Political Correctness - mehr als ein Streit um Worte. Teil Eins: Die moralische Keule.

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Es gibt Tage der Ermutigung. Wer zum Beispiel Dresden besucht, und am Neumarkt zu Füßen der Frauenkirche durchatmet und seinen Blick über die barocken Häuserzeilen schweifen lässt, mag etwas empfinden wie Zuversicht: Noch hat die politische Korrektheit nicht überall gesiegt

Denn die Wiederbelebung des Herzens des geschundenen Elbflorenz durch die Transplantation eines neuen Organs, war höchst umstritten. Also politisch unkorrekt. Auch wenn dieses Wort natürlich in der Diskussion um den originalgetreuen Wiederaufbau nicht benutzt wurde.

Es waren, wie so oft, moralische Einwände, die den historisch getreuen Wiederaufbau verhindern sollten. Sie wogen besonders schwer, weil sie quasi von höchster Stelle kamen. Vom Gründungsmitlied der Sächsischen Akademie der Künste zum Beispiel. Der Hochschullehrer Peter Kulka beklagte, der historische  Wiederaufbau vermittele die Identität der Vorfahren, nicht die eigene.. Er sah die große Gefahr, dass dadurch Geschichtsfälschung zumindest aber Verzeichnungen passieren. Tieferliegende Ursachen für den Willen nach Rekonstruktion sah er darin, dass Geschehenes ungeschehen gemacht werden solle, sowie in Schuld und Verdrängung. Weitere Ursachen waren für ihn Mythos, verlorene Identität und versuchte Heilung. So steht es bei Wiki.

Wenn man diese Kritik zu Ende denkt, ist jeder der sich für den jetzigen Wiederaufbau einsetzt, ein Geschichtsrevisionist, einer der Naziverbrechen ausblendet. Unausgesprochen entsteht ein schlimmer Verdacht. Eine veritable moralische Keule!

Dieser insinuierte politische Verdacht ist die traditionelle Waffe der politisch Korrekten. Ein Bauprojekt wird zum Lackmustest für eine mögliche rechte Gesinnung.

Dabei waren rechts und links einmal unverdächtige Zuordnungen im politischen Spektrum. Aber der von den politisch Korrekten angeführte Diskurs hat dazu geführt, dass rechts gern automatisch als Vorstufe zu faschistisch wahrgenommen wird.

Der Faschismus-Verdacht lauert überall. Tatsächlich betrifft er nahezu alles, was irgendwie als besonders Deutsch gilt.

Zum Gedenken an die ausländerfeindlichen Ausschreitungen 1992 in Rostock-Lichtenhagen wurde, 20 Jahre danach, eine Friedenseiche gepflanzt. Aber Eiche assoziiert Deutsche Eiche. Das geht gar nicht – nach einem weit verbreiteten linken Dogma. Bereits einen Tag später wurde die Eiche von den üblichen Verdächtigen (ANTIFA?) hergerichtet – oder soll man sagen hingerichtet.

 

Dresden-Neumarkt und Rostock-Lichtenhagen sind Beispiele dafür, dass es bei der politischen Korrektheit niemals nur um Worte, sondern immer um den Versuch geht, die Wirklichkeit durch die eigene parteiliche Deutungshoheit zu bestimmen.

Eine wichtige Rolle bei Kampf um die politisch korrekte Deutung der Wirklichkeit spielen die Medien und ihre Frontschweine, die Journalisten - wie ich es einer bin.

Von einem ehemaligen ZDF-Redakteur erwarten viele, er kenne (zumindest in Umrissen) die geheimen Richtlinien zu Einhaltung der politischen Korrektheit. Die gibt es nicht – schriftlich.

Schriftlich gibt es die ZDF - ProgrammrichtlinienNach meiner Einschätzung sind sie kein Manifest der politischen Korrektheit sondern ein solides Fundament journalistischer Freiheit. Besonders gerne lese ich den

§ 6 Berichterstattung 

 

(1) Die Berichterstattung soll umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich sein. Herkunft und Inhalt der zur Veröffentlichung bestimmten Berichte sind sorgfältig zu prüfen. 

(2) Nachrichten und Kommentare sind zu trennen; Kommentare sind als persönliche Stellungnahme zu kennzeichnen. 

 

Daran ist also das Programm zu messen. Schwierig wird es, wenn die Vorlieben und Vorurteile der Berichtenden allzu sehr die Berichte färben, ohne dass von Kommentar die Rede ist. Aber das ist kein ZDF-Problem. Es betrifft die Medienluft, die wir täglich einatmen müssen, insgesamt.

