Piraten? Oder eher Freibeuter?

Ist die Piratenpartei eine liberale Wahlalternative? Wem nutzt das Bekenntnis zu individueller Selbstbestimmung und der Wahrung der Privatsphäre, wenn der politische Habitus sich sonst keiner liberalen Prinzipien bedient.

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Im liberalen Lager wird aus verständlicher Enttäuschung von der ordnungspolitischen Zitterpartie der FDP immer wieder die Piratenpartei als liberalere Alternative für die Wahlentscheidung zur Bundestagswahl gesehen. Grund genug, die Programmatik der Piratenpartei einmal auf den liberalen Prüfstand zu stellen.

Nahezu vorbildlich erscheint der Anspruch der Piratenpartei im Bereich der individuellen Freiheit der Persönlichkeitsrechte und des Schutzes individueller Daten. So liberal zeigt sich keine andere Partei. Löblich auch der Ansatz, den Schutz intellektueller Eigentumsrechte nicht in staatlich gestützte Ideenmonopole ausarten zu lassen. Doch wozu bedarf es dann der Verbote von DRM-Technologien und Kopierschutzmechanismen. Einem Unternehmen zu verbieten Inhalte auf eigene Kosten ohne staatliche Monopolgewalt zu schützen, mag auf den ersten Blick der Freiheit des Informationsaustausches dienen, doch verletzt es gleichzeitig das Recht eines privaten Akteurs, mit seinen Produkten zu tun und zu lassen, was er für nötig hält. Im Wettbewerb der Medienanbieter haben derartige Versuche, die eigene Marktmacht zu stärken, langfristig ohnehin keine Chance. Ein Verbot allerdings ist eindeutig nicht liberal.

Die Piratenpartei möchte Infrastrukturen offen halten und reiht sich mit dieser Forderung in den Infrastruktursozialismus ein, den wir vom linken Spektrum der Parteienlandschaft kennen. Gemeinnützigkeit und Transparenz, gewährleistet durch den Staat, wird für die Energie- und Wassernetze, das Straßen- und Schienennetz und die Datenautobahn gefordert. Private Eigentumsrechte an Netzen und deren gewinnwirtschaftliche Verwertung, die eine Diskriminierung, und sei es durch unterschiedliche Zugangspreise, unumgänglich machen, werden hiermit in Frage gestellt. Diskriminierungsfreiheit bekommt hier das Geschmäckle von Entknappung, als ob die Bereitstellung von Infrastruktur ohne Investitionsaufwand und ohne Nutzungskonkurrenz gewährleistet werden könnte. Hier ist der Wunsch Vater des Gedankens und die Realisierungsvorschläge fallen daher weder liberal noch ökonomisch sinnvoll aus. So soll der Staat zum monopolistischen Betreiber der gesamten Infrastruktur werden, damit Wettbewerb als Ideengeber ausgeschlossen bleiben und dem hehren Ziel einer kollektiven Nutzerphantasie untergeordnet werden.

Auch der Ansatz der Piraten im Bereich der Bildungsinfrastruktur gibt dem Liberalen einige Rätsel auf. Der freie Zugang zu Bildungsinhalten als Wunschtraum klingt zunächst sympathisch, lässt jedoch Bedenkliches ahnen, wenn es um die Umsetzung geht. Jeder weiß, dass Bildungsvermittlung ein knappes Gut wie ein PKW ist. Also lässt sich Bildung ebenso wenig verschenken wie ein Mittelklassewagen, irgendjemand muss dafür die Ressourcen locker machen. Bildungsgebühren werden abgelehnt, doch von nichts kommt nichts. Den Piraten fällt irgendwie nicht ein, dass der sich Bildende in der Regel derjenige ist, der den höchsten Ertrag aus der Bildung zieht. Warum den Schulbesuch dann nicht als Investitionsgut betrachten. Der Kaufpreis für ein neues Auto schränkt auch den Zugang zur Mobilität ein, sollten deshalb Autohäuser ihr Angebot verschenken. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein…“ sang einst Reinhard Mey, aber das heißt noch lange nicht, dass das intellektuelle Freischweben der Piraten im politischen Wolkenkuckucksheim der Bildungspolitik irgendetwas an den irdischen Realitäten ändert. Dieser Anspruch ist weder liberal noch realistisch. Da ziehe ich den ökonomischen Realismus eines Milton Friedman eindeutig vor und erkenne an, dass es Bildung nicht umsonst gibt und Bildungswettbewerb eine feine Sache ist, aber eine gewisse Umverteilung via Bildungsgutschein eine sinnvolle Alternative darstellt.

