Sind Internetsperren gegen Kinderpornographie Zensur?

Bald nachdem Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen Internetsperren für Internetseiten mit Kinderpornographie gefordert hat, wurde der Vorwurf erhoben, man wolle eine Zensur im Internet einrichten. Dieser Vorwurf kam nicht nur aus der liberalen Ecke, sondern von links bis rechts.

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Immer wieder wurde behauptet, dass, wenn erstmal solche Internetsperren eingeführt werden, würden weitere folgen, die sich gegen unbeliebte politische, ideologische usw. Inhalte richten würden. Vorsichtshalber wurde angefügt, dass man gegen Kinderpornographie sei. Doch „Zensur“ wäre das falsche Instrument. Damit würde man „das Kind mit dem Bade ausschütten“.

Was soll man von diesem Vorwurf halten?

Das Gesetzesprojekt sieht vor, dass Internetsperren eingeführt werden sollen, um den Zugang zu Internetseiten zu behindern, die man ansonsten nicht sperren kann. In vielen Ländern ist das Angebot von Kinderpornographie verbieten und wird bestraft. Bietet jemand solche Inhalte im Internet an, wird er von der Polizei verfolgt werden und man wird den Provider veranlassen, die Inhalte oder die gesamte Internetseite zu blockieren. In manchen Ländern gibt es keine solchen Gesetze oder der Staat hat nicht die Möglichkeit, gegen Kinderpornographie im Internet vorzugehen. Anbieter können Länder als Plattform für ihre Geschäfte wählen, da sie ansonsten strafrechtlich verfolgt werden. Die geplanten Internetbarrieren richteten sich gegen diese Anbieter.

Falls man den Zensurvorwurf ernst nehmen will, dann müsste man schon gegen die in Deutschland herrschenden Verbote protestieren. Und das sind sehr viele und sie werden vom Staat ernst genommen. Laufend werden Internetseiten oder einzelne Inhalte indiziert. Anbieter von strafrechtlich relevanten Inhalten, inklusive Kinderpornographie, werden polizeilich verfolgt. Auch verbotene politische Inhalte wie Nationalsozialismus werden verfolgt und bestraft. Selbst sog. Pro-Anaroxia-Websiten wurden indiziert, also solche, die nicht einmal ideologische Inhalte haben.

Proteste gegen diese Indizierungen und Verbote konnte man seitens der Gegner der Internetsperren für Kinderpornographie nicht vernehmen, wahrscheinlich, weil sie wissen, dass niemand die Liberalisierung sämtlicher Angebote im Internet, inklusive Kinderpornographie, gutheißen würde.

Das Gesetz zur Sperrung kinderpornographischer Internetseite wurde für ein Jahr von der neuen Koalition ausgesetzt, obwohl der Bundestag schon in der vergangenen Legislaturperiode dem zugestimmt hat. Bundespräsident Horst Köhler hat das Gesetz noch nicht unterschrieben, weil er auf eine Stellungnahme aus Europa wartet. Die Kommission hat schon grünes Licht signalisiert.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stefanie

ALLES was den Kinderh HILFT IST GUT und sollte auch gegen jeden Widerstand durchgedrückt werden! Kinder brauchen Schutz. Und den sollen sie bekommen.

Alles was der WÜRDE von Kindern schadet ist schlecht und soll mit allen Mitteln verboten werden, finde ich.

Gravatar: Peter Harmsen

Der eigentliche Skandal ist die Abschaffung der Gewaltenteilung mit einem allmächtig agierenden BKA:
Die bisher bekannt gewordenen "Kinder"pornosperrlisten aus Skandinavien und Australien zeigen übereinstimmend, dass keine (wie auch mehrfach vom BKA behauptet) tausende kinderpornografischer Seiten im Internet existieren. Lediglich 2-3 % der gesperrten Seiten zeigen tatsächlich Kinderpornografie; die anderen 97 - 98% zeigen, wenn überhaupt, Pornografie mit jungen Erwachsenen oder Scheinjugendlichen.
Das BKA wird wie die "erfolgreichen Vorbilder" neben den ein oder zwei Dutzend tatsächlich von dem Inhalt des Gesetzes erfassten kinderpornografischen Seiten diverse Inhalte auf seine "Löschwunschliste" setzen, die auch nach Aufforderung von vielen ausländischen Providern aus gutem Grunde nicht gelöscht werden. Neben den bereits erwähnten Pornoseiten mit jungen Erwachsenen/Scheinjugendlichen (die in den meisten Staaten bei urkundlichem Nachweis der Volljährigkeit der Darsteller legal sind) sind nach deutschem Recht darüber hinaus auch "kinder"pornografische Zeichnungen/Comics oder Texte kriminalisiert. De facto handelt es sich bei diesen Darstellungen von "Straftaten an Kindern" um reine Fiktionen; ohne Täter und Opfer.
Das BKA wird bei vielen seiner Löschbegehren (aufgrund der Legalität der beanstandeten Inhalte an den Serverstandorten) keinen Erfolg haben und diese Zahlen (ohne die eben geschilderten Hintergründe) nach Ablauf der Evaluierungsphase der Bundesregierung/dem Bundestag als erfolglose Löschversuche "kinder"pornografischer Seiten präsentieren.

Gravatar: Ralf B.

Sehr interessant Herr Weigele ! Danke für den Hinweiß, daß war mir nicht so klar.

Gravatar: Martin Weigele

Der Autor verkennt, dass das Sperren von Internet-Seiten irgendwo auf der Ebene des Transportes vom Anbieter zum Leser, die aufgrund der technischen Architektur des Internet meist auch gar nicht vollständig möglich ist, etwas völlig anderes ist, als das Vorgehen gegen gesetzeswidrige Inhalte beim Anbieter der rechtswidrigen Information, also an der Störerquelle selbst.

Die Einführung einer technischen Infrastruktur zur Blockade von Inhalten auf der Ebene des Transportes, insbesondere über geheim gehaltene Listen, ermöglicht es technisch, auch beliebige missliebige Inhalte zu sperren, ohne dass dies von der Öffentlichkeit kontrolliert werden kann. Kinderpornographische Inhalte, die mir im Internet im übrigen in dreißig Jahren beruflicher Interneterfahrung noch niemals begegnet sind, können in nahezu allen Staaten der Welt strafrechtlich an der Quelle verfolgt werden. Das Sperren von Inhalten auf dem Transportweg hingegen ist auch deshalb problematisch, weil es im Grunde solche Angebote schützt. Denn die Öffentlichkeit kann ihre notwendige Rolle bei der Initiierung und Kontrolle von Strafverfolgung so gar nicht mehr wahrnehmen.

Im übrigen wird auch das mißbräuchliche Vorgehen gegen legitime freie Meinungsäußerungen im Web entgegen der Meinung des Autors heftig kritisiert, von Weblogs wie buskeismus.de bis hin zur FAZ.

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