Rückblick auf das Schuljahr

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Seit einem Jahr lerne ich einen Tag pro Woche zusammen mit meinen Söhnen. In einer Serie habe ich über einzelne Lernerlebnisse berichtet. Gegen Ende des Schuljahres habe ich nun einen Marschhalt eingelegt und mir Gedanken zum bisherigen Verlauf gemacht. Meine Überlegungen betrafen drei Bereiche: Einmal ging es um die Rhythmisierung des Unterrichts selbst, darüber hinaus aber in der Hauptsache um Fragen der Charakterentwicklung sowie um Lernen im Horizont des christlichen Glaubens.

Rhythmisierung des Unterrichts

     

  1. Was lief am Vortag? Welcher Lehrer kennt es nicht, nach langen Ferien die Aufmerksamkeit der Schüler wieder bündeln zu müssen. Auch der Start in die Woche bedeutet, mit den Nachwirkungen des Wochenendes zu kämpfen. So merkte auch ich, dass es wichtig ist, die Vorkommnisse der letzten Tage zu berücksichtigen. Was hat die Buben beschäftigt? Welche Anlässe fanden statt? Wie haben sie geschlafen? Dies zu berücksichtigen half mir, meine eigenen Erwartungen zu regulieren.
  2. Morgenstund‘ hat Gold im Mund. In den Vormittagsstunden sind die Kinder (wie auch die meisten Erwachsenen) am aufnahmefähigsten. Das hiess, die zentralen und schwierigsten Einheiten in diesem Zeitraum zu platzieren. Was in diesen Stunden nicht gemacht war, liess sich nur mit erhöhtem Aufwand am Nachmittag durchführen.
  3. Arbeiten und pausieren. Ich bin es mir gewöhnt, eine Aktivität an die andere zu hängen. Wenn ich einmal in Fahrt gekommen bin, lasse ich mich kaum bremsen. Im Privatunterricht stelle ich ähnliches fest: Nach der Anlaufzeit lohnt es sich eine längere Unterrichtssequenz anzuhängen (90 Minuten). Gerade so wichtig ist jedoch, die Pause nicht zu vergessen.
  4.  

Charakterentwicklung

     

  1. Eigene Ansprüche: In jedem Moment des Unterrichtens ging es nicht nur um die Lernenden, sondern auch um meine Haltung als Lehrender. Was sind meine eigenen Ansprüche? Was erwarte ich an Verständnis und Einsichtigkeit? Wo hüte ich zu Unrecht meine Komfortzone? Wo grenze ich mich ab und überlasse die Arbeit ihrer Initiative? Solche Fragen hatte ich mir ständig zu stellen.
  2. Investitionen für die Charakterentwicklung: Noch vor dem fachlichen Weiterkommen standen die Fragen nach der Arbeitshaltung und dem Sinn des Lernens. Wie gehe ich an die Arbeit heran? Wie lerne ich effektiv? Wo schleichen sich Fehler ein? Warum entwickle ich Begeisterung? Wann hänge ich ab? Weshalb? Was braucht es um wieder einzusteigen? Wie plane ich mich?
  3. Die Kraft der guten Gewohnheit: Lernen ist durch ständige Wiederholung gekennzeichnet. Nicht nur Inhalte, auch Arbeitsgänge und Vorgehen müssen eingeübt werden. Das führte dazu, dass ich die Lerntage vom Ablauf her immer gleich aufbaute. Wir überlegten uns, wie gute Gewohnheiten aufgebaut werden können. Was sind die wichtigsten Regeln für das Lösen von Satzaufgaben? Wie schreibe ich einen fiktionalen Text? Wie lerne ich Sätze in einer Fremdsprache auswendig? Es genügt nicht, die Lernenden sich selbst zu überlassen – gerade dann, wenn sie Widerstand empfinden.
  4.  

Glaube und Lernen

     

  1. Weltanschauung: Jeder Lerninhalt ist mit dem Geber aller Ideen, nämlich mit dem Schöpfer selbst, verknüpft. Ob Mathematik, Sprache, Geografie oder Geschichte: Gesetzmässigkeiten und Verlauf sind auf ihn zurückzuführen. Diese Verbindungen herzustellen und sich damit auch der Sinnfrage zu stellen, steht für mich an vorderster Stelle in Lernprozessen. Damit zusammen hängen Verständnis für Begabung und Begrenzung, Freude bei Lernzuwachs und Betrübnis durch die Sünde (Faulheit, Lernunwille, Zorn etc.). Wenn wir diese Zusammenhänge vernachlässigen, laufen wir Gefahr in einem wesentlichen Teil unseres Lebens als „praktische Atheisten“ zu leben.
  2. Entwicklungssprünge: Ich kann kein Kind über seinen Entwicklungsstand hinaus entwickeln. Deshalb experimentiere ich ab und zu. Entweder wenn ich merke, dass ein kleiner Schlaumeier für eine Aufgabe durchaus in der Lage wäre, aber den Aufwand scheut. In anderen Fällen probiere ich aus, was schon geht. Oftmals sind die Zeiten vor einem "Schub" die schwierigsten!
  3. Bewunderung für die Mutter: Welche Arbeit stemmen Mütter, die ihre Kinder selbst unterrichten! Sie verzichten auf Geld, Prestige und eigenen Freiraum, um sich für ihre Kinder zu investieren. Diese Einsicht der letzten Monate ist wohl die wichtigste. Ich bin selber Vorbild darin, meine Kinder in der Wertschätzung (ja, Hochachtung) der Mutter anzuleiten.
  4. Gebet: Dieser Aspekt ist der abschliessende und vielleicht der am meisten unterschätzte. Es gibt nichts Wertvolleres als das Gebet für die Kinder (und natürlich auch für die Mutter). Wie oft bat ich um Weisheit, Geduld, Vertrauen. Immer wieder hatte ich Grund zum Staunen und zur Dankbarkeit.
  5.  

Für die nächste Zeit stellt sich eine Hauptfrage: Wie kann uns Privat unterrichtenden Eltern eine gesunde Ablösung von unseren Kindern gelingen? Wie leiten wir sie darin an, zunehmend selbständig zu lernen und Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen?

Erschien zuerst unter www.homeschoolerinaustria.at.

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