Will man sich in anderen Politikfeldern einen Überblick über die Programmatik der Piratenpartei verschaffen, hilft nur der Rückgriff auf das Programm zur Europawahl. Hier sind jedoch lediglich noch recht aufschlussreiche Aussagen zur Umweltschutzpolitik zu finden. Einmal abgesehen von etwas offeneren Formulierungen in den Bereichen der Atomenergie und grünen Gentechnik, in denen man sich aber mit wagem Nachhaltigkeitsgestammel vor einer klaren Ablehnung zu drücken scheint, mutet dieser Abschnitt wie eine Blaupause der Programmatik der Grünen an, die man dann noch einmal mit einigen Einsprengseln der Linken überdruckt hat. Da ist etwa von einer Energiewende die Rede, die nicht etwa allein durch das Wirken von Knappheit und Märkten verläuft, sondern generalstabsmäßig geplant mit öffentlichen Subventionen losgetreten werden soll. Man weiß auch schon genau, dass dies dezentral, mit einem wohldefinierten Blumenstrauß von Maßnahmen und unter Inanspruchnahme von EU-Mitteln erfolgen soll. Die Krone des missverstandenen Traums von Nachhaltigkeit ist schließlich die Forderung von geförderten Modellen im öffentlichen Nahverkehr, die die kostenlose Nutzung der Verkehrsmittel ermöglichen. Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit soll das bringen. Defizitäre und überfüllte Nahverkehrsmittel wird das bringen, ergänzt durch das Gefühl, vor lauter Steuerlast nicht mehr Herr über die Verwendung des persönlichen Einkommens zu sein. Mit Liberalismus hat das Ganze wenig zu tun, mit ökonomischem Feingefühl noch weniger. Nachhaltigkeit sieht anders aus.

Zusammenfassend muss man sagen, dass der Spagat der Piratenpartei zwischen dem Anspruch auf informelle Selbstbestimmung, freiem Zugang zu Wissen und Kultur und der Wahrung der Privatsphäre auf der einen Seite und dem Vertrauen auf staatliche Lenkungsallmacht in vielen Politikbereichen auf der anderen wenig glaubwürdig und durchdacht erscheint. Wer Freiheit will, muss auch ihre ökonomischen Grenzen anerkennen. Eine Gratismentalität mag im täglichen Umgang mit dem Internet noch ganz vernünftig erscheinen, im realen Leben geht sie rasch zu Lasten der Freiheit anderer. Kein Wunder das die Piraten sich ihre Freiheit durch staatlichen Zwang erträumen. Eine liberale Alternative sieht wirklich anders aus.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: nichts

"So soll der Staat zum monopolistischen Betreiber der gesamten Infrastruktur werden, damit Wettbewerb als Ideengeber ausgeschlossen bleiben und dem hehren Ziel einer kollektiven Nutzerphantasie untergeordnet werden."

So einfach ist das leider nicht. Zunächst ist jegliche Infrastruktur zwangsläufig durch örtliche Gegebenheiten an den Staat gekoppelt.
Nehmen wir als Beispiel die Wasserzuleitungen zu einem Haus ("Letzte Meile") diese werden von den Bürgern bezahlt, genauso wie das mit den Leitungen der TK Infrastruktur der Bundespost gemacht wurde. Ich werde hier nicht ins Detail gehen, jedoch ist neutrale Infrastruktur immer besser für kleine und mittelständische Unternehmen. Ich hoffe hier soll den kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht ihre Innovationskraft abgesprochen werden.

Gravatar: studie

typisch liberal, eure meinung zur bildung werde ich wohl nie verstehen.
bildung kostet, und muss entgeltlich sein..JOAH! deswegen zahle ICH und meine ELTERN !STEUERN! für was denn sonst, wenn nicht u.a. für einen garantieren mindeststandard an bildungangebot??? auch wenn ihr es hasst, aber ich war so!was!von froh als bei uns in hessen die studi-gebühren abgeschafft wurden. jetzt muss man halt nur noch 240 statt 740 zahlen, ein faktum es mir MEIN studium erst ermöglicht hat.

Gravatar: Steffen Hentrich

@Baldaro:

Nein, keine FDP-Werbung, da diese Partei in vielen Punkten auch nicht mehr überzeugt als die Piraten.

Bildung hat alle Eigenschaften eines völlig normalen Gutes. Ihre Herstellung verursacht Kosten und ihr Konsum schließt andere von einer gleichzeitigen Nutzung aus, da ein Lehrer sich nicht gleichzeitig um mehr als eine Klasse kümmern kann. Bildung ist ein Investitionsgut, deren Verwendung sich durch spätere berufliche Vorteile verzinst. Was sie meinen ist die Chancengleichheit im Sinne einer Bildungsfinanzierung, auf die ich mit der Alternative der Schulgutscheine eingegangen bin.

