Vom Glück der Wiedervereinigung

In genau einer Woche ist es soweit: Die Wiedervereinigung vom 3. Oktober 1990 jährt sich zum 20. Mal. Das geht nicht ohne Feiern ab. Die offizielle Staatsfeier findet diesmal in Bremen mit Bundespräsident Wulff statt, der ankündigte, dabei insbesondere zum Thema Sarrazin und zur Ausländerintegration Stellung zu nehmen. Da sind die Frankfurter  gut dran, die für ihre Feier in der Paulskirche einen der Männer als Redner gewannen, die die Wiedervereinigung ermöglichten: den früheren Staatspräsidenten der Sowjetunion Gorbatschow.

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In Berlin soll der Wiedervereinigung mit einer nur einstündigen Veranstaltung vor dem Reichstagsgebäude gedacht werden, bei der  Bundestagspräsident Lammert spricht. Mehr Interesse als die Rede dürften freilich die Fernsehaufnahmen finden, die am 3. Oktober 1990  vor dem Reichstagsgebäude gemacht wurden. Ein Volksfest aus diesem Anlass scheiterte in Berlin an der Ablehnung der rot-roten Regierung. Sie sieht keinen Anlass zum Feiern, sondern hält einen Empfang im Abgeordnetenhaus für angemessen, bei der die Politiker unter sich bleiben: Wohlgemerkt nicht um der Wiedervereinigung zu gedenken, sondern der Übertragung der alliierten Rechte an Berlin auf das Abgeordnetenhaus. Da fällt einem doch gleich der Satz ein, mit dem der damalige Regierende Bürgermeister Momper den Fall der Mauer am 9. November 1989 kommentierte: "Wiedersehen , nicht wiedervereinen!"

 Es ist müßig, an den Fakten herum zu deuteln: Der politischen Klasse dieses Landes war die Wiedervereinigung kein Herzensanliegen. Die im Osten bekannte sich offen zur Zweistaatlichkeit und die im Westen hatte sich mit ihr abgefunden. Dass die Einheit dennoch zustande kam, ist vor allem das Verdienst der Deutschen, die in der DDR eingepfercht waren; allen voran den Demonstranten, die in Leipzig  und andernorts mit ihrem Schlachtruf "Wir sind ein Volk!" der DDR das Lebenslicht ausbliesen. Ohne sie wäre Frau Merkel vermutlich heute noch Mitarbeiterin der Akademie der Wissenschaften der DDR. Sie haben damals die Welt verändert und dem Kalten Krieg den Garaus gemacht. Was sie nicht schafften, war, das Hochgefühl und den Stolz darauf, Deutsche zu sein,  auf die politische Führungsschicht zu übertragen und damit die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass diese Empfindung das Land insgesamt erfassen und prägen konnte. "Nur keine Renaissance von Nationalgefühl" lautete die nie laut ausgesprochene, aber dennoch allgegenwärtige Devise der Parteien und ihrer Regierenden. Dabei ist es geblieben. Über die Folgen gibt die Demoskopie Auskunft: Nur für die Hälfte der Deutschen  ist die Wiedervereinigung ein Anlass zur Freude. Alle wissen zwar: Die Wiedervereinigung ist ein großes Glück – aber zu viele empfinden dieses Glück nicht. Das ist alles andere, als ein Grund zur Freude.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: bürger

ob nun ostdeutsche oder westdeutsche stasi, wo ist da der unterschied?

Gravatar: Lars-Michael Lehmann

Die deutsche Wiedervereinigung vor 20 Jahren ist es unbedingt wert gefeiert zu werden! Auch wenn sich nicht alle Träume für alle erfüllt haben, trotzdem leben wir in einem wiedervereinigten Land, was durch die friedliche Revolution der Bürger in Gang gesetzt wurde. Das darf man niemals mehr vergessen, was damals vor 20 Jahren war.

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