Wie bekommt man eine wahrnehmbare Stellung in einem Leitmedium? Man muss (neben der handwerklichen Qualifikation) Vertrauen genießen. Das heißt, Herausgeber, Intendant und Chefredakteur erwarten, dass die Mitarbeiter wissen, was die maßgebliche öffentliche Meinung von ihrem Medium verlangt.  Mit anderen Worten, man muss die Gewähr leisten, im Mainstream keine  allzu gefährlichen Wellen zu schlagen.

Dieser Mainstream verändert sich dramatisch. Er wird mehr und mehr bestimmt von den Gesetzen der politischen Korrektheit. Dabei geht es, wie gesagt, nur scheinbar um Worte. Anfangs lächelte man noch, als aus der Putzfrau die Raumpflegerin wurde. Aus dem Lehrling der Azubi, aus der Unterschicht das Präkariat, aus Flüchtlingen Migranten, aus Gastarbeitern Zuwanderer und schließlich aus Ausländern Menschen mit Migrationshintergrund. Und Zigeunerschnitzel darf es (so in Hannover) auch nicht mehr geben.

Schwer wiegt inzwischen der Versuch, die Methode, Geschlechtsunterschiede auszublenden. Gender-Beauftragte wachen darüber, dass allzu deutliche Hinweise auf typisch weibliche- oder typisch männliche Attribute unterbleiben. Denn diese Unterschiede seien ja nur durch Erziehung, Gesellschaft, Mächtige und Medien konstruiert.

Das umfangreichste politisch korrekte Projekt der Tilgung von Geschlechtsmerkmalen wurde die Bibel in gerechter Sprache (hier online). Gott kommt gar nicht mehr vor, und aus den 12 Jüngern Jesu wurden Jüngerinnen und Jünger.

Der Kampf um politisch korrekte Worte gehört inzwischen zum Alltag. Der Mohrenkopf machte den Anfang. Seit einem Jahr werden Kinderbuchklassiker expurgiert, was einer Art Zensur gleichkommt. Die Zeit stellt fest: Aus Kinderbuch-Klassikern sollen Wörter gestrichen werden, die nicht mehr politisch korrekt sind. Das ist gut gemeint, aber ein Vergehen an der Literatur. Artikel 5 des Grundgesetzes behauptet: "Eine Zensur findet nicht statt." Was aber, wenn sie doch stattfindet?

Politische Korrektheit kann demnach gegen das Grundgesetz stehen.In jedem einzelnen Beispiel scheint es nur um Worte zu gehen. Aber die Frage ist: Was steckt dahinter. Tatsächlich geht es in allen Beispielen darum, Unterschiede sprachlich platt zu machen. Die Darstellung von Unterschieden würde einen Teil der Betroffenen diskriminieren.

Tatsächlich geht es um vermeintliche Herrschaftsverhältnisse. Wo der politisch Korrekte sie vermutet, sollen sie aufgehoben werden. In der Sprache. Im Bewusstsein also. Aber Gleichmacherei war auch immer das zentrale Projekt aller sozialistischen und kommunistischen Ideologien. Allerdings hieß es früher: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Die heutigen Jünger der Gleichmacherei haben Marx von den Füßen auf den Kopf gestellt. Die politische Korrektheit ist ein Versuch, die klassenlose Gesellschaft zu erreichen. Mit der Methode: Das Bewusstsein bestimmt das Sein. Die Revolution soll erreicht werden. Aber mit anderen Mitteln. Um eine Revolution zu erreichen, bedarf es überdies der Herbeiführung revolutionärer Bedingungen. Auch die sind (unterschwellig) Ziel der politischen Korrektheit. Denn überall wo die politische Korrektheit eingreift, behauptet sie einen Interessenkonflikt.

Aber um die revolutionäre Perspektive der politischen Korrektheit zu verstehen, muss man weit zurückgehen – und das wird demnächst hier geschehen.

Beitrag erschien auch auf: lyrikheute.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Giselher Suhr

....auf den ersten Blick: Sehr hohes akademisches Niveau. Aber gelesen hab ich es noch nicht . Man wird sehen...

Gravatar: Crono

Was ist SO bewegendes in dem Buch?

Gravatar: Giselher Suhr

....Christoph Zimmers "Aufklärung ohne Dialektik" - Danke für den Hinweis!

Gravatar: Paul

In dem E-book "Aufklärung ohne Dialektik", 3. Auflage, von Christoph Zimmer stehen mehrere Kapitel, die sich extrem kritisch mit politischer Korrektheit befassen.
http://www.zmm.cc/Aufklaerung.pdf.

Gravatar: Klaus Kolbe

Ein sehr guter Beitrag, der die linke Deutungshoheit schonungslos herausarbeitet. Um nichts anderes geht es nämlich bei der sogen. politischen Korrektheit.

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