Werke der Barmherzigkeit: Die Kranken besuchen

„Die Kranken besuchen“ ist eines der leiblichen Werke der Barmherzigkeit – und nur vermeintlich leicht zu erfüllen.

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„Leibliche Werke der Barmherzigkeit“, so ist es bei kathpedia beschrieben, „werden (vor allem und beispielhaft) sieben Tätigkeiten genannt, welche das Mitleiden eines Menschen gegenüber dem Nächsten zum Ausdruck bringen und sich auf den Leib beziehen, während die geistigen Werke der Barmherzigkeit die geistig-seelische Dimension menschlichen Lebens betreffen. Diese Werke sind eine Nachahmung und Weitergabe der göttlichen Barmherzigkeit und Voraussetzung zum Erreichen des Himmelreiches.“

Wenn wir also im Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit dieses Thema erörtern und erschließen wollen, dann tut man sicher gut daran, sich auch mit diesen Werken zu beschäftigen. Das sind nun eine ganze Menge und es wäre vermessen, mir vorzunehmen, zu allen eine Betrachtung zu schreiben. Aber gerade zu den leiblichen Werken der Barmherzigkeit (Die Hungrigen speisen. Den Dürstenden zu trinken geben. Die Nackten bekleiden. Die Fremden aufnehmen. Die Kranken besuchen. Die Gefangenen besuchen. Die Toten begraben.) gibt es doch mitunter das eine oder andere zu sagen, vor allem, wenn man sie mal wirklich wörtlich nimmt. Also werde ich mich in den kommenden Wochen mit einzelnen dieser Werke beschäftigen und eine kleine und vermutlich sehr persönliche Einschätzung dazu geben.

Den Anfang, aus konkretem Anlass, sollen die Krankenbesuche machen. Meine regelmäßigen Leser wissen, dass der Journalist und – was wichtiger ist – mein guter Freund Klaus Kelle vor inzwischen mehr als zwei Wochen einen schweren Herzinfarkt erlitten hat. Da zwischenzeitlich viele Anfragen bei mir gelandet sind, wie es ihm denn mittlerweile geht: Es geht voran, langsam aber in die richtige Richtung. Ins Detail möchte ich aus hoffentlich nachvollziehaberen Gründen nicht gehen, aber ich kann sicher sagen, dass ich sehr hoffnungsvoll bin, dass Klaus über kurz oder lang wieder vollständig hergestellt sein wird. Allerdings eher über lang als über kurz!

Nun besuche ich ihn regelmäßig und auch wenn das nicht immer einfach ist, so freue ich mich doch ihn zu sehen, für ihn da sein zu können, auch wenn ich nicht wirklich – im medizinischen Sinne – helfen kann. Aber wozu sind Freunde da, wenn sie in Situationen wie diesen nicht da sind? Und darum bin ich auch in einer Predigt vom vergangenen Sonntag zur Fastenzeit darüber gestolpert, dass dieses Werk der Barmherzigkeit „Die Kranken besuchen“ aufgezählt wurde. Denn einerseits sind meine Besuche bei Klaus sicher Krankenbesuche, vielleicht mag man noch den Begriff „Freundschaftsdienst“ akzeptieren, aber „Barmherzigkeit“? Ich glaube ja, dass ein guter Freund einen wahrhaften Anspruch darauf hat, dass er besucht wird, wenn er krank sein sollte, und dass einem ein Krankenbesuch abgesehen von organisatorischen Problemen nicht schwerfallen sollte, wenn es sich um einen guten Freund handelt. Insofern kann ich mir nur schwer vorstellen, dass ich durch einen solchen Besuch ein Stück weit den Himmel erreichen kann. Das wäre ja einfach!

Aber dann kommen mir andere Menschen in den Sinn, durchaus Nahestehende, vielleicht Verwandte, vielleicht etwas entferntere Freunde oder Bekannte, von deren Krankheit man erfährt und bei denen sich ein Widerwille einstellt, die man nur ungern besucht: Was soll ich denn mit dem reden? Jetzt haben wir uns schon so lange nicht gesehen, da wäre ein Krankenbesuch doch eher unpassend, oder? Der würde mich vermutlich auch nicht besuchen? Da gibt es doch sicher Leute, die sie eher besuchen sollten?

„Ich war krank, und ihr habt mich besucht“ oder „Ich war krank […], und ihr habt mich nicht besucht“ – Ist denn derjenige, den wir da nicht besuchen wollen nicht krank, nicht ein Bild Jesu, für den unsere Barmherzigkeit da sein sollte? Man kann sicher nicht jeden kranken Menschen auf der Welt besuchen, aber wenn ich ehrlich bin, sind die oben aufgeführten Fragen in den meisten Fällen doch nur Ausreden. Man kann die obigen Bibelstellen nicht so interpretieren, dass man sich damit „das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist“ verdient hat, da steht auch die Barmherzigkeit Gottes dagegen, der unser Bemühen sieht, gut zu sein, und auch die wahren Gründe kennt, warum wir in einem unserer Nächsten nicht Jesus selbst erkennen können. Aber wenn man so will entfernt man sich mit jeder solcher Ausreden von der Aussicht, vom Vater „gesegnet“ zu sein und „das Reich in Besitz [zu nehmen], das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist“.

Manche verstehen solche Interpretationen dann auch wieder als „Drohbotschaft“: Wenn Du nicht … dann …! Aber letztlich sind es, wie so viele Worte Jesu, Hilfestellungen für ein gottgemäßes Leben. Einen Kranken, den wir kennen, und von dem wir meist nicht wissen, ob er wirklich ausreichend Besuch hat, unser Besuch also tatsächlich überflüssig oder gar schädlich sein könnte, nicht zu besuchen, das sagt uns schon unser Gewissen, ist nicht in Ordnung. Ich mag mir mit Ausreden behelfen, aber tief im Innern weiß ich, dass ich dann nur wenig „barmherzig wie der Vater im Himmel“ bin. Eigentlich sollte ein solcher Krankenbesuch ja nicht schwer sein – und am Ende machen wir uns damit selbst glücklich und „verdienen“ uns ein Stück Himmel. Ich will nicht so weit gehen, dass Barmherzigkeit erst da anfängt, wo es uns schwerfällt, barmherzig zu sein, aber wenn Werke der Barmherzigkeit notwendig sind, um das Himmelreich zu erreichen, dann sind solche, die uns schwerfallen, wohl besonders wertvoll.

Und nun überlege ich, wer, außer meinem Freund Klaus, noch auf meinen Besuch oder Anruf wartet.

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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