Zur Frage, ob die Botschaft von #regrettingmotherhood, dass die Mütter bereuen, Mütter geworden zu sein, also Kindern das Leben geschenkt zu haben, den betreffenden Kindern in ihrem Leben weiter helfen wird, ist wohl schon zu genüge an allen möglichen Stellen diskutiert worden. Das Internet vergisst jedenfalls nichts, und ich möchte nicht zu den bedauernswerten Geschöpfen gehören, die vielleicht in ein paar Jahren mal auf den Tweet ihrer Mutter stoßen, in dem diese nicht der besten Freundin im Vertrauen, nicht einem Therapeuten sondern der ganzen Welt kundtun, dass sie sie lieber gar nicht bekommen hätten.
Was hätte man nicht alles in der Zeit der Erziehung tun können, was hätte man mit dem Geld für Windeln, Kinderklamotten & Co. alles anfangen können, was hätte man für entspannte Golfurlaube machen können … wenn, ja wenn da nicht diese Kinder (in Deutschland in der Regel: das Kind) gewesen wäre. Da steht die fundamentale Existenz eines Menschen im Vergleich zum Luxus und zur Selbstverwirklichung eines anderen – in Zeiten von Empfängnisverhütung, Abtreibungen, künstlicher Befruchtung und social freezing muss man sich nicht wundern, wie die Antwort ausfällt. Hätte ich lieber Karriere gemacht, als mich um ein Kind gekümmert? Hätte ich lieber die Welt bereist als mir nachts am Bett des kranken Kindes den Rücken krumm zu sitzen? Hätte ich lieber ein besseres Auto, ein größeres Haus … eine bessere Altersversorgung gegönnt, als mit den Kindern Ostereier zu bemalen und jedes halbe Jahr neu für Kinderklamotten Geld ausgeben zu müssen? Ich weiß nicht, wie die Antwort vor ein paar Jahrzehnten ausgefallen wäre, aber hätten uns unsere Eltern das so vorgelebt und zu verstehen gegeben, hätten die meisten von uns heutigen Eltern wohl keine Kinder.
Was also eine hashtag-Kampagne wie #regrettingmotherhood in Kindern auslösen kann (oder auch in einer Gesellschaft, die es offenbar für normal und nachvollziehbar hält, dass Frauen sich wünschten, sie wären nie Mütter geworden … nicht ohne darauf hinzuweisen, dass man die Kleinen aber doch liebte – ein Widerspruch, der angeblich keiner ist, den ich aber im Kopf nicht aufgelöst bekomme) ist zwischenzeitlich diskutiert, und damit ist es Zeit für eine etwas übergreifendere Diskussion. Der ganze Krawall wurde ausgelöst durch eine “Studie” einer israelischen Soziologin mit 23 (!) Teilnehmerinnen. 23 Frauen weltweit bereuen also belegbar, dass sie Mutter geworden sind, und die Welt diskutiert, ob man das so sagen kann und darf. Und jetzt fühlen sich nicht wenige in dem Hype aufgefordert, kundzutun, ob sie das genau so sehen oder ganz anders etc.pp.
Bereuen bedeutet letztlich, Bedauern über eigenes Handeln zum Ausdruck zu bringen. Das kann bedeuten, dass man es niemals hätte machen sollen, aber auch, dass man sich angesichts der Konsequenzen heute noch mal Bedenkzeit ausbedungen hätte. Letzeres muss es wohl sein, wenn man #regrettingmotherhood mit der Aussage übereinanderbringen will, die Kinder dennoch zu lieben. Die Konsequenzen waren nicht vollständig klar, und jetzt, wo sie klar werden, hätte man möglicherweise in der Rückschau anders entschieden … oder auch nicht. Das ganze nennt man neutral “Entscheidung unter Unsicherheit”, vielleicht mit der Ergänzung, dass einem die Unsicherheit nicht klar war.
