Die Aufregung um die fallenden Börsenkurse ist eher dem Bedürfnis der Medien nach dramatischer Berichterstattung geschuldet als der wirklichen Relevanz. Die einen schimpfen auf die „Spekulanten“, die anderen erwarten, dass die Politik die Märkte mit politischen Maßnahmen „beruhigt.“ Es gehört zu den nicht aus der Welt zu schaffenden Vorurteilen, dass der Anstieg von Börsenkursen immer gut und das Fallen von Börsenkursen immer schlecht ist. Es kann durchaus umgekehrt sein. Wenn etwa durch Schulden und Geldvermehrung an den Börsen eine Spekulationsblase entsteht, dann ist der übertriebene Anstieg der Kurse schlecht und die Anpassung eine vernünftige Rückkehr zu „normalen“ Verhältnissen.

Die Börsen sind für die Probleme der Realwirtschaft nicht verantwortlich zu machen. Allenfalls kann der Fall der Börsenkurse als Indikator für die Erwartungen an die Entwicklung der Realwirtschaft gesehen werden,. Diese skeptischen Erwartungen sind auch gerechtfertigt, da sich die Weltwirtschaft in einer Schieflage bewegt, die auf die eine oder andere Weise korrigiert werden wird. Mittelfristig wird das die Wirtschaft hierzulande und weltweit in Mitleidenschaft ziehen. Die öffentliche und private Überschuldung spielt bei diesen Aussichten eine gewichtige Rolle.

Das Wachstum der Weltwirtschaft beruht sehr stark auf dem Wachstum in China. Chinas Wachstum beruht sehr stark auf den Export in die Vereinigten Staaten und hängt damit an der Nachfrage des US-Verbrauchers. Sowohl die Verbraucher als auch die US-Regierung sind hoch verschuldet. Der Schuldenstreit in diesem Sommer hat gezeigt, dass diese Verschuldung eine Phase erreicht hat, in der sie nicht mit derselben Geschwindigkeit wie in der Vergangenheit ausgedehnt werden kann. Also werden die USA und die Verbraucher in den USA sparen müssen. Diesmal sind Konjunkturprogramme im Sinne von Keynes keine Option mehr. Das Pulver wurde bereits verschossen. Eine weitere Kreditaufnahme in dieser Dimension würde die Zinsen in astronomische Höhen treiben.

Die notwendigen Sparanstrengungen der USA werden Rückwirkungen auf den Export aus China in die USA haben und es wird Auswirkungen auf den Export anderer Staaten nach China haben. Allein dieser Umstand dürfte zu einem Abkühlen der Weltwirtschaft führen. Ein weiterer Faktor kommt hinzu, der Staatsanteil in allen westlichen Ländern spielt in der Wirtschaft eine erhebliche Rolle. Über Subventionen, Sozialleistungen, den öffentlichen Dienst und Rüstungsausgaben wird ein großer Teil der Wirtschaft künstlich am Laufen gehalten. Dies wird durch Steuern und Schulden finanziert. Wenn die Steuern durch die wirtschaftliche Abkühlung einbrechen und die Verschuldung nicht weiter fortgesetzt werden kann, weil jetzt bereits das Vertrauen in die Währung und Zahlungsfähigkeit der Staaten erschüttert ist, dann heißt das, dass erhebliche Konsolidierungsanstrengungen bevorstehen.

Das heißt: Kürzung bei den Subventionen, keine Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst und keine Neueinstellungen, Abbau sozialer Leistungen und Rückführung von Ausgaben für das Militär. Auch das wird sich dämpfend auf die Gesamtwirtschaft auswirken. Beide Entwicklungen zusammen: Die Korrektur bei den Handelsungleichgewichten und die notwendige Sparpolitik der Regierungen und der öffentlichen Haushalte wird einerseits die Nachfrage nach Konsumgütern ebenso senken, wie die Nachfrage nach Gütern aus der kapitalintensiven Produktion. Das heißt die Gewinne der Unternehmen werden in der Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit zurückgehen und diese Entwicklung wird von den Börsen derzeit antizipiert.

Ein solcher Sturz der Börsenkurse ist also durchaus „gesund.“ Ein schneller Sturz der Börsenkurse hat den Vorteil eines Endes mit Schrecken, statt einem Strecken ohne Ende. Je schneller die Kapitalmärkte den erwarteten wirtschaftlichen Rückschlag in die Aktienpreise einspeist haben, umso schneller wird man zu einer „normalen“ Tagesordnung an den Börsen zurückkehren können.