Schuld und Vergebung

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In einigen Medien wurde bereits über den „Franziskus-Effekt“ spekuliert, nach dem seit dem Amtsantritt des Papstes die Zahl der Beichten gestiegen sei, nicht zuletzt ausgelöst durch den Aufruf, die Priester mögen doch mehr zur Spendung des Bußsakramentes bereit stehen, die Menschen würden dann schon kommen. Nun basieren solche Berichte auf Einzelaussagen von Priestern, eine Statistik, wie viele Beichten pro Monat in den Kirchen abgenommen werden, existiert nicht.

Was aber sicher notwendig und im Sinne der Verbreitung dieses Sakraments hilfreich ist, ist die „Normalisierung“ des Umgangs damit. Denn der ebenfalls subjektive Eindruck ist: Beichtzeiten der Kirchen werden – insbesondere wenn sie nicht in unmittelbarer Nähe von Hochfesten wie Ostern oder Weihnachten liegen – nur in geringem Umfang genutzt. Und so sind es auch wunderbare persönliche Zeugnisse, die unser Papst bei seiner letzten Mittwochskatechese, abgegeben hat, als er unter anderem sagte:

Wenn ich beichten gehe, dann möchte ich gesund werden: gesund werden in der Seele und im Herzen für etwas, das ich getan habe und das nicht in Ordnung ist.

So einfach wie der Satz klingt, so schwer wird er doch für viele zu verstehen sein. Denn wer sich heute „in der Seele“ nicht gesund fühlt, der sieht die Ursache dafür meist in äußeren Einflüssen. Der Begriff der „Schuld“ wurde durch den der „Schuldgefühle“ pathologisiert, als ob diese Gefühle eine Krankheit wären, die man bekämpfen müsste. Dabei sind diese Gefühle nur das Symptom einer tatsächlichen Krankheit, die ich mir allerdings selbst zufüge, in dem ich mich von Gott abwende.

So kann eine psychologische Behandlung, die sich gegen angeblich pathologische Schuldgefühle wendet, auch nur diese Symptome behandeln. Damit soll nicht gesagt sein, dass es nicht auch solche Pathologien gibt, es wäre nur ein Trugschluss, daraus abzuleiten, es gäbe so etwas wie Schuld nicht mehr. Dieser Trugschluss trägt vielleicht nicht nur dazu bei, dass viele nicht mehr zur Beichte gehen, sondern auch, dass sich Menschen, die gehen, auch noch unwohler fühlen. Denn machen wir uns nichts vor: Um Vergebung zu bitten, damit auch Schuld vor einem anderen einzugestehen, fällt uns im Normalfall nicht leicht. Und trotzdem ist Vergebung nur durch den anderen, in der Beichte durch Jesus, zu erlangen. Wie der Papst es beschreibt:

Ich kann nicht sagen: Ich vergebe mir die Sünden. Um Vergebung wird gebeten, bei einem anderen, und in der Beichte bitten wir Jesus um Vergebung. Die Vergebung ist nicht ein Ergebnis unserer Bemühungen, sondern ein Geschenk, eine Gabe des Heiligen Geistes. Sie erfüllt uns mit Barmherzigkeit und Gnade, die vom offenen Herzen des gekreuzigten und auferstandenen Christus unaufhörlich fließen.

Das zu begreifen kann aber auch eine Erleichterung sein. Denn man könnte auch formulieren: ich muss mir die Sünden nicht vergeben, sie werden mir vergeben, ich muss mich nicht bemühen, sondern werde beschenkt. Das sollte den Weg zur Beichte erleichtern, die aber auch dadurch nicht zu einem selbstverständlichen Akt wird. Mir selbst jedenfalls geht es so, dass ich meine Verfehlungen meist durchaus erkenne, aber trotzdem Hemmungen habe, zur Beichte zu gehen.

Dazu kann kommen, dass man, wenn man einen festen Beichtvater hat, also einen Priester, zu dem man regelmäßig zur Beichte geht und der einen – das ist dann das Problem – persönlich kennt, noch mehr Scham entwickelt, entweder weil einem die begangene Sünde so unangenehm ist, und/oder weil ich immer wieder für die gleiche Art von Sünde um Vergebung bitte. Was mag der Priester da denken …?

Trotzdem, so erläutert der Papst, ist der Gang zu einem Priester auch deshalb notwendig, weil man mit der Beichte nicht nur Gott sondern auch die Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen, um Vergebung bitte. Der Priester ist also nicht nur ein „alter Christus“, ein Vertreter und Sprachrohr Jesu, beauftragt, die Sünden zu vergeben, sondern auch ein Vertreter der Kirche und der Gemeinde. Dem einen oder anderen mag das noch schwerer erscheinen, aber die Rolle des Priesters und die Wirkung der Beichte wird von Papst Franziskus wunderbar wie folgt beschrieben:

Der Priester nimmt die Beichte mit Liebe und Zärtlichkeit an, im Namen Gottes, der vergibt. Auch vom menschlichen Standpunkt aus tut es gut, mit dem Bruder über die Dinge zu sprechen, die mein Herz belasten. Habt keine Angst vor der Beichte! Wenn man sich in die Schlange zur Beichte anstellt, empfindet man Scham, aber am Ende der Beichte kommt man frei, groß, schön, erleichtert, glücklich heraus, es ist einem verziehen worden.