Nun ist es ja aber auch nicht so, als ob Frauen in einer individuellen Blase lebten und keine Vorstellung davon haben könnten, was es bedeutet, Mutter zu sein (spannend – nur so nebenbei – wäre womöglich eine ähnliche Frage an die Väter). Die Schwierigkeiten in der Schwangerschaft, die Schmerzen der Geburt, die Einschränkungen und psychischen wie physischen Belastungen beim Aufziehen der Kinder in allen Wachstumsstufen – das fällt ja nicht vom Himmel, wer es wissen will, kann die eigene Mutter, Freundinnen, wenn gar nichts hilft ein Buch befragen. Dass man sich trotz Jahrmillionen von Erfahrungen andere Vorstellungen darüber macht, wie es sein wird, dass immer noch Frauen Glauben geschenkt wird, die meinen, die Geburt ihres Kindes sei wunderbar gewesen (eine Formulierung, bei der ich schon als Mann lachen muss, und ich habe im Geburtsvorbereitungskurs nur ein paar Minuten mit dem Steißbein auf einem Tennisball sitzen müssen, um den Schmerz “wegzuatmen”) – geschenkt!
Am Ende wird darum bei einer solchen Aktion nur eines deutlich, und das ist möglicherweise – im Gegensatz zum Geburtsschmerz und Elternsorge – tatsächlich neu: Der Wunsch, für eigenes Handeln keine Verantwortung übernehmen zu wollen und die Schuldigen lieber in der Gesellschaft, der Politik – unter Feminstinnen gerne auch bei Männern – zu sehen. Und wenn es darum geht, hätte ich auch was beizusteuern: Meine Frau und ich haben erst mit 41 bzw. 39 Jahren unseren ersten Sohn bekommen, zwei Jahre später unsere Tochter. Wir haben “spät angefangen”, vorher das Leben eines DINKS-Double-Income-No-Kids-Paares geführt, Golf gespielt, sind gereist – wir waren nie reich, aber es hat dafür gereicht. Wenn ich heute einen hashtag verbreiten wollte dann eher #regrettingchildlessness – ich bereue die Kinderlosigkeit unserer frühen Jahre, würde, wenn ich noch mal anfangen könnte, lieber früher und dann mehr Kinder haben.
Auch wir hätten von Eltern und Freunden um uns herum wissen können, um wie viel wunderbarer es ist, Kinder zu haben, statt dreimal die Woche warm Essen zu gehen. Hingehört haben wir – habe ich jedenfalls – nicht. Heute haben wir zwei Kinder, von denen wir hoffen, dass wir sie noch lange begleiten dürfen, ein weiterer Kinderwunsch scheint sich nicht zu erfüllen, und Gott weiß, wozu das gut ist. Ich für meinen Teil bereue es, erst so spät Kinder bekommen zu haben … aber ob ich die Welt (über die Leserschaft des Blogs hinaus) damit belästigen muss und so tun muss, als hätte es eine besondere Bedeutung? Denn letztlich: Wer weiß, ob es – für uns persönlich – nicht genau richtig war, erst jetzt Kinder zu haben? Wer weiß, wie viele Dinge wir ihnen falsch oder gar nicht hätten sagen können, wenn wir sie schon früher bekommen hätten? Wer weiß, welches auch für unsere Kinder wichtige Gespräch meine Frau und ich bei unserem Lieblingsitaliener nicht geführt hätten, wenn wir bereits Kinder gehabt hätten? Was ich sagen will: Reue über vergangene Entscheidungen ist reichlich unkonstruktiv!
Wenn unsere Kinder mal in dem Alter sind, werden sie sicher auch fragen, warum wir unser Leben so geführt haben, wie wir es eben getan haben, wir werden ihnen hoffentlich eine gute Auskunft geben können, ihnen deutlich machen, was wir in unserer “Weisheit” zu dem Zeitpunkt lieber nicht gemacht hätten, was von alldem dagegen gut war. Wir werden ihnen sicher auch berichten, was das Kinderkriegen und -großziehen alles so mit sich bringt. Und dann werden sie hoffentlich entscheiden können, auf Basis dessen, was sie von uns hören, von Freunden, überall in der Welt, was für sie das beste ist. Und vielleicht werden sie auch eines Tages sagen, dass sie diese oder jene Entscheidung lieber anders getroffen hätten. Aber hoffentlich haben wir sie dann so erzogen, dass sie sich nach diesem destruktiven Gedanken wieder aufraffen, auf ihr Leben und mit Vertrauen auf Gott schauen und … mit Liebe zu dem, zu dem sie sich entschieden haben, weiter machen.
Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
Keine Kommentare