Wenn Programm und Persönlichkeit eins sind – Markt, Moral und Monetarismus als Fixsterne im politischen Universum der Margaret Thatcher

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Mit Peter Gauweiler hat ein echter Überzeugungstäter seinen (vorläufigen?) politischen Rückzug angetreten. Politiker mit Ecken und Kanten sowie einem unverwechselbaren programmatischen Profil sind selten geworden. Dies gilt zumindest für unsere Breiten. In Deutschland ist seit einigen Jahren Konsens King, auch wenn man dies bedauern mag.

Schon im Untertitel seiner überzeugenden Thatcher-Biographie deutet der Darmstädter Historiker Detlev Mares an, dass die „Eiserne Lady“ kein Faible fürs Wohltemperierte hatte: „Die Dramatisierung des Politischen“. Mares erliegt weder der Versuchung, Leben und Werk der britischen Premierministerin als „Heldenepos“ noch als „Schurkenstück“ zu zeichnen. Auf knapp 100 Seiten schildert der Autor abgewogen und fair die Vorzüge wie die Nachteile von Thatchers Persönlichkeit.

Überzeugungspolitikerin

Thatcher war eine Überzeugungspolitikerin. Programm und Persönlichkeit waren bei ihr – fast immer – eins. Sie ließ niemanden kalt. Noch anlässlich ihres Todes im Jahr 2013 fielen die Reaktionen zwiespältig aus: Bewunderung auf der einen, teilweise unmäßiger Hass bis ins Grab hinein auf der anderen Seite.

Thatcher kommt aus eher bescheidenen Verhältnissen. Die Abstammung aus einem Krämerladen erfüllte sie mit Stolz und sollte sie prägen. Die Werte des dominanten Vaters wie Pflichterfüllung, Sparsamkeit und Geschäftstüchtigkeit sollten seine Tochter prägen.

Schon als Oppositionspolitikerin fiel die studierte Chemikerin durch scharfe Attacken auf. In gesellschaftlichen Fragen engagierte sie sich als Vertreterin des rechten Parteiflügels der Tories für Ehe und Familie, gegen Steuererhöhungen, für wirtschaftsliberale Positionen und die Todesstrafe.

Als Parteivorsitzende und Oppositionsführerin im Unterhaus wollte Thatcher das Land ab 1975 einer Rosskur unterziehen, ausgerichtet an den Fixsternen „Mark, Moral und Monetarismus“, laut Mares das „nationale Regenerationsprogramm der Oppositionsführerin“. Thatcher hatte allen Grund für diesen Kampf, denn seit den 1960er Jahren befand sich das Land im wirtschaftlichen Niedergang und schließlich auch im Würgegriff der Gewerkschaften. Die vermeintlichen Segnungen sozialdemokratischer Politik (Verschuldung, Arbeitslosigkeit, steigende Steuern und Inflation) beutelten Britannien.

Sozialdemokratische „Segnungen“ beutelten Britannien

Thatcher, die keine Intellektuelle war, sich aber durchaus an intellektuellen Debatten erfreuen konnte (waren das noch Zeiten…), bediente sich aus dem Fundus verschiedener Denkfabriken. Dabei vertrat die Politikerin keinen „Hyper-Individualismus“, denn das Individuum sollte in seiner Entfaltung durch klassische familiäre und nationale Bande gezügelt werden. Mares verschweigt nicht, dass die Spätfolgen der Politik der „Eisernen Lady“ letztlich auch zur Verherrlichung von Profigier und Konsumansprüchen führte.

Mit dem klugen Wahlspruch „Labour isn’t working“ (Labour funktioniert nicht) kam sie schließlich an die Macht und krempelte das Land nach ihren Vorstellungen um. Sie brach das Rückgrat der Gewerkschaften. Der produzierende Sektor schrumpfte. Das Land wurde abhängiger von Dienstleistungen. Ein Grund, warum Deutschland besser durch die Krise gekommen ist als das einseitig deindustrialisierte Großbritannien.

Die unangenehmen Seiten ihres Charakters wurden unter anderem in ihrem wenig kollegialen Regierungsstil deutlich. Im Verlauf ihrer Amtszeit verließen insgesamt 36 Minister das Kabinett. Im Gegensatz zu weinerlichen Frauenpolitikerinnen à la Manuela Schwesig setzte sich Thatcher auch bei „harten“ politischen Themen wie Wirtschaft und Verteidigung durch, ohne ihre weibliche Seite dabei zu verleugnen. Man liest mit einem gewissen Schmunzeln, dass die Dame mit der ondulierten Turmfrisur auf einige Männer in ihrem politischen Umfeld „geradezu erotisierend wirkte“.

Thatcher war eine professionelle Medienpolitikerin, die in Debatten schlagfertig kontern konnte und akribisch an ihren Parteitagsreden feilte. Gegen Ende ihrer Regierungszeit wurde sie immer störrischer. Ihre Haltung zur deutschen Einheit kann nur als katastrophal bezeichnet werden, gerade auch deshalb, weil sie rein reaktiv war: Thatcher hatte Angst vor einem wiedervereinigten Deutschland, das bald zur Zentralmacht der Kontinents avancieren sollte. Auch ihre Haltung zum chilenischen Diktator Pinochet war nicht von moralischer und politischer Weitsicht geprägt.

Man kann sich keine Politiker backen. Jede Zeit bringt auch die politischen Charaktere hervor, die offenbar bei den Wählern und den Politikern punkten können. Während Thatcher das Land umgestaltete, war ihr das Schicksal der einzelnen Bürger herzlich egal. Diese demonstrative Kühle ist nicht erstrebenswert. An die klare Kante und das Zusammenpassen von Persönlichkeit und Politik denkt man angesichts der derzeitigen weichgespülten Lenor-Politik allerdings mit Wehmut zurück.

Detlev Mares: Margaret Thatcher. Die Dramatisierung des Politischen. Reihe Persönlichkeit und Geschichte, Band 171. Muster-Schmidt Verlag: Gleichen – Zürich 2014. 118 Seiten, 14 Euro.

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Gravatar: Hans von Atzigen

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