Was heißt heute konservativ?

Sammelbände sind häufig etwas unergiebig, weil sie bisweilen an ein Sammelsurium erinnern.

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Sammelbände sind häufig etwas unergiebig, weil sie bisweilen an ein Sammelsurium erinnern. Kürzlich las ich einige Beiträge des Sammelbandes „Was ist heute konservativ?“, den der thüringische CDU-Fraktionsvorsitzende Mike Mohring herausgegeben hat. Ein Sammelband, und dann noch mit einem Politiker als Herausgeber: Vorsicht ist also geboten.

 

Doch ein Aufsatz dieses Buches hat mich überzeugt, weil er der im Titel gestellten Frage gerecht wird. Er stammt aus der Feder des Historikers Andreas Rödder. (Einen konservativen Vertreter dieser Zunft findet man ja auch nicht so leicht, man denke nur an die ganzen habilitierten hauptamtlichen Vergangenheitsbewältiger.)

 

Auch wenn Armin Mohler hier vehement widersprechen würde: Rödder sieht einen Zusammenhang von Konservatismus und christlichem Menschenbild. Beide passten gut zueinander. Mohler sah dies bekanntlich völlig anders und meinte, dass er Christ, der die Botschaft Jesu ernst nähme, politisch links stehen müsste. Vielleicht hatte er Teile der evangelischen Amtskirche in unserem Land auch nur als abschreckendes Bild vor Augen.

 

Der Mensch, so Rödder, sei nicht perfektionierbar, „und das heißt ganz konkret: konservatives Denken richtet sich gegen alle Entwürfe eines ‚neuen Menschen’ (und eines vervollkommneten Endzustandes). Dies richtete sich im 20. Jahrhundert vor allem gegen die Rassenlehre des Nationalsozialismus und die Klassenlehre des Kommunismus bzw. Sozialismus. Diese Stoßrichtung ist in der heutigen politischen Debatte weniger relevant als in der bio-ethischen Debatte. Denn es ist die Gentechnik, die uns den ‚neuen Menschen’ durch Eingriffe in das Erbgut verspricht. Auch hier ist die konservative Position ebenso klar wie konkret unbequem: der Mensch kann sich nicht anmaßen, zum Schöpfer zu werden – er darf es moralisch nicht, und er kann es auch praktisch nicht“.

 

Weil der Konservative aus Sicht Rödders dagegen ist, dass die Welt nach einem bestimmten Prinzip umgestaltet werden soll, wird er sich gegen den Flächenabriss von Altstädten zugunsten der „autogerechten Stadt“, gegen die Einführung der Gesamtschule als Regelschule, gegen die Tötung Behinderter als „lebensunwertes Leben“ aussprechen usw. Es ist also gar nicht so schwierig, ganz konkret und ohne Abstraktion zu sagen, wie konservatives Denken und Handeln im 21. Jahrhundert aussehen kann.

 

Mit Wohlwollen liest man auch die Absage des Geisteswissenschaftlers an den Zahlenfetischismus in der Pisa-Debatte oder auch in der Diskussion über Schule, Kinder und Jugendliche. Sind 35 Prozent Krippenplätze wirklich besser als 20 Prozent, brauchen wir eine Studierendenquote von 40 Prozent, müssen überall Frau zu 50 Prozent repräsentiert sein? Heutzutage wagt zumindest niemand mehr in der Politik, gegen diesen Unfug anzugehen.

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