Wandersfrust

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Insgesamt sind 190 Nationalitäten in Deutschland vertreten, das ist wahrlich eine bunte Mischung in einem kleinen Land, und der Zuwachs hält an. Kein Wunder, dass die Berliner Morgenpost auf Seite 1 stolz titelte: „Berlin wächst und wird europäischer“, um auch noch den umseitigen Aufmacher mit „Berlin wird immer internationaler“ zu überschreiben. Und anderswo heißt es: „Die Migration macht Berlin bunter.“ Wäre die Presse ausgewogen, läse man auch einmal „Immer weniger Berliner in Berlin“ oder „Immer weniger Deutsche in Deutschland“, doch die Informationslage des Mediennutzers ist nicht ausgewogen. Und eine „bunte Gesellschaft“ kann man positiv oder negativ interpretieren. Ein paar Vögel schließlich sind ein herrlicher Anblick, doch kommen sie in Scharen, ist es schon Stoff für einen Hitchcock-Thriller.

Weil Berlin in dieser Internationalisierung durchaus Vorreiterfunktion hat, interessieren hier vielleicht einige aktuelle Fakten aus den letzten zugänglichen Quellen. An der Spree siedeln derzeit vor allem Polen, Italiener, Bulgaren und Rumänen. 225.000 zusammengezählt. Insgesamt sind es 550.000 Ausländer, wenn man die migrativ behintergrundeten deutschen Staatsbürger nicht mitzählt. Das ergibt eine Rekordquote von 15,6% im Stadtgebiet. Inklusive der deutschen Passbesitzer mit migrativen Wurzeln und ohne die Illegalen liegt die nichtdeutsche Einwohnerzahl bei knapp unter einer Million. Bei 3,5 Millionen Einwohnern gesamt bedeutet das bei den Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren in Berlin 44,7% mit ausländischen Wurzeln; in manchen Gebieten sind mehr als drei von vier Kindern entweder neudeutsche Migranten oder ausländische Migranten. In den westlichen Bezirken, also jenen, die schon länger die Segnungen des billige Arbeiter suchenden Kapitalismus erfahren haben, ist jeder fünfte fremder Herkunft.

Individuell betrachtet, ist eine Zuwanderung tatsächlich kein Problem. Die Heiligen Drei Könige waren sinnbildlich gern gesehene Gäste. Viele freundliche, gesunde, begabte und integrationswillige Menschen kommen auch heute hierher und bereichern den Genpool der Einheimischen. Doch schiere Masse überfordert die ökonomischen und institutionellen Strukturen und bewirkt das Scheitern aller Integrationsversuche. Dafür reicht schon allein das Fehlen von Arbeitsplätzen, Wohnungen, Kitas und Ausbildungseinrichtungen.

Nach einer Studie der Universität Düsseldorf beklagen sich viele Migranten darüber, dass ihre Kinder geringere Chancen in der Schule haben, weil in den Klassen zu viele Kinder mit Migrationshintergrund seien. Und weiter heißt es dort: „Bezogen auf die Bildungspartizipation in Deutschland wird allerdings – gerade in den Milieus mit niedriger sozialer Lage – der eigene Migrationshintergrund und auch der der Kinder als Defizit und Problem betrachtet". Wenn wir also Menschen ins Land holen, haben wir die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass wir ihnen eine echte Integrationsmöglichkeit bieten. Das wäre eine wirklich moralische Moral, und nicht die, unter Krokodilstränen alle Armen dieser Welt bei uns ansiedeln zu wollen.

Tatsächlich präsentieren wir aber die perfekte Integrations-Inkompetenz. Vor allem fehlt es an der wichtigsten Voraussetzung für Integration: einem funktionierenden Kulturtransfer. Nur wenn ausreichend Einheimische vorhanden sind, um im täglichen Miteinander in unzähligen kleinen Momenten Verhaltensweisen, Sprache und soziale Regeln in die Neuankömmlinge sozusagen diffundieren zu lassen, ist ein solcher Anpassungsprozess erfolgversprechend.

In hauptsächlich von fremden Kulturen bestimmten Wohngebieten, in Schulklassen, in denen deutsche Kinder, wenn überhaupt noch vorhanden, in der Minderheit sind, wird es keine Integration geben können. Für diese einfache Erkenntnis wurde einmal der Begriff Leitkultur geprägt, aber von PoCos schnell wieder als reaktionär weggemobbt.

Ein Faktor, der von solch interessierten Kreisen bewusst unterschlagen wird, kommt hinzu: Es gibt keine wertfreie Migration, sondern immer eine von reich nach arm oder arm nach reich, von kultiviert nach ursprünglich oder von wenig- nach hochentwickelt.