Diese Beschreibung ist natürlich auch eine Aufforderung an die Priester, sich auch wie Jesus zu verhalten. Dazu mag aber auch gehören, an der einen oder anderen Stelle mal nachzufassen. Nun ist ein Sakrament ein Sakrament, es wirkt unabhängig von der Intensität des Gesprächs mit dem Priester, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir die Beichte in meinem persönlichen Lebensentscheidungen weiter hilft, wenn der Priester auch mal nachhakt und genau analysiert, was Hintergrund meiner Sünden ist: wie oft begehe ich die Sünde, in welchen Situationen, gegen wen richtet sie sich, wem schade ich dadurch, wie fühle ich mich dabei …? Fragen, an denen man sich gerne vorbei mogeln würde, die den erfahrenen Priester aber auch in die Lage versetzen, nicht nur die Absolution zu erteilen, sondern auch Rat zu geben, wie ich diese Dinge in Zukunft hoffentlich vermeiden oder zumindest reduzieren kann.

In dem Fall ist auch ein fester Beichtvater besser als anonym in einer fremden Kirche zur Beichte zu gehen, selbst wenn es einem leichter fallen sollte, wenn der Priester einen persönlich nicht kennt. Ein fremder Priester kennt meine Geschichte nicht, kennt meinen persönlichen Hintergrund nicht, weiß nicht um meine Herausforderungen. Er spendet verantwortlich die Absolution, und das Sakrament wirkt in mir, in seiner Analyse muss er aber naturgemäß an der Oberfläche bleiben.

Trotzdem: Egal wo man zur Beichte geht, ist es besser als nicht zur Beichte zu gehen. Für seine Sünden vor Gott und der Kirche um Vergebung zu bitten ist besser als es nicht zu tun. und, ganz besonders: Jetzt gleich ist besser als später! Und so sollte das Fehlen eines vertrauten Priesters nicht dazu führen, den Weg zum Bußsakrament zu verschieben:

Wenn viel Zeit vergangen ist, verliere keinen weiteren Tag: geh hin, der Priester wird geduldig sein. Und Jesus auch! Jesus empfängt dich mit viel Liebe. Sei mutig, und geh zur Beichte. Das Sakrament der Beichte feiern ist wie in eine Umarmung aufgenommen zu werden, die Umarmung der unendlichen Barmherzigkeit des Vaters.

Was der Papst sagt stimmt: Die Beichte verlangt Mut! Und das – so wieder meine Erfahrung – ändert sich auch nicht, wenn man regelmäßig alle paar Wochen zur Beichte geht. Der Wunsch, seine Verfehlungen lieber nicht zuzugeben, wird nicht kleiner. Dennoch hilft natürlich eine gewisse „Routine“, und vor allem die Aussicht auf die von Papst Franziskus erwähnte Umarmung ist aller Mühe und aller Überwindung wert. Der Zustand der Versöhnung mit Christus ist eigentlich unser gottegwollter Naturzustand, die Trennung von ihm, die Abwendung durch unsere Verfehlungen, ist die eigentliche Pathologie unserer Seele. Und man spürt – vielleicht nicht bei der ersten Beichte nach Jahren, die man möglicherweise eher nervös und zittrig abgibt, aber doch wenn man regelmäßig geht – diese Heilung in der Seele.

Ein Wort noch zur Warnung: Es sollte sich niemand wundern, dass es ihm scheint, als würden sich alle möglichen Hürden auf dem Weg zur Beichte in den Weg stellen. Sie werden gerade an dem geplanten Tag keine Zeit haben, Sie haben eine Panne mit dem Auto, die Bahn verspätet sich, Sie werden zweifeln, ob die Beichte überhaupt notwendig, die Schuld wirklich so schwer ist. Auch wenn das heute wenig angesprochen wird: Es gibt einen Gegenspieler Gottes, der die Versöhnung zwischen Ihnen und Christus nicht will, dem diese Versöhnung und die Liebe zwischen Ihnen ein Graus ist, und der wird einiges in Bewegung setzen, diese Beichte zu verhindern. Gehen Sie trotzdem! Gemeinsam mit Gott sind wir stärker als der Widersacher, und die Versöhnung mit Gott ist es wert, diesen Kampf zu kämpfen!

Die Zitate stammen von der Webseite von Radio Vatikan

Beitrag erschien auch auf: blog.peter-winnemoeller.de

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Gravatar: Joachim Datko

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Joachim Datko - Physiker, Philosoph
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