Vivianes verlorenes Vabanquespiel

Nicht mal eine politische Halbwertszeit von zwei Tagen erreichte Viviane Redings erneuter Vorstoß für eine EU-weite Frauenquote. Zwischen Lachnummer und Rohrkrepierer.

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Für Champagner ist es noch ein bisschen zu früh, aber ja, ich gebe zu, ich kann mir eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen angesichts der Nachrichten aus Brüssel, dass EU-Justizkommissarin Viviane Reding mit ihrem neuesten Gesetzesvorstoß zur EU-weiten Frauenquote wohl gescheitert ist, noch bevor das Papier überhaupt das zuständige Parlament erreicht hat. Es stellt sich unweigerlich die Frage, welches Szenario schlimmer ist: Hat Frau Reding wirklich so wenig politisches Gespür, dass sie die drohende Ablehnung zahlreicher EU-Staaten tatsächlich nicht hat kommen sehen, das wäre schon blamabel genug. Oder hat sie wohl wissend, dass es starken Gegenwind aus zahlreichen Mitgliedstaaten gibt, dennoch versucht, einfach von Brüssel aus allen ihre Quote mit Befehlston überzustülpen? Das wäre dann einfach nur Ignoranz.

Der brüllende Tiger wird zum fauchenden Kätzchen

40 Prozent Frauen in allen Aufsichtsräten bei börsendotierten Unternehmen, fordert Frau Reding – und das bis Januar 2020. Ansonsten drohen Bußgelder, Entzug staatlicher Subventionen oder gar der Ausschluss von öffentlichen Wettbewerben. Wird ein Mann eingestellt, obwohl es eine genauso gut qualifizierte Frau gegeben hätte, kann der Mann den Job sogar verlieren. Klingt nach Holzhammer und großem Tamtam. Ja, Frau Reding hat die Warterei satt, sie will nun richtig durchgreifen.

Genauer betrachtet, wird der brüllende Tiger jedoch zum fauchenden Kätzchen mit Egoproblem: Denn schon im Vorfeld sind bereits derart viele Ausnahmen in diesem Gesetzesentwurf verankert, dass man sich fragt, für wen die Regelung überhaupt noch greift? Und wenn sowieso nur wenige Firmen unter die Kriterien fallen, warum lässt man es nicht gleich ganz? Abgerückt ist Reding komplett von den Vorständen der Dax-Unternehmen, es soll nur noch für die Aufsichtsräte gelten. Es gilt auch nur für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und mindestens 50 Millionen Jahresumsatz. Außerdem gibt es eine sogenannte „Flexibilitätsklausel“ für die Firmen, mit der sie doch einen Mann einstellen können, selbst wenn es Kandidatinnen mit gleicher Qualifizierung gibt. Ja, was denn nun? Will sie nun eine flächendeckende Quote, oder will sie keine? Was hier mit viel Getöse angekündigt wird, ist schon in der Planung nur ein halbherziges Unterfangen.

Vielleicht will die Justizkommissarin auch einfach nur persönlich ihr Gesicht wahren. Einfach nur den Spatz in der Hand behalten, wohl wissend, dass mehr als eine Quote light nicht zu reißen ist – und nun fliegt ihr auch das noch um die Ohren. Ein bisschen Quote wäre wohl leichter zu verkraften als die große Blamage, gar keine zu kriegen, wo sie doch schon seit Monaten mit verbalen Rundumschlägen aus Brüssel droht. Dabei gäbe es Gründe genug, den Quoten-Unsinn ein für alle Mal vom Tisch zu räumen. Steht doch das ganze Unterfangen von Anfang an unter einem ganz schlechten Stern und nun brechen auch noch die bislang vermeintlich guten Argumente für eine Quote Stück für Stück weg.

Was hatte man uns nicht alles versprochen durch mehr weibliche Führungskraft in den Vorstandsetagen. Lassen wir Josef Ackermanns Hoffnung auf mehr bunte Kleidung mal beiseite – mehr Gewinne, sorgsameres Wirtschaften, bessere Teamarbeit – fehlte nur noch besseres Wetter. In der Regel berief man sich auf eine Studie von McKinsey, wonach es den Unternehmen große Wettbewerbsvorteile und mehr Gewinne brächte, wenn sie mehr Frauen in Führungsposten vorlassen. Von Anfang an gab es Kritik an dieser Studie, denn die Ursächlichkeit von Unternehmenserfolg und Frauenanteil konnte mit den zitierten Zahlen niemals wissenschaftlich belegt werden. Es existierte nur eine Korrelation der Faktoren, aber kein Wissen darüber, was hier Ursache und was Wirkung ist. Genauso gut hätte man auch daraus schließen können, dass erfolgreiche Unternehmen neuerdings verstärkt Frauen einstellen.

