Sportbeten?

Das heutige Tagesevangelium (Johannes 15, 1-8) gehört sicher zu den Klassikern – gern gelesen, und, was mich angeht, darum auch gerne überlesen.

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Jaja, ohne Jesus können wir nichts tun, ich weiß schon. Darum bin ich ja katholisch, gehe mindestens sonntags in die Kirche, bete täglich – da bleibt man doch in Jesus, bleibt eine Rebe am Weinstock Gottes:

Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.

Soweit so klar, und scheinbar einfach. Aber warum stolpere ich dann doch immer wieder?

Warum bin ich ungerecht zu meinen Kindern, wenn sie abends zu aufgedreht sind zum Schlafen und ich meine Ruhe haben will? Warum bin ich nicht aufmerksam gegenüber den Bedürfnissen meiner Frau sondern kümmere mich oft nur um meinen eigenen Kram? Warum vernachlässige ich Eltern, Familie und Freunde um die Dinge zu tun, die ich möglicherweise lieber mache? Warum bin ich oft nicht in der Lage, meinen Glauben so zu vertreten, dass er auch für andere anziehend erscheint? Warum führe ich so oft ein Leben, das sich nicht als gutes Beispiel für ein gelungenes Leben im Angesicht Gottes eignet? Wieso fällt mir noch bei jeder Beichte etwas ein, was ich vor den Herrn tragen möchte, bei dem ich vor Gott (und vor anderen) schuldig geworden bin?

Ich bete darum, jeden Morgen, dass ich ein besserer Vater, ein besserer Ehemann, ein besserer Sohn, ein besserer Freund, Christ … ein besserer Mensch vor Gott werde. Ab und an gelingt es, ab und an habe ich das Gefühl, das war ein gelungener Tag. Aber immer wieder, viel zu oft, tappe ich doch wieder in die Fallen, die das Leben so stellt und frage mich, warum das so ist, warum es – trotz Gebet, trotz Messe, trotz Sakramenten – wie die Amerikaner sagen – „so damn‘ hard“ ist.

Sind das dann, wie manche vielleicht meinen, nur Schuldkomplexe – pathologische Schuldgefühle, von denen gerade dem Glauben fernstehende Menschen behaupten, die Kirche belade die Menschen mit ihnen – ein Instrument eher zum Machterhalt, nicht zum Erreichen eines besseren Lebens? Ich bestehle niemanden, töte erst recht niemanden, gehe nicht fremd, schlage meine Kinder nicht, rufe regelmäßig meine Eltern an – ist doch schon alles okay! Ist doch schon mehr, als viele anderen tun – mehr kann doch auch Gott nicht verlangen.

Wenn ich manchen Menschen von meinem Gebetsleben berichte, halten viele das für „beeindruckend“ (manche sicher auch für völlig bescheuert), dabei ist es in meinen Augen und auch in den Augen vieler gläubiger Menschen, die ich kenne, nichts besonderes. Aber dieses „Lob“ von außen beinhaltet auch eine Gefahr: Das Gebetsleben wandelt sich zum Gebetspensum, zu einer Art Leistungsstreben – irgendwo habe ich mal den Begriff „Sportbeten“ gehört. Diese Einschätzung ist natürlich keine Aufforderung, weniger zu beten – es ist eine Aufforderung an mich selbst, mein Gebetsleben zu überprüfen. Ist mein Gebetsleben eine Kontaktpflege zu Gott, mit dem ich wie mit einem guten Freund, reden will, um zu wissen, wie er mich sieht und zu lernen, wie ich ihn sehen kann? Will ich Jesus besser kennenlernen um ihn zu sehen, wie er ist? Oder reiße ich meine Gebete ab, weil ich es muss oder weil ich denke, ich sei es irgendjemandem – mir selbst? – schuldig?

Doch dann schaue ich in das gütige Gesicht Jesu und weiß: Mit ihm zusammen kann ich noch wesentlich mehr! Wer weiß, wie mein Leben wäre, wenn ich nicht betete, wenn ich nicht versuchte, Rebe am Weinstock zu sein, in Jesus zu bleiben, damit er in mir bleibt? Und wer weiß, wie gut mein Leben sein könnte, wenn ich diese Bindung noch intensivieren würde? Wenn ich vor eine kritischen Situation Kontakt aufnähme mit Jesus, anstatt zu glauben, es schon alleine zu können?

„Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. […]Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.“ – Ich glaube an diesen Satz, ich vertraue darauf, dass Jesus ihn genau so gemeint hat, wie er hier steht. Aber wie macht man das, in Jesus bleiben? Mehr beten – oder anders beten? Wohl eher letzteres, dann kommt ersteres vermutlich von alleine!

Beitrag zuerst erschienen auf: papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Joachim Datko

Denken statt beten!

Zitat aus dem Artikel: "Jaja, ohne Jesus können wir nichts tun, ich weiß schon. Darum bin ich ja katholisch, gehe mindestens sonntags in die Kirche, bete täglich – [...]"

Da sieht man, wie wichtig der Rückgang bei den sonntäglichen Kirchenbesuchen ist.
Von den verbleibenden evangelischen Christen gehen nur 3,5% (2012) am Sonntag in die Kirche, von den r.-k. Christen waren es 2012 11,8%, 2013 10,8%, die Situation bessert sich zusehends, es gehen immer weniger Menschen in die Kirchen.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

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