Es ist angesichts der Schere im eigenen Kopf schwierig, Vokabeln zu finden, die angesichts der weltanschaulichen Gleichschaltung in unserer Gesellschaft nicht abwertend oder beleidigend für einzelne Kulturen klingen. Dabei ist es die nachvollziehbarste Sache der Welt, dass Zivilisationen, die teilweise erst wenige Jahrzehnte von steinzeitlichen Strukturen entfernt sind, oder noch heute von mittelalterlichen Denkweisen dominiert werden, in dieser unserer Gesellschaft negative Reibungen verursachen. Das zu sagen beinhaltet nicht einmal eine Wertung, sondern verweist nur auf den Umstand, dass funktionierendes Miteinander gemeinsames Kommunizieren und Verstehen voraussetzt.

Wie soll und warum sollte Otto Normalverbraucher bei uns akzeptieren, dass anderswo eine an Zulauf gewinnende Interpretation des Islam (nämlich die des IS) ganz selbstverständlich beinhaltet, Tausende Sklavinnen bei Andersgläubigen zu nehmen, zu missbrauchen und zu töten? Warum sollte er tolerant nachvollziehen, dass es in einem Flüchtlingsheim in Deutschland eine Massenschlägerei unter anderskulturellen Kriegsflüchtlingen gibt, weil ein Kind ein anderes fotografiert hat? Warum sollte er verstehen, dass in Südafrika ein Neunjähriger eine 62-Jährige heiraten muss, weil ein verstorbener Großvater dem das im Traum befohlen hat?

Das sind die krassen Beispiele, aber kulturelle Unverträglichkeiten gibt es unvermeidbar auch im Alltag. Etwa der religiös verschleierte Macho-Instinkt, der Frau den Schleier aufzuzwingen und andere hierarchische Vorstellungen. Geringere Gewalttoleranz. Missverständnisse durch Sprachinkompetenz oder Nichtvermittelbarkeit von Bedeutungen durch unterschiedliche Sprachen. Aber auch eine andere Vorstellung von Pünktlichkeit oder Wahrhaftigkeit entwickelt eine enorme Reibungsenergie.

Diese Liste könnte unendlich weitergeführt werden, aber erkennbar ist schon so: Andere Länder, andere Kulturen, andere Sitten, wobei wir hierzulande, als die Alteingesessenen, unsere eigenen haben und uns die nicht wegtolerieren lassen sollten. Umgekehrt betrachtet ist nämlich eine kollektive kulturelle Identität das Gleitmittel eines funktionierenden Gemeinwesens und eine Voraussetzung individueller mentaler Stabilität. Vor allem aber haben wir das Recht auf unseren Sitten zu beharren (solange wir sie nicht selbst ändern wollen), weil unser Kollektiv sich das in einem mühsamen Prozess der Zivilisation angeeignet hat. Und all das sagt noch nicht einmal etwas über mögliche Wertungen anderer Kulturen auf Funktionalität oder Menschenfreundlichkeit aus.

Das scheinbar wertfreie Wort Migration ist deshalb ein besonders tückischer Euphemismus. Es suggeriert, dass jemand sich wertneutral von einem Ort zum anderen begibt, und unterschlägt bewusst ökonomische, kulturelle und intellektuelle Hierarchien. Weder würde man von einem gebildeten Amerikaner sagen, dass er nach Deutschland migriert und erst recht nicht würde man dies von einem auswandernden Deutschen sagen: Der wäre nämlich nach wie vor ein Auswanderer und kein Migrant. Deshalb ist im scheinbar wertneutralen Begriff Migration schon die Abwertung enthalten, die sich angesichts scheiternder Integration im Bewusstsein der Bevölkerung mehr und mehr ausbildet. Es passiert also genau das, was man vermeiden wollte, als man das schöne deutsche Wort Einwanderer tabuisierte.

Wenn Deutsche beispielsweise als Tugendpolizei durch Tripolis liefen und versuchten, die dortigen Bewohner von den Werten des Abendlandes zu überzeugen, gäbe es entweder eine Verhaftung oder ein paar auf die Fresse, auf alle Fälle aber einen weltweiten Shitstorm, was arrogante Deutsche, die aus ihrer Vergangenheit nichts gelernt hätten, dort so treiben. Die Scharia-Polizei in Wuppertal hingegen, und nicht nur die, durfte feststellen, dass es für ein adäquat anmaßendes Auftreten keine vergleichbare Reaktion in Deutschland gegeben hat. Hier ist das kein Problem, weil es kein Problem sein darf, bestenfalls Ausdruck eines noch nicht ganz vollendeten Integrationsprozesses. Deutsches Missverhalten in Tripolis wird es aber auch gar nicht geben, weil die Deutschen (in der Regel) dort weder wohnen noch das Sozialsystem (welches eigentlich?) für sich in Anspruch nehmen wollen, Araber in Deutschland aber schon – und nicht zu knapp.