Man fragt sich jedenfalls, wieso McKinsey eigentlich im eigenen Unternehmen nicht die Frauenquote einführt, die man allen anderen ans Herz legt? Will man dort etwa keine Gewinne machen? Die Antwort gibt Dr. Nina Wessels, Director of Recruiting bei McKinsey, mit dem entwaffnenden Satz: Man wolle die Besten einstellen, und deswegen sortiert man dort nicht nach Männern und Frauen. Auch als man bei McKinsey im Frühjahr seinen„Woman matter“-Report veröffentlichte, war von Quoten dort keine Rede. Die Sprecherin von McKinsey in der Schweiz, Dagmar Fässler-Zumstein, ließ sich sogar zu der Aussage hinreißen, dass Quoten der falsche Weg seien, um Frauen zu fördern. Außerdem sind sie Gift für das Betriebsklima. Entscheidend sei vielmehr, dass der Job an denjenigen vergeben werde, der am besten geeignet sei – egal ob Mann oder Frau. Vergessen wir also McKinsey, niemand empfiehlt dort die Quote und niemand will dort eine Quote.

Doch auch andere Studien entzaubern inzwischen den Mythos, dass Frauen in Führungsetagen die besseren Menschen seien. Als die große Bankenkrise über die Welt einbrach, war schnell der Satz zur Hand „Mit den Lehman-Sisters wäre das nicht passiert.“ – Ja, das klang gut, mit Frauen an der Spitze gibt es eben nur fairen Handel, Win-win-Situationen, runde Tische und Apfelkuchen. Auch so ein Märchen. So ergab eine Untersuchung mit über 14.000 Führungspersönlichkeiten weltweit, dass sich Frauen und Männer in Spitzenpositionen vielmehr in ihren Charaktereigenschaften ähneln und persönliche Merkmale und Stärken deutlich wichtiger sind als das Geschlecht. Nein, Männer streben nicht stärker nach Status, Macht oder Geld als Frauen und ebenfalls nein: Frauen suchen nicht mehr nach Akzeptanz und Bestätigung als ihre Kollegen. Gerade in Deutschland nivellierten sich die Unterschiede noch stärker als im weltweiten Vergleich, heißt es in der Studie.

Erfahrung lässt sich nicht an der Uni studieren

Und dann noch Norwegen. Mein Lieblings-Quoten-Land mit den Damen-Goldröcken. Frau Reding lobt gerne die „guten Erfahrungen“, die man dort gemacht habe. Nicht alle Aktionäre der Dax-Unternehmen in Norwegen würden das unterschreiben und bestätigt wird dies durch eine neue Studie aus den USA, wonach die Quote dort zu schnell und überstürzt eingeführt worden ist und diese Methode der Wirtschaft nichts bringt, sondern ihr sogar schadet. Durch die Frauenquote sei es in Norwegen erst mal zu deutlichen Kurs- und Umsatzverlusten gekommen. Nicht weil die eingestellten Frauen schlechter waren als ihre männlichen Kollegen – sie waren einfach unerfahrener. Wollen wir das Experiment mit der Brechstange bei uns in Deutschland jetzt also wirklich wiederholen, oder gar auf die ganze EU ausweiten? Erfahrung lässt sich nicht an der Uni studieren und in Noten ausdrücken, man muss sie sich hart erwerben. Wer aber die Erhöhung des Frauenanteils einfach aus Prinzip übers Knie bricht, der stellt auch unerfahrene Frauen ein, denn es sind nicht genug qualifizierte mit Erfahrung überhaupt zu finden.

Gewinner dieser Diskussion sind sowieso die ganzen Personalberatungsunternehmen. Diese hätten jedenfalls bis 2020 genug zu tun, um diese Frauen für die Vorstandsetagen aufzuspüren – die man in Norwegen einst jedenfalls nur schwer fand.

Wer angesichts dieser Faktenlage immer noch eine Frauenquote will, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen – und damit sind wir am Ende auch schon wieder bei Frau Reding angelangt.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf TheEuropean.de

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Vivian Reding, die europäische Sonderausgabe von Ursula von der Leyen (die nicht mal ihren eigenen Wahlkreis bei der letzten Bundestagswahl gewann).

Guter und Populismus-sezierender Artikel, Frau Kelle

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