühlung gekommen ist und jetzt ziemlich genau weiß, was man im Volk beim Thema Familie und Ehe denkt und fühlt. Frau Köhler hat auch Wahlkämpfe hinter sich, allerdings in einem Wahlkreis, der eher links geprägt ist. Sie hat ihn der „roten Heidi“, der früheren Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul direkt abgekämpft. Man kann das ihrer persönlichen Überzeugungskraft zuschreiben, aber auch ihrer Nähe zu den Wählern in eben diesem „roten“ Wahlkreis.

Ähnlich denkende Menschen wird sie in ihrem neuen Amt kennenlernen. Die entscheidenden Personen im Familienministerium stehen links und auf jeden Fall einer Frau Schwarzer näher als den Fakten und Daten des Mikrozensus. Schon bei Frau von der Leyen hatte sich die Unkenntnis und Unbedarftheit als Nachteil für die normale Familie erwiesen. Nach kurzer Zeit war sie ideologisch befangen und den politischen Filtern und Entscheidungsträgern im Ministerium ausgeliefert. Ähnliches dürfte auch Frau Köhler passieren, wenn sie nicht gleich zu Beginn einige Stellen neu besetzt. Ihre Unbefangenheit ist noch eine Chance - wenn sie den Zauber des Anfangs nutzt. 

Frau Köhler lebt mit dem Staatssekretär Ole Schröder (38) aus dem Innenministerium zusammen. Dieser Umstand könnte zu der Vermutung führen, dass sie von Ehe nicht allzu viel hält, jedenfalls nicht so viel, dass sie selber heiraten wollte. Offenbar hat sie eine Präferenz für die Karriere. Auch das kann man ihr erst dann zum Vorwurf machen, sofern sich solch eine Haltung in Gesetzen und Politik niederschlüge. Vielleicht erkennt sie als promovierte Soziologin, die ja auch offizielle Statistiken lesen gelernt haben (sollten); dass das Institut der Ehe ein stabilisierendes Element der Gesellschaft und deshalb auch förderungswürdig ist – von den anderen externen positiven Effekten der Ehe (längere Lebensdauer, bessere Gesundheit, weniger Staatskosten etc.) mal ganz abgesehen. Dass sie sich über gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften noch vor Amtsantritt positiv äußert („Auch in diesen Partnerschaften werden Werte gelebt, die für unsere Gesellschaft entscheidend sind. Oft sogar sehr konservative Werte.“) darf man zunächst als der „Berliner Luft“ geschuldet zuordnen, nötig war es nicht.

Nötig allerdings war eine andere Äußerung. Junge Väter sollten mehr Freiraum auch in ihrem Beruf erlangen. Dahinter steht zwar das Berliner Idealmodell von den beiden Eltern als vollzeitig Erwerbstätige, also der Zugriff auf die stille Reserve der jungen, gut ausgebildeten Frauen, die auch Mütter sein sollen. Aber dennoch ist es richtig, dass auch junge Väter nicht zu den Opfern der euphemistisch als Work-Life-Balance stilisierten Betriebe werden dürfen. Denn diese sind oft doch nur „Zeitgefängnisse“ der modernen Marktwirtschaft, wie die amerikanische Soziologin Arlie Russell Hochschild in ihrem Buch „Keine Zeit – Wenn die Firma zum Zuhause wird und zu Hause nur Arbeit wartet“ nachwies. Diese Unwucht in der Wirtschaftswelt ist bekannt und man darf gespannt sein, ob Frau Köhler sich da gegen die Wirtschaftslobby durchsetzt oder ob dann doch letzten Endes die Zeitfreiheit der jungen Väter auf dem Rücken der Krippenkinder, also längerer Krippenzeiten a la DDR  errungen wird. 

Über Frau Köhlers sachliche Kompetenz für das neue Amt lässt sich vorerst also wenig sagen. Vielmehr erscheint sie als taktischer Kompromiss. Sie kommt aus Hessen, der mächtige Landesverband musste nach dem Ausscheiden des Hessen Jung befriedet werden. Sie ist jung, ledig, ehrgeizig, emanzipationsfreundlich – das passt zu den urbanen weiblichen Wechselwählern, auf die Frau Merkel und die Frauenriege in der CDU als Wählergruppe besonders zielen. Ihre fachliche Kompetenz in einem anderen Bereich könnte noch für Gesprächsstoff sorgen. Im Innenausschuss des Bundestages hat sie sich einen Namen gemacht als Expertin für islamischen Fundamentalismus und Integration. Auch das eine spannende Frage: Wird sie ihr Fachwissen über Zwangsheiraten und Frauenrechte im Kabinett einbringen? Das könnte auch Frauen mit Migrationshintergrund wieder mehr Lust auf Familie machen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Iron Butterfly

Vorbildliche Familien- und Jugendministerin: Lediges Fräulein in wilder Ehe, das auf dem Christopher Street Day tanzt und sich für "Homo-Rechte" einsetzt.

Gravatar: Hedwig v. Beverfoerde

Lieber Herr Liminski,
da haben Sie der neuen Ministerin gleich ein Dutzend wunderschöner Brücken gebaut. Wollen hoffen, daß sie über die ein oder andere rübergeht.

Herzliche Grüße
Hedwig Beverfoerde

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