Und da sind wir wieder zurück bei der Frage nach Kultur und Identität. Kultur sei hier als leider unscharfer Begriff gewählt, der Denkstrukturen und kollektive Verhaltensweisen ebenso wie Moral und andere Wertvorstellungen in einem Wort zusammenfassen können muss. Und dieses Phänomen Kultur hat eine ungeheuer lange Halbwertszeit. Was deutsche Nichtmigranten heute denken und fühlen, für richtig halten und praktizieren, erwarten und erhalten wollen, geht zum großen Teil auf Erfahrungen zurück, die vor Jahrhunderten und Jahrtausenden in diesem Land gemacht wurden. In einem mühsamen und oft leidvollen Prozess der Sozialisation wurden Fehler in der Struktur unseres Zusammenlebens und Zusammenwirkens erkannt und beseitigt, wobei diese schmerzhaft gewonnene Weisheit sich zu unserer „Kultur“ fügte.

Hunger und Krieg, Römer und Mittelalter, Kölner Dom und Industrialisierung, Bildung und Wohlstand, Hexenverbrennung, Nationalsozialismus und ein Sozialsystem sind in diesem Prozess vorgekommen und haben durch Fortschreibung oder Überwindung Spuren hinterlassen. Zu diesem Prozess gehörte selbstverständlich auch ein manchmal positives und manchmal destruktives Reiben an anderen Kulturen. Ohne eine Integration und Weitergabe von neuen Ideen wäre der Fortschritt so nicht möglich gewesen.

Der Unterschied in der heutigen historischen Situation ist aber, dass es sich nicht mehr um einen dosierten Kontakt eines gewachsenen und funktionierenden Kulturkreises mit neuen Einflüssen handelt, sondern um die massenhafte Konfrontation einer durch den Niedergang ohnehin verunsicherten Kultur mit anderen Kulturen, die im besten Falle als fremdartig, aber auch in Teilen als rückständig bis hin zu archaisch beschrieben werden müssen.

Drastisch formuliert: auf einen Ehebruch beispielsweise kann man gesellschaftlich mit Ignorieren, Tadeln oder mit einer Steinigung reagieren. Nichts davon ist per se richtig oder falsch, sondern jeweils der entsprechenden Kultur angemessen. Ebenso verhält es sich, wenn unserem Respekt vor der Frau Abstufungen von Unterdrücken, Schlagen oder gar Zunähen oder Beschneiden von Geschlechtsteilen gegenüberstehen.

Immer wieder gerne werden von den weltanschaulichen Kräften, die Deutschland zum Einwanderungsland erklärt haben, die positiven Einflüsse durch die Hugenotten genannt. Doch dabei wird ignoriert oder unterschlagen, dass die Hugenotten Kulturträger waren, die den rückständigen Preußen einen Sprung nach vorne möglich machten. Durchaus vergleichbar ist auch die polnische Einwanderung zu Zeiten der Industrialisierung: Es kamen kulturell eng Verwandte auf vergleichbarem Bildungsniveau, ähnlichen Werten und einer gemeinsamen Geschichte. Das betrifft im übrigen durchaus auch die moderne Polen-Migration mit Menschen, die sich hier wesentlich leichter einfügen, als solche aus weniger entwickelten Kulturkreisen.

Doch es kommen auch letztere, und es kamen nie zuvor so viele. Die Menge an Fremden, die unsere Gesellschaft sich seit Jahrzehnten anmaßt, integrieren zu können, erzwingt geradezu Parallelgesellschaften. Kultureller Transfer geschieht, wie schon angedeutet, auch durch Unterricht, in der Hauptsache aber durch Anpassung. Und selbst dann ist es ein langwieriger Prozess, der in einem Lebensalter nicht abgeschlossen werden kann. Dies beweisen die Probleme, die gemischtkulturelle Ehepaare trotz aller Liebe und bestem Willen haben. Dies beweisen Flamen und Wallonen in Belgien. Und dies beweist, auch wenn man es nicht sagen darf, ohne ans politisch-korrekte Kreuz genagelt zu werden, die seit 300 Jahren nicht besonders erfolgreiche Integration der Schwarzen in die nordamerikanische Gesellschaft, wobei sich dort natürlich beide Seiten, um es vornehm auszudrücken, über den größten Teil der Zeit nicht besonders integrationsfreundlich verhalten haben.

Parallelgesellschaften verhindern den kulturellen Anpassungsprozess, und sie entstehen überall dort, wo es erstens große kulturelle Unterschiede und zweitens zu geringe Mengenunterschiede der jeweiligen kulturtragenden Kräfte gibt. Integration funktioniert - wenn auch wesentlich schleppender als offiziell angenommen - dort, wo eine integrationsfähige Menge von Zuwanderern auf eine selbstbewusste Leitkultur stößt. Das mag für manche bedauernswert sein, aber indem man die Augen vor dem Problem verschließt, verschwindet es nicht.

Mehr von Konrad Kustos gibt es hier: chaosmitsystem.blogspot.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: D.Eppendorfer

Ab etwa 2030- 2050 hat sich dieses Piefke-Problem von allein erledigt, denn dann regiert hier eine moslemische Mehrheit. Viel Spaß also noch in Merkelandistan und Eurasien.

Und quatsche hinterher keine erbärmliche Mitläuferkreatur davon, er/sie sei nicht gewarnt worden.

Gravatar: Helene

Stimmt alles. Es ist keine rosige Zukunft, die uns bevorsteht.

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