Wende? – Und wenn ja wohin?

Ob nun langsam oder schnell: Rein quantitativ geht es mit der Zahl der Kirchenmitglieder bergab! Die Kirche muss sich ändern, um die Menschen nicht an eine hedonistische Kultur zu verlieren, die ihnen weltliches Glück verspricht und kein Heil spenden kann.

Veröffentlicht:
von

Am vergangenen Freitag hat die deutsche Bischofskonferenz die aktuelle Kirchenstatistik für das Jahr 2013 veröffentlicht. Man kann die dort vorgelegten Zahlen besorgniserregend oder alarmierend oder katastrophal bewerten – alles nur Nuancen, zufriedenstellend können die Ergebnisse jedenfalls für niemanden sein. Daher zitiere ich einfach mal nur einen Ausschnitt aus der Pressemeldung der DBK:

Mit 24.170.754 Kirchenmitgliedern machen die Katholiken 29,9 Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus (2012: 30,3 Prozent). Aufgrund struktureller Veränderungen in den Bistümern hat sich die Zahl der Pfarreien von 11.222 auf 11.085 verringert. Insgesamt haben die Sakramentenspendungen der katholischen Kirche wie auch in den vergangenen Jahren leicht abgenommen. 2013 gab es 164.664 Taufen (2012: 167.505) und 43.728 Trauungen (2012: 47.161). Die Zahl der Eintritte in die katholische Kirche liegt bei 3.062, die Zahl der Wiederaufnahmen bei 6.980 Personen.

Kritisch ist die Zahl der Kirchenaustritte, die nach einem mehrjährigen rückläufigen Trend in 2013 auf 178.805 angestiegen ist (2012: 118.335). Der Gottesdienstbesuch ist mit 10,8 Prozent auch in 2013 rückläufig gewesen. Die Gesamtzahl der Priester in Deutschland hat sich um 146 Priester auf 14.490 Priester verringert. Die Zahl der Pastoralreferenten und -assistenten hat leicht auf 3.140 (2012: 3.119) zugenommen, die Zahl der Gemeindereferenten sank leicht auf 4.470 (2012: 4.479).

Ob nun langsam oder schnell: Rein quantitativ geht es bergab! Wenn man nun als Katholik der Ansicht ist, dass es „außerhalb der katholischen Kirche kein Heil“ gibt (wenn man das vielleicht auch nicht so wörtlich nehmen kann), die Sakramente wesentliche Meilensteine auf dem Weg dieses Heils darstellen, in denen uns Gott mit den Gnaden „versorgt“, die wir für dieses Heil benötigen und der Messbesuch am Sonntag uns für die Woche stärkt und unser stärkster Kontaktpunkt mit Jesus ist, dann kann uns die Entwicklung nicht kalt lassen. „Reisende Leute soll man nicht aufhalten“, so sagen einige, „eine wahre Kirche der Wenigen ist besser als eine verwaschene Kirche der Vielen“ sagen andere – aber das kann doch nicht ernsthaft unsere Sicht auf ein Phänomen sein, wenn wir beobachten, dass Menschen in Scharen vor dem fliehen, was wir als das einzige Heil empfinden!

Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, schreibt dazu u.a.:

Die aktuellen Zahlen sind schmerzlich und alle in der Kirche müssen das ernst nehmen für ihr Handeln. Das zweite Halbjahr 2013 hat offensichtlich zu einem Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust geführt. Der hohen Austrittszahl müssen wir begegnen, indem wir immer wieder versuchen, auf allen Ebenen Vertrauen zu schaffen durch gute und überzeugende Arbeit. Das gilt natürlich besonders auch für uns als Bischöfe und Priester. […]

Aber nicht alle Ausgetretenen verlieren damit jeden Kontakt zur Kirche. Viele wollen – auf ihre eigene Art – Christen bleiben. Wir müssen das Gespräch mit ihnen suchen und deutlich machen, dass die Gemeinschaft des Glaubens für uns Christen eine wichtige Hilfe und Bereicherung ist. Die Offenheit für das Evangelium und die Suche nach Transzendenz sind ja da.

In den Sätzen steckt viel Wahres drin, allerdings auch einiges, was zumindest deutungsfähig ist: So ist der Hinweis auf den „Vertrauensverlust“ des 2. Halbjahres 2013 ein eher ungeschminkter Hinweis auf die Vorfälle um den ehemaligen Limburger Bischof Tebartz-van Elst. Nun kommt man sicher nicht umhin festzustellen, dass die Vorfälle und die Berichterstattung vielfach Auslöser für Kirchenaustritte gewesen sein werden, weshalb auch der Schluss möglich erscheint, dass mit einem Austritt nicht unbedingt eine Abwendung von den Glaubensinhalten gemeint ist.

Andererseits erscheint es mir schon problematisch, wenn man nun mit dem Finger auf einen einzelnen Bischof zeigt, der für diese Zahlen verantwortlich sein soll. Denn was noch schwerer wiegt: Wer von der katholischen Kirche als mystischem Leib Christ, dessen Glieder wir alle sind, überzeugt ist, der tritt doch nicht aus der Kirche aus, nur weil einer der Hirten keine saubere Weste zu haben scheint! Hat man diesen Gedanken erst mal verinnerlicht, dann ist die Situation nur umso dramatischer: Von den weniger werdenden Katholiken nutzt ein geringer werdender Anteil die Sakramente (wobei bspw. von der Beichte in dem Bericht gar nicht die Rede ist) und besucht ein geringer werdender Anteil die sonntägliche Messe. Wer an die Wirkung der Sakramente glaubt, der muss davon ausgehen, dass es einen großen Anteil von Mitgliedern der katholischen Kirche gibt, die nicht an das glauben, was die Kirche verkündet und für die ein Austritt dann nur einen finalen Schritt darstellt, vielleicht auch „um den Laden nicht auch noch mit Kirchensteuern zu finanzieren“.