@Euphor: Sie verwechseln da eine staatliche Sanktionierung von Kopierschutz, gegen die ich als Skeptiker des Schutzes intellektueller Eigentumsrechte auch bin, mit der staatlichen Sanktion eines legitimen Vermarktungsmodells. Jeder Verbraucher weiß vorher, worauf er sich bei dem Erwerb einer kopiergeschützten Software einlässt. Zudem gibt es Wettbewerb und findige Leute die den Kopierschutz umgehen. Unternehmen tragen die Kosten des Kopierschutzes in Form von Absatzverlust und Programmieraufwand selbst. Halten Sie dies für rational, so sei es ihnen gestattet. Problematisch wird das Ganze nur dann, wenn der Staat die Einhaltung dieser technischen Schranken gesetzlich garantiert.

Gravatar: Baldaro

Hört sich ja sehr nach FDP-Werbung an...

btw: Bildung ist ein gut das von dem Staat bereitgestellt wird und werden sollte. Es bildet die Grundlage von Erfolg in unserer Gesellscahft.
Das hat nichts mit dem Kauf eines PKWs zu tun.

Liberaler als die FDP ist die Piratenpartei aber auf jeden Fall^^

Gravatar: Euphor

Das waren ja mal gute Fragen. Lassen Sie mich zu DRM erklären. Hier argumentieren Sie vermeintlich gegen den Staatseingriff wo doch der Staatseingriff gerade das Problem ist. Bei DRM sind sie als Mediennutzer in ihren Verfügungsrechten beschränkt. Wie bei einem Keuschheitsgürtel besitzt jemand anders den Schlüssel. Daraus ergeben sich zahlreiche Unbequemlichkeiten und zudem gibt es staatliche Sanktionen gegen Nachschlüssel, Aufbrechen des Gürtels und was es sonst noch so gibt. Sie kaufen ein Gerät aber dürfen nicht mehr die Software aufspielen, die sie wollen, sondern nur die verkrüppelnde Software. Wie bei dem Keuschheitsgürtel kontrolliert jemand anderes in ihrem privaten Bereich Verfügungsrechte. Natürlich wird das nicht akzeptiert, darum ist es bereits kommerziell gescheitert.

Gravatar: Gladstone

Bernt: Danke für Ihren Kommentar. Das trägt zur Klärung bei.

Gravatar: Chris Blackoak

Wie jetzt? Passt die Piraten Partei in keine Ihrer Schubladen? Machen Sie doch einfach eien neue auf, oder besser noch, kaufen Sie sich einen Vernünftigen Regal :)

Gravatar: Gladstone

Da gibt es viele, die einfach einmal Dampf ablassen wollen. Ob Libertas, Auf-Partei, Piratenpartei, Horst-Schlemmer-Partei oder Schwachsinns-Partei ist den Leuten schon fast egal.

Gravatar: Bernd

Der Versuch die Piratenpartei allein an der Messlatte einer politisch geprägten "Liberalität" zu messen führt natürlich zu dem Schluss: Nein, die Piratenpartei ist nicht die FDP - ganz besonders nicht ihr wirtschaftsliberaler Zweig.

Dass Freiheit auch Grenzen haben muss ist allein unter Berücksichtigung der Menschenrechte selbstevident. Ihre Reduktion jedoch, dass individuelle Freiheit ökonomischen Grenzen folgen solle, zeigt, dass Ihnen ein zentrales Konzept der Piratenpartei abgeht: Bürgerrechte.

Gravatar: Steffen Hentrich

Nein,ich erwarte von den Piraten kein FDP-Programm. Ich kann mich nur sehr wundern, dass es sogar Leute aus dem libertären Lager gibt, die den Piraten zugeneigt sind. Und da verwundert es einen schon, dass die FDP durchaus berechtigt aufgrund ihrer sozialdemokratischen Anwandlungen kritisiert wird und die Piraten als Alternative ins Spiel gebracht werden. Insofern richtet sich dieser Artikel auch nicht an die originären Anhänger der Piraten, sondern an Liberale die bei den Piraten offenbar nur an das Internet denken.

Gravatar: techpriester

Du scheinst von den Piraten zu erwarten, das Programm der FDP, die ihre eigenen Ideale mißachtet, umzusetzen.
Die Piraten sind aber nun mal nicht die FDP und verfolgt in vielen Dingen unterschiedliche Ansätze.

Gravatar: ofiz

Und ich werde trotzdem die Piratenpartei wählen.

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