Postmoderner Relativismus an Universitäten

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Neulich hat mich ein Freund zu einer geschichtswissenschaftlichen Vorlesung an der Frankfurter Universität mitgenommen.

In der Vorlesung, die einen einführenden Charakter hat, geht es um Vorurteile, die heute lebende Menschen gegenüber dem Mittelalter haben. In der von mir besuchten Vorlesungsstunde beschäftigte sich der Dozent mit dem Vorurteil, die Menschen im Mittelalter hätten daran geglaubt, dass die Erde eine Scheibe sei. Der Dozent bemühte sich zu zeigen, dass die Sache differenzierter zu sehen ist, das heißt, dass Menschen im Mittelalter unterschiedliche Vorstellungen von der Erde hatten und sich einige Gelehrte die Erde schon damals als eine Kugel vorstellten.

Was mich bestürzte, waren die theoretischen Grundlagen des Dozenten, mit denen er wie mit Dogmen operierte: Es gibt keine übergreifende Wahrheit, alles hängt vom jeweiligen "Diskurs" ab, jeder "Diskurs" hat sozusagen seine Berechtigung und somit seine eigene Wahrheit, "Diskurse" werden durch "Wahrheitsregime" (Michel Foucault), durch die jeweilige Wahrnehmung und die herrschende Autorität konstruiert.

Demnach hat der "Diskurs", wonach die Erde eine Scheibe sei, die gleiche Berechtigung wie der "Diskurs", wonach sie eine Kugel ist. Er hat die gleiche Berechtigung und somit den gleichen Anspruch auf Wahrheit, denn was Wahrheit ist, hängt von dem jeweiligen sozio-kulturellen und historischen Kontext, der herrschenden Wahrnehmung und der herrschenden Autorität (Macht) ab.

Der Dozent hat nicht erwähnt, dass der "Diskurs", nach dem die Erde eine Scheibe sei, sich als falsch und der "Diskurs", nach dem sie eine Kugel ist, sich als wahr erwiesen hat. Menschen im Mittelalter hatten einfach nicht die (wissenschaftlichen) Mittel, um festzustellen, dass die Erde eine Kugel ist. Das Kriterium dafür, was wahr oder falsch ist, ist der Bezug auf die empirische Realität, die Überprüfung von Hypothesen anhand der empirischen Realität.

Ich war darüber erstaunt, dass Studenten bereits im Grundstudium mit dem postmodernen, relativistischen Gerede indoktriniert werden, wonach wissenschaftliche Theorien als gleichwertige und gleichberechtigte "Diskurse" nebeneinander bestehen und Wahrheit relativ zu dem jeweiligen "Diskurs" ist.

Da ich schon an der Uni war, habe ich mir das Vorlesungsverzeichnis angeschaut. Dabei fiel mir auf, dass ein großer Teil der Veranstaltungen an geistes- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten mit "Gender" und "Frauenforschung" betitelt war. Studenten erzälten mir, dass auch in Veranstaltungen, die nicht so betitelt sind, die "Gender-Aspekte" besonders hervorgehoben werden. Das Geschlecht, de facto das weibliche Geschlecht, avancierte zur zentralen sozial- und kulturwissenschaftlichen Kategorie.

Studenten erzählten mir ferner: Das Erste, was sie bis zum Ermüden eingehämmert bekommen, ist, dass alles soziale Konstruktion ist. Und als Beispiel dafür wird immer die Konstruktion von Geschlecht genommen. Dieses unhintergehbare und unbezweifelbare Dogma der Gender Studies geht auf den Postmodernismus zurück. Theorien oder "Diskurse" - wie es der postmoderne Historiker formuliert - sind auch soziale Konstruktionen, die gleichwertig und gleichberechtigt nebeneinander bestehen. In meinem Artikel "Der Mythos von der ´sozialen Konstruktion`" schreibe ich dazu:

"Wenn Theorien als soziale Konstruktionen gleichwertig und gleichberechtigt nebeneinander bestehen, dann können an Universitäten und Hochschulen zu den entsprechenden Theorien oder Themenfeldern Fachbereiche eingerichtet werden. Wenn die Gender-Theorie gleichwertig und gleichberechtigt neben anderen Theorien besteht, dann können an Universitäten und Hochschulen Fachbereiche, Institute, Zentren usw. für Gender Studies eingerichtet werden."