„Die Offenheit für das Evangelium und die Suche nach Transzendenz sind ja da.“ Schreibt Kardinal Marx – aber ist das wirklich so? Für die Suche nach Transparenz würde ich das aus meiner persönlichen Erfahrung bejahen, aber der erste Teil des Satzes kann wohl nur in einem spirituellen Sinne gemeint sein, dass die Menschen unbewusst offen für das Evangelium sind, explizit aber eher den transzendenten Kick suchen, den sie in der Kirche nicht finden. Wenn das so ist, dann muss man konstatieren, dass eine große Menge von Menschen der katholischen Kirche eher wutentbrannt den Rücken zukehrt – und auf der Suche nach Transzendenz und dem Göttlichen sind. Und wer meint, den Kontakt zu halten oder wieder zu intensivieren, würde bei einem relevanten Anteil der Betroffenen auf Gegenliebe stoßen, kann das nur mit einer gehörigen Portion Naivität tun.

Was also tun? Kardinal Marx spricht von der Notwendigkeit „immer wieder [zu] versuchen, auf allen Ebenen Vertrauen zu schaffen durch gute und überzeugende Arbeit. Das gilt natürlich besonders auch für uns als Bischöfe und Priester.“ und zieht das Fazit:

Ich bin nicht entmutigt, sondern sehe die Statistik auch als hilfreichen Weckruf: Die Zahlen rütteln noch einmal auf, danach zu fragen, wie wir uns jetzt und künftig neu aufstellen müssen, damit das Evangelium weiterhin gehört und gelebt werden kann. Gerade deshalb bin ich den vielen haupt- und ehrenamtlich in der Kirche Engagierten dankbar, die zum vielfältigen Leben in unseren Gemeinden und Verbänden beitragen.

Sagen wir es ganz offen: Der Streit daraus ist vorprogrammiert! Die Kirche, oder die äußere Wahrnehmung der Kirche, muss sich ändern, um die Menschen nicht an eine hedonistische Kultur zu verlieren, die ihnen weltliches Glück verspricht und kein Heil spenden kann. Aber in welche Richtung muss das gehen? Man sieht die Themen schon wieder fröhliche Urständ feiern: Frauenpriestertum, Zölibat, Sexuallehre, wiederverheiratete Geschiedene … die altbekannten Themen angereichert um die generelle Frage der Verbindlichkeit von Kirchenlehre und Dogmen, der Liturgie und der Sakramentenspendung. Muss das alles nicht raus, um anziehender für die Menschen zu werden?

Oder ist es nicht so, dass das, was in der katholischen Kirche am meisten fehlt, genau die Orientierung ist, die sie seit zwei Jahrtausenden ausmacht, und die man zugunsten einer Dialogkultur und einer falsch verstandenen Öffnung zur Welt nach dem zweiten Vatikanischen Konzil in Teilen geschliffen hat? Niemand kann einen Menschen heute mehr zwingen, einer Kirchen anzugehören, und das ist in der Tat, wie auch Kardinal Marx schreibt, gut so. Aber die Menschen wollen doch wissen, worauf sie sich einlassen. Wer heute auf die Frage nach den bekannten Reizthemen aber auch nach anderen Fragen des Glaubenslebens von Kirchenvertretern unterschiedliche Antworten erhält, vielfach mit der Absicht gegeben, die Menschen nicht zu überfordern, der darf sich nicht darüber wundern, wenn keine tiefe innere Verbindung zum Katholischsein entsteht. Wenn schon die Hirten es selbst nicht so genau nehmen …

Und dass man bei alledem nicht vergessen darf, dass es hier nicht um Marketing sondern um die Suche nach der Wahrheit geht, macht die Lösungsfindung ebenfalls nicht einfacher. „Die Wahrheit billiger machen“ ist für einen Katholiken keine Option und sollte es für einen Bischof oder Priester noch viel weniger sein. Aber die Art der Verkündigung, die Erfüllung des Zwecks der Kirche, der Evangelisierung, zu verändern, das ist wohl eine Notwendigkeit, die von jedem besorgten Katholiken gesehen wird. Vielleicht sind die letzten Besetzungen der Bischofsstühle von Passau, Regensburg und zuletzt Köln auch Fingerzeige des Papstes, wie er die Entwicklungen in Deutschland interpretiert – das ließe mich für die von mir favorisierte Lösung der Klarheit bei gleichzeitiger Offenheit für Gespräche mit jedem, der das Gespräch sucht, hoffen.

Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Herr Physiker und Philosoph, Ihre ständige Behauptung: "Es gibt keinen Gott, es gibt keine Götter", beweisen Sie sie endlich. Wenn Sie's nicht können, dann seien Sie wenigstens ehrlich und sagen: "Ich glaube, daß es keinen Gott und keine Götter gibt."

Gravatar: Joachim Datko

Es gibt keinen Gott, es gibt keine Götter

Je früher man austritt, desto geringer ist der finanzielle Schaden.
Die Kirchensteuerkirchen sind unermesslich reich, auf Kosten der Bevölkerung!

Es wird 2014 voraussichtlich einen neuen Rekord bei den Kirchenaustritten geben.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang