Quacksalber mit Quecksilber

Besonders schlagfertig war ich nie. Wenn doch mal, bleibt mir das in schöner Erinnerung. Wie folgender Dialog mit einem Heiler, dem ich vor etlichen Jahren in einem Hotel auf Sri Lanka begegnete.

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Er: Ayurveda is five thousand years old. Good for your body, good for your soul.

Ich: But medicine made some progress since.

Daran dachte ich neulich, die Oktoberausgabe des grün gerahmten Magazins „Geo“ in einer Bahnhofsbuchhandlung betrachtend. „Ayurveda. Die erstaunliche Heilkraft einer unterschätzten Medizin“ stand da als Titelzeile über dem Bild einer entrückt lächelnden Ersteweltbewohnerin, die von braunen Heilerhänden verwöhnt wird.

Ich blätterte das Heft auf. Der Vorspann zum Ayurveda-Stück verhieß: „Klinische Forscher bekunden: die traditionelle indische Medizin hat viel mehr zu bieten als Wellness. Sie wird an Universitäten gelehrt und dient als Gesundheitssystem für Abermillionen. Ihre Stärken sind die Vorbeugung und Heilung von chronischen Erkrankungen – und ein ganzheitliches Menschenbild.“

Hatte ich auf Sri Lanka was verpasst?

Vielleicht nicht wirklich. Der Umstand, dass man sich mit Ayurveda-Medikamenten, die auf Sri Lanka und in anderen Wissenschafts-Hotspots des Fernen Ostens produziert werden, leicht die finale Entspannung geben kann, machte jüngst mal wieder Schlagzeilen.

„Massiver Gewichtsverlust, Verwirrtheitszustände und unkontrollierbare Zuckungen sind die Anzeichen. Auch Magenkrämpfe, Durchfälle, Kopfschmerzen, Haarausfall und Vergesslichkeit treten auf. Mit Infusionen müssen die hochgiftigen Schwermetalle langsam aus dem Körper geschwemmt werden“, meldete das NDR-Magazin „Visite“ am 6. Oktober. „Der Grund sind extrem hohe Belastungen mit Blei und Quecksilber bei Pillen aus Sri Lanka, die eine schwere Vergiftung auslösen können.“

Neu war das nicht. Das Bundesumweltministerium hatte schon im Mai dieses Jahres vor ayurvedischen Produkten gewarnt, „die vielfach hohe Gehalte an Blei und Quecksilber enthalten.“ Ende August berichtete der „Spiegel“ über eine Hamburgerin, die sich infolge einer Ayurveda-Kur eine lebensgefährliche Vergiftung zugezogen hatte.

Alarmierendes über die „fernöstliche Bleivergiftung“ („Deutschlandfunk“) melden Medien seit Jahren. Zum Bespiel, dass „Blei, Quecksilber und Arsen in Ayurveda-Produkten“ stecken, so das „Deutsche Ärzteblatt“ 2008. Zitat:

„Dass Ayurveda-Produkte mit Schwermetallen belastet sind, ist dabei kein Zufall. Denn eine der beiden Gruppen von Ayurveda-Medikamenten, ‚rasa shastra’ genannt, wird unter Verwendung verschiedener Metalle (vor allem Quecksilber) hergestellt. Der Verband europäischer Ayurveda-Mediziner und Therapeuten sieht diese Therapie sogar in der Tradition der mittelalterlichen Alchemie, bei der Quecksilber im Zentrum des therapeutischen Interesses stand.“

Über das im Westen durch den Esoterik- und Wellnessboom populär gewordene Ayurveda erhält man einen Eindruck, wenn man die auf „unterschiedlichen Lebensenergien“ basierende Typologie der Patienten in „Vata“-, „Pitta“- und „Kapha“-Menschen studiert. Dagegen wirken Katholizismus, Sufismus oder Scientology vergleichsweise vernunftgetrieben.

Nach den aktuellen Hiobsbotschaften hätten die Geo-Leute ihren Ayurveda-Titel mutmaßlich gern gekippt. Was aber nicht ging. Denn die auch weltanschaulich grüne, auf hochwertigem Papier gedruckte Bildungsbürgergazette wird Monate im Voraus produziert.

Dumm gelaufen. Aber nicht unlogisch. Wer der herzenskalten Schulmedizin und den profitgierigen Pharmakonzernen gern die Leviten liest und als Remedur Sanftes und Ganzheitliches empfiehlt, das einen indischen Wasserbüffel umhauen kann, der darf sich nicht wundern, wenn die Realität unsanft zurückschlägt.

PS: Bei einer Ayurveda-Kur würde ich kollateral auch noch „entgiftet“ werden, hatte mir der o.g. Heilslehrer auf Sri Lanka in Aussicht gestellt. Er hatte wohl erspäht, dass ich an der Hotelbar den Teufeln Alkohol und Nikotin einigen Tribut zollte. Am nächsten Abend sah ich ihn in einer schummerigen Ecke derselben Hotelbar wieder. Ein Zigarillo paffend, vor sich ein Gläschen Arrak.

Ich winkte. Er grinste, winkte zurück und hob sein Glas. Dieser Scharlatan besaß immerhin Humor.http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/ayurveda-medikament-lebensbedrohliche-vergiftungsgefahr-a-1050322.html
http://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Vorsicht-vor-giftigen-Ayurveda-Medikamenten,ayurveda158.html

Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com 

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