Die Bildungsforscherin Heike Diefenbach hat überzeugend gezeigt, wie aufgrund der Vorstellung, dass Gender eine soziale Konstruktion sei, an Universitäten und Hochschulen ein umfassendes Netzwerk von Instituten, Zentren, Professuren und „staatlich finanzierten Multiplikatoreneinrichtungen“ geschaffen wurde. Nach Diefenbach geht es daher in den Gender Studies nicht um Wissenschaft, sondern um politische Interessen, und zwar um die „Durchsetzung des politischen Programms des Gender Mainstreamings“, was konkret die Einrichtung von Stellen, Professuren, Zentren, Instituten usw. für eine bestimmte Gruppe von Frauen, also Lobby- und Klientelpolitik bedeutet. Das heißt, dass aus der meines Erachtens auf den postmodernen Relativismus zurückgehenden Ideologisierung von Forschung und Lehre eine Lobby- und Klientelpolitik folgt.

Ich bin im kommunistischen System aufgewachsen, das ich natürlich abgelehnt habe. Ich muss aber ganz offen und ohne Übertreibung feststellen, dass in dem kommunistischen Land, in dem ich aufgewachsen bin, Forschung und Lehre an Universitäten nicht so durchideologisiert waren wie im heutigen Deutschland. Gut, es gab obligatorische Kurse in Marxismus-Leninismus, die jedoch von kaum jemandem ernst genommen wurden. Ansonsten konnten Wissenschaftler relativ frei forschen. In Einstellungsverfahren haben Qualität und Bestenauslese mehr gezählt als in der heutigen Bundesrepublik, schon aufgrund der viel strengeren Qualifikations- und Auswahlkriterien.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Jens

:Ich bin im kommunistischen System aufgewachsen, das ich natürlich abgelehnt habe. Ich muss aber ganz offen und ohne Übertreibung feststellen, dass in dem kommunistischen Land, in dem ich aufgewachsen bin, Forschung und Lehre an Universitäten nicht so durchideologisiert waren wie im heutigen Deutschland. Gut, es gab obligatorische Kurs:

Die DDR kann er damit nicht gemeint haben , oder er hat erhebliche Warnehmungsstörungen.

Gravatar: Alexander Ulfig

@WTF
Ich schreibe nicht von der DDR, sondern von Polen, wo ich aufgewachsen bin. Dort war die Situation an den Universitäten liberaler als in der DDR. Damit möchte ich aber keinesfalls das kommunistische System oder das Wissenschaftssystem im kommunistischen Polen rechtfertigen, ich wollte lediglich einen Vergleich anstellen. Es gab obligatorische Marxismus-Leninismus-Kurse und man musste auch sonst als "Pflicht" in Veranstaltungen und Publikationen auf Aspekte des Marxismus-Leninismus, den "Klassencharakter" usw. eingehen. Aber wie ist es denn heute? Es wird in den Sozial-, Erziehungs- und Kulturwissenschaften als Dogma propagiert, dass alles Sache des "Diskurses" ist, Wahrheit relativ zum "Diskurs" ist, dass alles "soziale Konstruktion" ist. Und man muss als "Pflicht" immer auf Gender-Aspekte eingehen.

Gravatar: keinUntertan

Der totale Relativismus beschreibt keine Wirklichkeit. Wenn die natürliche Tatsachen, dass es Männer und Frauen gibt, dass das Leben evolviert, dass es verifizierbare Fakten gibt, usw. ignoriert werden, dann endet die "Wissenschaft" im bedeutungslosen Geschwafel.

Wo wären wir heute, wenn Naturwissenschaftler und Ingenieure so gedacht hätten? Wie könnte ein Flugzeugingenieur ein sicheres Flugzeug entwerfen, wenn es keine klare Fakten gibt, an die er sich halten muss, sondern nur relative Annahmen?

Gravatar: WTF

Wie bitte? Wissenschaftler konnten in der DDR "relativ frei forschen"?! Das glauben Sie doch selber nicht. Wo fand denn Forschung statt? In Akademien, die vom Staat kontrolliert und finanziert wurden. Gerade in den Ergebnissen der geisteswissenschaftlichen Fächern ist eine ideologisch ausgerichtete Interpretation der Ergebnisse fest auszumachen. Schauen Sie sich doch mal die Ergebnisse der geschichtswissenschaftlichen Forschung an. Da muss man aber schon ein wirklich ganz verstecktes Feld auftun, um freie Ergebnisse veröffentlichen zu können. Ansonsten ist alles streng nach einer großen marxistisch-leninistischen Theorie verfasst. Ob diese nun vom jeweiligen Forscher vertreten wurde oder nicht, sei dahingestellt.

Und wie sah es in den Naturwissenschaften aus? Hier wurden nicht die besten Wissenschaftler gefördert, sondern die linientreuen. Ein Austausch mit westlichen Wissenschaftlern war äußerst selten, und das Rezipieren von westlicher Forschung auch streng geregelt. Glauben Sie tatsächlich, dass man ausgezeichnete Wissenschaftler, die allerdings nicht unbedingt konform mit der Staatsideologie waren, zu wissenschaftlichen Veranstaltungen ins westliche Ausland gelassen hätte? Hinzu kommt ein stark begrenzter Zugang zu neuesten technischen Apparaten für die Forschung, einfach aus Mangel an finanziellen Mitteln. Und dann kommen Sie und erzählen was von der Freiheit der DDR-Wissenschaften. Da kann ich nur lachen.

