The European: Abschied vom Debatten-Magazin

The European wird eingestellt – das ist erstens schade und zweitens ein schlechtes Omen.

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Vor ein paar Jahren, ich weiß nicht mehr wann, habe ich mal beim Chefredakteur des deutschen Internetmagazins „The European“, Alexander Görlach, nachgefragt, ob er nicht Interesse an einer expliztit christlichen, katholischen Kolumne hätte. Damals war mein Blog noch nicht allzu alt, meine Beiträge vermutlich auch noch eher … sagen wir: noch verbesserungsfähiger als heute, aber die ersten Zuwächse stellten sich ein, da kann man ja mal versuchen, mit den Großen mitzuspielen. Sehr freundlich aber auch deutlich hat Herr Görlach damals abgelehnt, nicht ohne den Hinweis zu geben, die christliche Komponente würde er als Chefredakteur auch selbst abdecken.

Jetzt, ein paar Jahre später wird das Magazin eingestellt. Nein, das hat nichts miteinander zu tun, vermutlich hätten meine Beiträge die Entscheidung des Investors zum Rückzug nur noch bestärkt, und wenn ich die allermeisten der Beiträge beim European betrachte, dann liegen die wohl deutlich über meinem Niveau – Schuster bleib bei Deinen Leisten.

Trotz der Absage bin ich zumindest der Online-Version des European treu geblieben. Der Ausfllug ins Gedruckte war für mich nur von kurzer Dauer – die dort eingeschlagene links-liberale Richtung war keine, die es auf dem deutschen Markt noch gebraucht hätte, jedenfalls keine, für die ich hätte Geld zahlen wollen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum The European am Ende eingestellt wird: Online und gratis hochkarätige Beiträge zu lesen, auch solche, deren Thesen man nicht teilt, die aber dennoch – wenn auch manchmal nur im Sinne „Kenne deinen Feind“ – mindestens interessant sind … ob das ein erfolgversprechendes Geschäftsmodell sein kann? Jedenfalls war der European immer auch eine Themenfundgrube für meinen Blog, manchmal als Aufreger, manchmal unterstützend, manchmal auch zum direkten Verlinken.

Mir wird jedenfalls etwas fehlen, wenn das Magazin jetzt eingestellt wird: Mit Rechtsanwalt Heinrich Schmitz lag ich meistens inhaltlich auseinander, konnte aber immer seine Positionen nachvollziehen und verstehe auch, warum seine Kolumne „Recht klar“ zu den Meistgelesenen des European gehört. Alexander Wallaschs Beiträge waren für mich immer Höhepunkte, auch wenn ich mich über den einen oder anderen aufgeregt habe. Bei ihm wie bei den anderen Profis kann man als Blogger auch was hinsichtlich des treffenden Formulierens lernen. Sebastian Moll – der wohl wirklich den christlichen Part des Magazins mit seiner „Messe in Moll“ übernommen hat – ist zwar noch nicht lange dabei, war aber ebenfalls beeindruckend. Natürlich waren auch die Beiträge des Chefredakteurs Görlach immer lesenswert (wenn ich auch – so viel Nachtreten muss schon noch sein – nicht nachvollziehen kann, dass er mit ihnen ein explizites christliches Profil geliefert hätte).

Bei so einer Liste vergisst man natürlich immer jemanden, und ich hoffe, es nimmt mir niemand übel, wenn ich ihn nicht erwähnt habe. Einige habe ich auch deshalb nicht erwähnt, weil ich ihre Positionen nicht für wirklich fundiert gehalten habe. Wie gesagt, mit den Meinungen von Schmitz, Wallasch oder auch Görlach war ich nicht immer einverstanden, sie waren aber immer in sich schlüssig. Wer erwartet, dass man aus einer Debatte immer mit einem Konsens rausgehen muss, der hat wohl generell etwas nicht verstanden. Andere Meinungen dagegen, im Brustton der Überzeugung, nicht selten polemisch vorgetragen, aber ohne fundierten Unterbau – ich werde keine Namen nennen, aber die wurden meine Freunde nicht! Man muss ja aber auch nicht alles gut finden, und die Betreffenden werden auch ihre Fans gehabt haben.

Noch jemanden vergessen? Na klar: Birgit Kelle, die sicher einen gehörigen Beitrag zum Traffic beim European beigetragen hat. Ich weiß nicht, ob es nach „Dann mach doch die Bluse zu“ noch mal ein Beitrag zu solcher Breitenwirkung geschafft hat? Autoren wie sie oder auch Hugo Müller-Vogg komplettierten das politische, bei Kelle insbesondere das familienpolitische, Spektrum des European auch in eine andere Richtung, eine, mit der ich mehr anfangen kann als mit vielen der anderen Autoren. Am Ende machte es der Mix, oder um es mal mit einem anderen Magazin zu vergleichen: Nur Spiegel lesen macht auch einen Konservativen auf Dauer dümmer!

Es hilft nichts, die Ära des European geht zu Ende und man kann nur hoffen, dass sich andere Verleger oder Investoren finden, die sich erneut auf ein solches Experiment einlassen, und dass man die Autoren auch an anderer Stelle wiederfinden wird, insbesondere diejenigen, die nicht als professionelle Journalisten oder Publizisten auf eigenen Plattformen tätig sind. Es gibt schließlich einen Grund, warum ich so ausführlich darüber schreibe: Der European trägt seinen Untertitel zu Recht: „Das Debatten-Magazin“ – eine breit gefächerte Themenpalette, Diskurs auf meist hohem Niveau, Autoren, die sich auch nicht zu schade waren, auch bei ihren Kollegen zu kommentieren oder mit ihnen in den verbalen Clinch zu gehen. Und das alles in zivilisiertem Ton.

So sollte Debattenkultur aussehen, und wenn der European nun aus wirtschaftlichen Erwägungen eingestellt wird (offiziell habe ich über die Gründe des Investorenausstiegs noch nichts gelesen, aber der wird wohl kaum eine Cash-cow schlachten), dann ist das ein schlechtes Zeichen, aber auch ein Weckruf für Leute wie mich: Der billige Jakob wird es auf Dauer nicht sein, mit dem man sich auf hohem Niveau thematisch orientieren kann! Das Online-Magazin „The European“ war bis zum Schluss gratis, und darf wohl die Frage stellen, ob das so funktionieren kann oder Nutzer wie ich nicht auch mal in den sauren Apfel der Bezahlschranke beißen müssen. Andere Magazine testen diesen Weg gerade, und man kann nur hoffen, dass es erfolgreich sein wird.

Der European wird mir jedenfalls als Themenschmiede und Beitrag zur Debattenkultur fehlen. Was, wenn ich mit meiner Suche nach Gratis-Inhalten selbst dazu beigetragen habe? Was, wenn die kultivierte politische und öffentliche Debatte auch in Zukunft am Geld scheitern wird? Mag ich mir lieber nicht vorstellen!

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de 

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