Wissenschaftlich war die DDR schon lange ins Hintertreffen geraten. Eine Profilierung wurde vor allem über den Hochleistungssport verfolgt. So sieht es aus.

Gravatar: Angela von Ungefähr

Tja, die 'Gedankenstütze' , nicht die Gedächtnisstütze, ist das bevorzugte offizielle Mittel deutscher Behörden, um Akten anzulegen, zu führen und langfristig wirken zu lassen.

Da kann der Bürger des tausendjährigen Reichs dann noch bis in das 2933 nachlesen, wie Grund - , Freiheits - und Menschenrechte 'ausgehebelt' werden sollen, 'ausgehebelt' werden können und tatsächlich 'ausgehebelt' werden.

Seit 1935 spätestens war, ist und bleibt in Deutschland eben einfach <a href="http://static.infowars.com/bindnfocom/2013/11/mlutherking.jpg" rel="nofollow">alles legal</a>, zur Not auch mit 'Gedankenstütze' , und sowieso dann, wenn Femifaschisten und Genderfaschisten diejenigen sind, die Humanexperimente betreiben.

Merkele: Das Denken mit Gedanken ist gedankenloses Denken , beziehungsweise Gendernazies und Feminazies sind gute Nazies.

Gravatar: Peter Schaefer

Es kommt nicht von ungefähr, daß der Geschichtsunterricht in den Schulen immer weiter gekürzt und kastriert wird - wer braucht das schon alles.
Da glauben wir lieber wieder alle an irgendwelche Mythen und Erzählungen.

So wurde dann aus dem Land der Dichter und Denker eines der Dummen und Doofen.

Gravatar: Alexander Ulfig

Hier noch ein lesenswerter Artikel des Historikers Eric Hobsbawm "Wider den postmodernen Relativismus":
"Politisch gesehen liegt die größte unmittelbare Gefahr für die Geschichtsschreibung in einem "antiuniversalistischen" Ansatz nach dem Motto: "Meine Wahrheit ist so gültig wie deine, völlig unabhängig von Fakten und Belegen." Dies wirkt wie eine Einladung an die verschiedenen Arten von Geschichtsschreibung für identity groups. Für sie geht es nicht um die zentrale Frage, was geschehen ist, sondern um die Frage, wie dieses Geschehen die Mitglieder einer bestimmten Gruppe betrifft. Ganz allgemein gesprochen, geht es dieser Geschichtsschreibung nicht um rationales Erklären, sondern um "Bedeutung", nicht um die Frage, was geschehen ist, sondern wie ein Geschehen von den Mitgliedern einer Gruppe empfunden wird, die sich aufgrund religiöser, ethnischer und nationaler Kriterien oder nach Geschlecht, Lebensstil usw. definitorisch abgrenzen."
Hier geht es zum Artikel:
http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2004/12/10/a0052

Gravatar: petpanther

Die Genderideologie wurde auf einer UN Women Konferenz von radikalfeministischen Kreisen installiert ( http://www.dijg.de/gender-mainstreaming/dale-o-leary-agenda-konzept-hintergrund/).

Diese durchziehen nun inzwischen alle institutionellen Bereiche bis hin zur Rechtsbeugung des GGs (Passiva zu Aktiva, ideologische Verfassungsrichter mit "genderfeministischer Rechtsauffassung"). Sie wurde top-down über EU als Querschnitts- und Leitkultur durchgesetzt ohne parlamentarische oder demokratische Kontrolle und an der Öffentlichkeit vorbei. Ja, sogar nicht einmal der Bundestag hätte ein Mandat eine derartig umfassendes und in die menschlich persönlichen Grenzen eingreifendes Leit- und Querschnittsprogramm zu verabschieden.

Die Unis mit den Gender Studies sind die Indoktrinationsplattform. Auch die Medien sind fast durchgängig durchsetzt und alle deutschen Ministerien sind mittlerweile massiv ideologisch indoktriniert.

Es ist noch nicht erkannt worden, dass Genderismus ein universelles subversiv-totalitäres Herrschaftsinstrument ist, als das es allem und jedem inkl. allen Gesetzesebenen völlig willkürlich vorgeschaltet werden kann und wird.

Gravatar: Melanie

Die Gender-Ideologie ist eine Seuche, die allmählich alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens entwurzelt. An den Schulen und Hochschulen fangen Irrlehren immer an.
Kann das Gender Mainstreaming überhaupt noch gestoppt werden?

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